TE Vwgh Beschluss 1991/7/3 91/14/0115

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Veröffentlicht am 03.07.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek und Dr Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag Nöst, über den Antrag des N auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg Zl 90/14/0053 protokollierten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshof vom 16. April 1991, Zl 91/14/0053-5, wurde das Verfahren betreffend die vom Antragsteller erhobene Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom 3. Dezember 1990, Zl 30.634-3/90, bezüglich Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1986 eingestellt, weil der Antragsteller dem an ihn ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht nachgekommen war, als er innerhalb der gesetzten Frist nur eine unterschriftslose Ablichtung der Beschwerde vorlegte, ohne diese vom Rechtsanwalt unterfertigen zu lassen.

Mit dem nunmehrigen, am 6. Juni 1991 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Antragsteller unter Vorlage einer weiteren vom Rechtsanwalt unterfertigten Ablichtung der Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wobei er zur Begründung ausführt, erst durch den am 23. Mai 1991 zugestellten hg Beschluß vom 16. April 1991 habe er Kenntnis erlangt, daß dem Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde nicht zur Gänze nachgekommen worden sei. Wie sich auf Grund der angestellten Nachforschungen ergeben habe, habe sein Rechtsanwalt der Kanzleileiterin den Auftrag erteilt, von der im Handakt erliegenden, nicht unterfertigten Beschwerde eine weitere Ablichtung anzufertigen. In Erledigung dieses Auftrages habe die Kanzleileiterin von der im Handakt erliegenden Abschrift der Beschwerde eine Fotokopie angefertigt und diese - wie in der Kanzlei allgemein üblich - mit dem Handakt zur Unterschriftsleistung seinem Rechtsanwalt vorgelegt. Sein Rechtsanwalt habe sodann die von der Kanzleileiterin angefertigte Fotokopie unterfertigt und ihr den Handakt zur Posterledigung mit der Aufforderung zurückgestellt, sämtliche vom Verwaltungsgerichtshof übermittelten Unterlagen sowie die im Handakt erliegende, nunmehr unterfertigte weitere Ablichtung mittels Einschreibbrief an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden. Bei der Kuvertierung der Post sei der Kanzleileiterin der Irrtum unterlaufen, anstatt der unterfertigten, bereitgestellten Beschwerde die für den Handakt bestimmte und daher nicht unterfertigte Ablichtung der Beschwerde abzufertigen. Nach Abfertigung der Post sei der Handakt von der Kanzleileiterin abgelegt worden. Die Kanzleileiterin sei bereits seit fünfeinhalb Jahren in der Kanzlei beschäftigt und habe die ihr übertragenen Tätigkeiten stets einwandfrei und fehlerfrei ausgeübt. Es sei ihr noch nie ein Fehler bei der Kuvertierung unterlaufen. Sie werde auch laufend von seinem Rechtsanwalt überprüft. Die Verwechslung der unterfertigten mit der nicht unterfertigten Abschrift der Beschwerde stelle ein unvorhergesehens und unabwendbares Ereignis dar, wobei es sich nur um einen minderen Grad des der Kanzleileiterin unterlaufenen Versehens handle. Die im § 46 Abs 3 VwGG normierte Frist sei gewahrt.

Dem Antrag ist eine eidesstättige Erklärung der Kanzleileiterin beigeschlossen, in der folgendes ausgeführt wird:

" Ich .... bin seit 1985 in der Kanzlei .... als

Kanzleileiterin tätig und damit unter anderem mit der Erledigung der Post und Kuvertierung von Briefen beauftragt. Ich erkläre an Eides Statt, daß mich Herr Dr (Rechtsanwalt) nach Erhalt der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes beauftragt hat, eine von der im Handakt erliegende und für diesen bestimmte Abschrift der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde anzufertigen und sodann wiederum den Handakt mit dem kopierten Schriftstück zur Unterschriftsleistung, so wie dies in der Kanzlei allgemein üblich ist, vorzulegen.

Herr Dr hat sodann die Ausfertigung am 18.3.1991 unterfertigt und mir für die Posterledigung mit dem Auftrag übergeben, diese mit Bundesstempel S 60,-- zu versehen und mit sämtlichen vom Verwaltungsgerichtshof übermittelten Unterlagen mittels Einschreibbrief an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden. Bei der Kuvertierung habe ich nunmehr versehentlich anstatt der von Dr bereits unterfertigten Ausfertigung für den Bundesminister für Finanzen die nicht unterfertigte und für den Handakt bestimmte Ablichtung der Beschwerde verwendet und diese abgesandt. Sodann wurde von mir der Akt kalendiert und abgelegt. Auf das Versehen wurde ich erst durch den Beschluß vom 16.4.1991, zugestellt am 23.5.1991,

aufmerksam.

Ich erkläre weiters an Eides Statt, daß mir noch nie ein derartiger Fehler beim Kuvertieren unterlaufen ist."

Auch der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers legte dem Antrag eine eidesstättige Erklärung bei, in der er folgendes behauptet:

" Ich .... erkläre an Eides Statt, daß ich nach Erhalt der

  Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes meine

  Kanzleileiterin .... beauftragt habe, eine von der im

  Handakt   erliegende und

  für diesen bestimmte Abschrift der

  Verwaltungsgerichtshofbeschwerde anzufertigen und mir

  wiederum den Handakt mit dem  kopierten Schriftstück zur

  Unterschriftsleistung vorzulegen.

Ich habe sodann am 18.3.1991 die Kopie unterfertigt und an meine Kanzleileiterin .... mit der Aufforderung zurückgestellt, sämtliche vom Verwaltungsgerichtshof übermittelten Unterlagen so wie die im Akt erliegende unterfertigte weitere Ablichtung, versehen mit S 60,-- Bundesstempelmarken, mittels Einschreibbrief an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden.

Ich halte weiters fest, daß die Kanzleileiterin laufend von mir kontrolliert und überprüft wird. Bei der Kanzleileiterin handelt es sich um eine äußerst verläßliche Sekretärin, welche bisher einwandfrei und fehlerlos ihre Arbeit ausgeübt hat und ein Versehen bei der Kuvertierung noch nie vorgekommen ist."

Die Behauptungen des Antragstellers konnten im Hinblick auf die detaillierten Angaben im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den weiter vorgelegten Beweismitteln im Zusammenhalt mit dem Inhalt des Aktes zur hg Zl 91/14/0053 als bescheinigt angesehen werden. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist der Antrag aus folgenden Erwägungen berechtigt:

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 656 f). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen einer Kanzleikraft eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Kanzleikraft unterlassen hat. Unterläuft einer Kanzleikraft, deren Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben samt den zugehörigen Beilagen durch den Rechtsanwalt im Zug der Kuvertierung ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Eine regelmäßige Kontrolle der Kuvertierung durch eine verläßliche Kanzleikraft ist einem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht dessen Sorgfaltspflicht überspannen (vgl den hg Beschluß vom 7. September 1990, Zl 90/14/0147, mit einem weiteren Hinweis).

Diese in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Erwägungen kommen auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Auch hier hat der Rechtsanwalt des Antragstellers das für die fristgerechte Erfüllung des ihm erteilten Auftrages zur Verbesserung der Beschwerde Erforderliche vorgekehrt. Zur Versäumung der aufgetragenen Frist kam es nur auf Grund des oben beschriebenen Versehens der Kanzleileiterin, das ihr erst nach fristgerechter Unterfertigung der geforderten Beschwerdeausfertigung durch den Rechtsanwalt des Antragstellers und Erteilung der Weisung, diese (samt den zurückgestellten Beschwerdeausfertigungen und den Beilagen) dem Verwaltungsgerichtshof zu übersenden, im Zug der Abfertigung unterlaufen ist. Da dem Antragsteller und seinem Rechtsanwalt ein Verschulden an der Versäumung nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

Unter einem wird das Vorverfahren über die nunmehr unter der hg Zl 91/14/0116 protokollierte Beschwerde eingeleitet.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991140115.X00

Im RIS seit

03.07.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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