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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art140 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des §23 StGB idF BGBl. 605/1987; Gerichtsverfahren anhängig - Möglichkeit der Anregung einer Antragstellung nach Art89 Abs2 B-VG; kein "unmittelbarer" Eingriff in Rechtssphäre des ASt.; kein Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - keine LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Mit einer nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachten Eingabe macht der Antragsteller die Verfassungswidrigkeit, insbesondere die Gleichheitswidrigkeit des §23 StGB idF BGBl. Nr. 605/1987, geltend.
Zur Legitimation bringt er vor, daß er mit Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 3. Dezember 1980, Z7 b Vr 337/80, Hv 64/80, wegen "§201(1), 203(1), 106(1)Z1, 15, 99 Abs1, 83 Abs1, 127 Abs1 STGB, 36 Abslita WaffenG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und nach §23 STGB für Rückfallstäter verurteilt" wurde.
Am 22. Juni 1988, also 17 Tage vor Strafende, sei ihm der Beschluß des Kreisgerichtes Krems, Z13 a BE 790/87, "über die Notwendigkeit der Unterbringung in der Anstalt für Rückfallstäter" zugestellt worden. Gegen diesen Beschluß habe er "Einspruch" erhoben. Am 22. August 1988 sei ihm der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien, Z21 Bs 366/88, "wegen meiner weiteren Unterbringung in der Anstalt für Rückfallstäter" zugestellt worden. Seine Haftstrafe sei am 9. Juli 1988 zu Ende gewesen. Die Überstellung in die Sonderanstalt für Rückfallstäter sei am 1. Juli 1988 erfolgt.
2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüberhinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985).
3. Ein "unmittelbarer" Eingriff ist ua. auch dann nicht gegeben, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen generellen Norm zugefügten - Rechtsverletzung zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 10251/1984, 11344/1987, 11480/1987).
Im Zuge eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens besteht für den Antragsteller Gelegenheit, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesstelle vorzutragen und bei dem in dieser Rechtssache zuständigen Gericht die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 erster Satz B-VG wäre das Gericht, sofern es gleich dem Antragsteller - Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes hegen sollte, zur entsprechenden Anrufung des VfGH verpflichtet (vgl. zB VfSlg. 8552/1979, 9394/1982, 11480/1987).
War - wie hier - ein gerichtliches Verfahren, in dem der Betroffene eine solche amtswegige Antragstellung an den VfGH anregen konnte, bereits anhängig, so müssen besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des Gerichtsverfahrens selbst - trotz der ihr dort gegeben gewesenen Möglichkeit - das Recht auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages einzuräumen. Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären ("lückenschließenden") Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 10251/1984, 11344/1987 und 11505/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (VfSlg. 8552/1979).
Nach Ansicht des VfGH ist aber nicht zu ersehen, daß im Falle des Antragstellers besondere, außergewöhnliche Umstände der vorhin erwähnten Art vorlägen.
4. Die Eingabe war daher schon aus den dargelegten Erwägungen zurückzuweisen, ohne daß zu prüfen war, ob alle anderen formellen Voraussetzungen vorliegen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G202.1988Dokumentnummer
JFT_10118872_88G00202_00