TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/8 91/19/0092

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Veröffentlicht am 08.07.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs2;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
PaßG 1969 §25 Abs3 lite;
PaßG 1969 §28;
PaßG 1969 §37;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der VN gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Ankara vom 13. Februar 1991, Zl. 3.31.358/1/91, betreffend Versagung eines befristeten Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Eingabe an die Österreichische Botschaft in Ankara (die belangte Behörde) vom 23. Jänner 1991 hatte die nunmehrige Beschwerdeführerin den Antrag gestellt, "mir die Aufenthaltsberechtigung für Österreich in der Weise zu erteilen, daß ich berechtigt bin, mich in Österreich niederzulassen und aufzuhalten, und zwar durch die Erteilung eines befristeten Wiedereinreise-Sichtvermerkes (Vorschlag: 1 Jahr)". Begründend war dazu ausgeführt worden, ihr Ehemann sei seit vielen Jahren in Österreich aufenthaltsberechtigt und beschäftigt; er verdiene ca. S 11.000,-- monatlich; eine entsprechende Unterkunft stehe zur Verfügung. Im Juni 1989 sei zwar gegen ihren Ehemann von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ein mit 31. Dezember 1999 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden; allerdings habe der Verwaltungsgerichtshof der dagegen eingebrachten Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt (Beschluß vom 12. Oktober 1990). Ihr Ehemann könne Österreich nicht verlassen, da das Aufenthaltsverbot dann vollzogen wäre. Die Beschwerdeführerin leide unter der ständigen Trennung und möchte zu ihrem Ehemann nach Österreich kommen. Dem Antrag waren mehrere Unterlagen, darunter eine Erklärung des Unterkunftsgebers gemäß § 4 Abs. 3 Z. 5 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes über die Unterkunft des Ehemannes der Beschwerdeführerin, eine "Arbeits- bzw. Lohnbestätigung" des Arbeitgebers des Ehemannes und eine Beschäftigungsbewilligung (vom 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1991) für den Ehemann seitens des Arbeitsamtes Feldkirch, angeschlossen.

2. Ohne weitere Ermittlungsschritte richtete die belangte Behörde daraufhin unter dem Datum 13. Februar 1991 an den Vertreter der Beschwerdeführerin (den nunmehrigen Beschwerdevertreter) ein Schreiben folgenden Wortlautes:

"Sehr geehrter Herr RechtsanwaltÜ

Der Sichtvermerksantrag der türk. StA. VN, 12.02.1974 geb., wird abgelehnt. Gegen den Ehemann der Genannten wurde ein Aufenthaltsverbot in Österreich erlassen, wenngleich dessen Rechtsfolgen, da der diesbezüglichen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, derzeit nicht zum Tragen kommen, kann nicht vorhergesehen werden, ob der Gatte weiterhin in Österreich aufenthaltsberechtigt sein wird. Die wirtschaftliche Existenzgrundlage der nachzuführenden unterhaltsberechtigten Person ist daher nicht gesichert.

Anbei werden die mit oz. Schreiben übermittelten Dokumente mit Ausnahme des Reisepasses des Herrn KN (TR-C 449554) an Sie retourniert. Der Reisepaß des Herrn KN wird u.E. der BH Feldkirch weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen

Karl Zach

Botschaftssekretär"

3. Durch dieses von der Beschwerdeführerin als Bescheid gewertete Schreiben erachtet sie sich in "ihrem Recht verletzt, eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Sichtvermerk) für Österreich zu bekommen". Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten (in Ablichtung) vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was zunächst die rechtliche Qualifizierung der angefochtenen Erledigung (oben I.2.) anlangt, so pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin bei, daß mit dieser in normativer Weise über den von ihr gestellten Antrag vom 23. Jänner 1991 auf Ausstellung eines befristeten Sichtvermerkes abgesprochen worden ist, die besagte Erledigung somit als Bescheid zu werten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 91/19/0067, und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Beschwerde ist demnach zulässig.

2. Gemäß § 23 Abs. 1 Paßgesetz, BGBl. Nr. 422/1969, (PaßG 1969) bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument (§ 22) eines österreichischen Sichtvermerkes; dies gilt nicht, wenn durch zwischenstaatliche Vereinbarung anderes bestimmt wird oder wenn der Fremde während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum nicht verläßt (Transitreisender).

Im Beschwerdefall bedurfte die Beschwerdeführerin eines Sichtvermerkes, da durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist: Die nach dem Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Türkischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, zulässige sichtvermerksfreie Einreise türkischer Staatsangehöriger in Österreich und ein anschließender drei Monate nicht übersteigender Aufenthalt war der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Kundmachungen des Bundeskanzlers vom 23. Jänner 1990, BGBl. Nr. 66, und vom 24. April 1990, BGBl. Nr. 222, mit denen das genannte Regierungsabkommen hinsichtlich türkischer Staatsangehöriger mit Ausnahme der Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen mit 17. Jänner 1990 aufgehoben bzw. die Aufhebung mit Wirkung ab 17. April 1990 bis auf weiteres verlängert wurde, nicht gestattet.

3.1. Nach § 25 Abs. 1 PaßG 1969 kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt. Zufolge des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen. Gemäß § 25 Abs. 3 PaßG 1969 ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn (lit. e) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

3.2. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, auf die Versagungsgründe des § 25 Abs. 3 PaßG 1969 sei im vorliegenden Fall nicht einzugehen, da sich die belangte Behörde "weder ausdrücklich noch schlüssig" auf einen in dieser Bestimmung angeführten Versagungsgrund bezogen habe, ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß die im angefochtenen Bescheid für die Versagung des beantragten Sichtvermerkes gegebene Begründung (vgl. oben I.2.) erkennbar auf den Tatbestand des § 25 Abs. 3 lit. e leg. cit. Bezug nimmt. Diese Subsumtion ist unter der Voraussetzung nicht rechtswidrig, daß die von der belangten Behörde (implizit) als erwiesen angenommene sachverhaltsmäßige Grundlage zutreffend ist, steht es doch mit den Denkgesetzen, aber auch mit der Lebenserfahrung in Einklang, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin über den Zeitpunkt der Vollstreckung des gegen ihren Ehemann erlassenen Aufenthaltsverbotes hinaus bei Fehlen anderweitiger materieller Unterstützung der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung der Republik führen könnte.

4.1. Die belangte Behörde hat den Antrag der Beschwerdeführerin vom 23. Jänner 1991 - will man ihrer Argumentation im angefochtenen Bescheid nicht Widersprüchlichkeit unterstellen - dahin gedeutet, daß die Beschwerdeführerin die von ihr begehrte Befristung des Sichtvermerkes nicht auf den Zeitpunkt der (allfälligen) Vollstreckung des über ihren Ehemann verhängten Aufenthaltsverbotes abgestellt habe, sie vielmehr die Befristung von einem Jahr unabhängig vom vorgenannten Zeitpunkt, also auch über diesen hinausgehend, habe verstanden wissen wollen. Dieses Verständnis des Antrages ist

- unbeschadet des in diesem genannten Motives - im Hinblick auf die Formulierung, insbesondere das Fehlen einer ausdrücklichen Verknüpfung der "vorgeschlagenen" Befristung mit der (allfälligen) Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes, nicht unzutreffend. Bei der belangten Behörde mußten demnach in dieser Hinsicht Zweifel, die eine Klarstellung seitens der Beschwerdeführerin erforderlich gemacht hätte, nicht entstehen. Im übrigen sprechen für die Richtigkeit dieser Auslegung jedenfalls auch jene Beschwerdeausführungen, mit denen behauptet wird, daß, hätte die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, "zum Vorschein gekommen (wäre), daß mehrere Verwandte (Schwiegervater, Schwiegermutter, Schwager usw.) in Österreich aufenthaltsberechtigt und beschäftigt sind; diese Personen sind ebenfalls bereit, für die Aufenthaltskosten der Beschwerdeführerin aufzukommen".

4.2. Ging aber die belangte Behörde von einem von ihr so verstandenen Antrag der Beschwerdeführerin aus und hielt sie es demnach als für ihre Entscheidung maßgeblich, daß die besagte Ein-Jahres-Frist erst nach einer (allfälligen) Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin enden könnte, und für diese restliche Zeit die "Existenzgrundlage" der Beschwerdeführerin "nicht gesichert" sei, so legte sie damit ihrem den angestrebten Sichtvermerk versagenden Abspruch einen Sachverhalt zugrunde, der diesen unter dem Gesichtspunkt des § 25 Abs. 3 lit. e PaßG 1969 rechtlich einwandfrei zu stützen geeignet ist. Hinsichtlich dieses Sachverhaltes waren aber auch - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - keine ergänzenden Ermittlungen erforderlich, noch bedurfte es insoweit der Gewährung des Parteiengehörs. Denn der bereits anläßlich der Antragstellung anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin war schon zu diesem Zeitpunkt - die, wie dargelegt, zutreffende Deutung des Inhaltes des Antrages durch die belangte Behörde zugrunde gelegt - der behördlicherseits als entscheidungsrelevant angesehene Sachverhalt bekannt bzw. war er von ihr mitbedacht. Wenn aber die Beschwerdeführerin selbst damit rechnete, daß die von ihr begehrte Befristung von einem Jahr auch erst NACH dem Zeitpunkt der (allfälligen) Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes gegen ihren Ehemann enden könnte, so wäre es ihr oblegen, schon im Antrag - genauso, wie sie dies für den Zeitraum bis zur (allfälligen) Vollstreckung des besagten Aufenthaltsverbotes getan hat - anzugeben, ob und gegebenenfalls auf welche Weise für die restliche Zeit zwischen der (allfälligen) Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes und dem Ablauf der Ein-Jahres-Frist ihre "Existenzgrundlage" gesichert wäre. Da die Beschwerdeführerin dieser ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen ist, durfte die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte als erwiesen annehmen, daß für die in Rede stehende restliche Zeit die "Existenzgrundlage" der Beschwerdeführerin nicht gesichert sei. Auf dem Boden dieser Annahme konnte die Behörde, wie gesagt, rechtlich unbedenklich den Versagungstatbestand des § 25 Abs. 3 lit. e PaßG 1969 als verwirklicht ansehen.

4.3. Schließlich erweist sich auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe bei ihrer Entscheidung den Aspekt der "Familieneinheit" nicht beachtet, als unberechtigt, kommt doch eine Bedachtnahme auf die familiären Verhältnisse eines Sichtvermerkswerbers von vornherein nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 25 Abs. 1 und 2 PaßG 1969 in Betracht (vgl. den hg. Bechluß vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0232).

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung (oben I.3.) nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere RechtsgebieteOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinBescheidcharakter BescheidbegriffMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190092.X00

Im RIS seit

06.08.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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