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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Vorläufige Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft keine willkürliche Anwendung - kein Rechtsanspruch daraus, daß die Behörde in einem anderen Fall möglicherweise zu Unrecht nicht mit gleicher Strenge vorgegangen istSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat mit Beschluß vom 16. Dezember 1987 Rechtsanwalt Dr. A L D gemäß §17 Abs3 Z1 litc DSt als einstweilige Maßnahme die Ausübung der Rechtsanwaltschaft bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegen ihn zu Z8 d E Vr 14689/85, Hv 4067/87, des Landesgerichtes für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfahrens vorläufig eingestellt.
1.2. Der dagegen von dem genannten Rechtsanwalt erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluß der Obersten Berufungsund Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 6. Juni 1988, Z Bkd 13/88-11, keine Folge gegeben.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Im Disziplinarverfahren D 192/87 wird gegen den Beschuldigten der Vorwurf erhoben, in einem Verlassenschaftsverfahren ein in seiner Verwahrung befindliches Sparbuch mit einem Guthaben von S 40.000,-- m.o.w. an den Berechtigten nicht herausgegeben zu haben. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde war dieses Faktum für den Beschluß der einstweiligen Maßnahme aber nicht ausschlaggebend, sondern stellte ausdrücklich nur einen den Beschuldigten zusätzlich belastenden Umstand dar. Selbst wenn der Beschuldigte, wie er in der Beschwerde dartut, dieses Sparbuch nachträglich am 2. Dezember 1987 dem Rechtsvertreter des Berechtigten ausgefolgt hat, ändert dies nichts an der Tatsache, daß die vorläufige Maßnahme durch alle anderen in der Begründung angeführten Umstände gerechtfertigt erscheint.
Die Ausführungen in der Beschwerde zum Faktum S R (Ausdehnung des staatsanwaltschaftlichen Strafantrages wegen des Vergehens der Veruntreuung zu 8 d E Vr 14689/85, Hv 4067/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Disziplinarverfahren D 141/87) sowie zum Faktum R St (Strafverfahren wegen Verdachtes der Beitragstäterschaft zur Urkundenfälschung, selbe Geschäftszahl des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Disziplinarverfahren D 13/86) sind nicht zielführend. Sie können die Tatsache des anhängigen Strafverfahrens nicht beseitigen, welches für sich allein schon wegen der Schwere der Vorwürfe gegen den Beschuldigten bis zu deren gerichtlichen Klärung die einstweilige Maßnahme rechtfertigt. Eine Vorwegnahme des Gerichtsverfahrens kann im Disziplinarverfahren aber nicht stattfinden.
Der Beschuldigte hat am 25. September 1987 im Disziplinarverfahren D 13/86 vor dem Untersuchungskommissär niederschriftlich erklärt, daß er freiwillig auf Vertretungshandlungen und Verteidigungen vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien und vor den diesem Gerichtshof nachgeordneten Bezirksgerichten in Strafsachen ausdrücklich verzichtet und daß er daher Klienten vor diesen nicht vertreten werde, solange das gegen ihn geführte gerichtliche Strafverfahren wegen des Verdachtes der Beitragstäterschaft zur Urkundenfälschung anhängig ist. Tatsächlich ist der Beschuldigte entgegen dieser Erklärung am 30. November 1987 - unmittelbar vor der gegen ihn selbst als Beschuldigten anberaumten Hauptverhandlung - in einer anderen Strafsache (7 b Vr 10.055/87, Hv 6568/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) als Verteidiger in der Hauptverhandlung eingeschritten. Der Disziplinarrat hat daher zu Recht als einen weiteren Grund für die beschlossene einstweilige Maßnahme den Umstand berücksichtigt, daß der Beschuldigte seine Rückstehungserklärung nicht eingehalten hat. Die Beschwerdeausführungen, in welchen er sein Einschreiten im Strafverfahren gegen E F als 'eine Art vorgezogenes Plädoyer' zur Darstellung der 'Thematik aus der Sicht der Angeklagten' bezeichnete, sind nicht geeignet, Zweifel an der rechtlichen Beurteilung durch den Disziplinarrat zu begründen, der dieses Verhalten zutreffend als Einschreiten als Verteidiger in einer gerichtlichen Strafsache beurteilte."
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
3. Der VfGH hat in den Akt Z8 d E Vr 14689/85, Hv 4067/87 Einblick genommen und hieraus festgestellt, daß gegen den Bf. am 30. April 1987 von der Staatsanwaltschaft Wien ein Strafantrag des Inhaltes gestellt wurde, daß R St und Dr. A L D
"... im September 1985 in Wien eine falsche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht (hätten), indem sie durch Zusammenkopieren des Briefkopfes der Firma H und einer Abschrift eines Kostenvoranschlages, der von dieser Firma für R St erstellt worden war, eine Rechnung über geleistete Arbeiten in der Wohnung des R St erstellten, diese mit der nachgemachten Unterschrift der H H versahen und sodann das Falsifikat anläßlich von Verhandlungen über eine Investitionsablöse mit der Hausinhabung des Hauses Wien 19., S-straße ..., zum Nachweis für getätigte Investitionen für die Installation einer Gasetagenheizung durch die Firma H vorlegten".
Mit Urteil vom 14. September 1988 wurde der Bf. wegen Verstößen gegen die §§133 Abs1 und 223 Abs2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten in I. Instanz verurteilt.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird vom Bf. ausschließlich darauf gestützt, daß - wie den Medien zu entnehmen gewesen sei - die Vorgangsweise des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien gegenüber dem Bf. kraß von deren Vorgangsweise in der ähnlich gelagerten Sache des Rechtsanwaltes DDr. P St abweiche. Dieser sei wegen des Verbrechens zur Untreue als Beteiligter nach den §§12, 153 Abs1, Abs2 zweiter Fall StGB und wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach §288 Abs1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt worden; als Schadenssumme habe das Urteil S 1,001.601,14 genannt. Es gehe dabei um Honorarnoten, die dem Institut für Krebsforschung der Universität Wien und dem Verein zur Förderung dieses Institutes in Verlassenschaftssachen gelegt und vereinnahmt worden seien. In dieser Angelegenheit sei dem betroffenen Rechtsanwalt mit Beschluß vom 22. Oktober 1986 das Vertretungsrecht in Strafsachen vor dem Oberlandesgericht Wien sowie vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien und den diesen nachgeordneten Bezirksgerichten bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegen ihn laufenden Strafverfahrens entzogen worden; mit Beschluß vom 19. Feber 1988 sei der eben genannte Beschluß dahingehend abgeändert worden, daß dem genannten Disziplinarbeschuldigten die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig gänzlich eingestellt wurde; die OBDK habe auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde den Beschluß vom 19. Feber 1988 dahin abgeändert, daß als einstweilige Maßnahme nur die Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien und die Entziehung des Vertretungsrechtes vor allen inländischen Gerichten und Verwaltungsbehörden verfügt wurde. Das Vorgehen der Disziplinarbehörden gegen den Bf. weiche hievon kraß ab und sei daher als Willkür zu werten. Dafür spreche auch die unterschiedliche Dauer der Erledigungen durch die OBDK: Während im Fall des Bf. die Erledigung erst nach mehr als sechs Monaten ergangen sei, habe die OBDK über die Beschwerde des DDr. P St innerhalb von 14 Tagen entschieden. Dazu komme die unterschiedliche Höhe der inkriminierten Beträge, die beim Bf. nur S 20.000,--, bei DDr. P St jedoch das Fünfzigfache dieses Betrages ausmache. Die Strafdrohung des dem Bf. vorgeworfenen Deliktes sei schließlich nur sechs Monate Freiheitsentzug, wohingegen der Vorwurf gegen DDr. P St mit 10 Jahren Freiheitsentzug bedroht sei. Im Falle des Bf. sei schließlich zu berücksichtigen, daß ihm auf Grund seiner Vertretungstätigkeit gegenüber S R noch Honoraransprüche in Höhe von S 48.697,-zustünden, sowie hiemit im Zusammenhang stehende weitere Honoraransprüche von S 79.168,20 und S 68.249,16; er habe diese Beträge auch bereits gerichtlich geltend gemacht. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß sich die bekämpfte vorläufige Maßnahme gleichsam als "Verurteilungszwang" auswirke. Auch insofern werde ein Verstoß gegen das Willkürverbot geltend gemacht.
4.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die materiell-rechtlich angewendete Bestimmung des §17 Abs3 Z1 litc DSt wurden nicht geltend gemacht, solche sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles im VfGH auch nicht entstanden (vgl. VfSlg. 10859/1986, aber auch VfSlg. 11424/1987).
Da der Bf. der bel. Beh. auch nicht anlastet, den angewendeten Rechtsgrundlagen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt zu haben, käme eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur in Frage, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985).
All dies ist jedoch offenkundig nicht der Fall. Daß die Behörde den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte, wird vom Bf. gar nicht behauptet; dafür fehlen im Verfahren auch jegliche Anhaltspunkte. Ausgehend von den im Beschwerdefall maßgeblichen Sachumständen, kann der bel. Beh. aber auch keine gehäufte Verkennung der Rechtslage vorgeworfen werden. Der bloße Umstand, daß in einer - nach Meinung des Bf. - vergleichbaren Disziplinarsache eine weniger gewichtige einstweilige Maßnahme gesetzt wurde, erlaubt auf Willkür schon deshalb nicht zu schließen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH niemand einen Rechtsanspruch daraus ableiten kann, daß die Behörde in einem anderen Fall möglicherweise zu Unrecht nicht mit gleicher Strenge vorgegangen ist (zB VfSlg. 6992/1973, 7836/1976, 9169/1981, 11512/1987).
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.
4.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1410.1988Dokumentnummer
JFT_10118872_88B01410_00