TE Vwgh Beschluss 1991/7/5 AW 91/06/0028

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Veröffentlicht am 05.07.1991
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO Tir 1989 §30;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der X-GesmbH Betriebs KG in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, der gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. April 1991, Zl. Ve-547-117/12, betreffend Nachbareinwendungen gegen ein Bauvorhaben, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde R vom 3. August 1987 für die Errichtung eines Kurhauses die Baubewilligung erteilt. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 habe dieselbe Behörde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung für eine Erweiterung dieses Bauvorhabens erteilt. Der zuletzt genannte Bescheid sei von der Nachbargemeinde (der erstmitbeteiligten Partei des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens) mit Berufung bekämpft worden.

Der - nach Verstreichen der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle angerufene - Gemeinderat der Gemeinde R hatte die Berufung mit Bescheid vom 18. Jänner 1991 als unbegründet abgewiesen, und diesen Bescheid im wesentlichen damit begründet, daß der Gemeinde S keine Parteistellung gemäß § 30 Abs. 1 TBO zukomme.

Diesen Berufungsbescheid hat die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid aufgehoben und der Berufungsbehörde die Rechtsauffassung überbunden, daß der Nachbargemeinde S Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zukomme und daß sie durch den Baubewilligungsbescheid in dem von ihr geltend gemachten Recht auf Einhaltung der höchstzulässigen Bebauungshöhe sowie der gegebenen Widmung verletzt worden sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt, ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen: dem stünden zwingende öffentliche Interessen nicht entgegen, da die Beschwerde nicht als aussichtslos angesehen werden könne und mit der "Aberkennung der aufschiebenden Wirkung des angfochtenen Bescheides vor Entscheidung über diese Beschwerde" für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßig hoher Nachteil verbunden sei. Dieser Nachteil wird dahin umschrieben, daß - sinngemäß und zusammengefaßt - von der Beschwerdeführerin eine dreistellige Millionensumme in dieses Projekt investiert worden sei und die durch die Erhebung von Rechtsmitteln seitens der Gemeinde S eintretende Verzögerung zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten für die Beschwerdeführerin, aber auch zu einer "Störung" ihres Verhältnisses zu den am Projekt beteiligten Banken führen könnte.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Unter Vollzug im Sinne dieser Gesetzesstelle ist die Umsetzung eines Bescheides in die Wirklichkeit - dies sowohl iSd Herstellung der dem Bescheidinhalt entsprechenden materiellen Rechtslage als auch iSd Herstellung des dieser Rechtslage entsprechenden faktischen Zustandes während des Beschwerdeverfahrens - zu verstehen (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10381/A, u.a.). Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kommt daher dann nicht mehr in Betracht, wenn der angefochtene Bescheid bereits vollzogen oder einem behördlichen Vollzug nicht (mehr) zugänglich ist. Als unmittelbare Folge der im angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Behebung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der Gemeinde Reith liegt dem Gemeinderat nunmehr (wieder) ein mit Berufung bekämpfter (und daher nicht rechtskräftiger) Baubewilligungsbescheid vor. Unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung, wonach die Nachbargemeinde bei Erlassung des Bewilligungsbescheides zu Unrecht nicht als Partei beigezogen worden sei, ergab sich durch den angefochtenen Bescheid keine Änderung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides: diese war demnach (auf dem Boden der Rechtsauffassung der belangten Behörde, von der der Verwaltungsgerichtshof in diesem Verfahrensstadium auszugehen hat) schon ursprünglich nicht gegeben, wenngleich die Beschwerdeführerin gegenteiliger Meinung war (und möglicherweise auch sein durfte). Der bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eingetretene Schwebezustand in der Frage, ob der Rechtsauffassung der belangten Behörde zu folgen sei oder nicht, wird jedenfalls nicht durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides bewirkt, sondern liegt im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Er ist ein faktisches, jedoch kein rechtliches Problem, der mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesteuert werden könnte, sodaß alle Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend die mit dem Eintritt dieses Schwebezustandes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile am Verfahrensthema vorbeigehen (vgl. dazu im übrigen den die gleiche Beschwerdeführerin betreffenden hg. Beschluß vom 17. Juni 1991, AW 91/06/0023).

Da sich der vorliegende Antrag somit schon aus dem Blickwinkel der in ihm enthaltenen Ausführungen als unberechtigt erweist, konnte die Frage, ob der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden, auf sich beruhen.

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Vollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:AW1991060028.A00

Im RIS seit

05.07.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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