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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Franz W in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. März 1991, Zl. Ge-47.045/8-1991/Pan/Dg, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 1991 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden sei, als verantwortlicher Arbeitgeber (Baumeister) an einer näher angeführten Baustelle am 28. August 1989 von zwei Arbeitnehmern auf einem Konsolgerüst in ca. 4 m Höhe Schalungsarbeiten durchführen lassen, obwohl auf der Gerüstetage Brust-, Mittel- und Fußwehren gefehlt hätten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 46 Abs. 6 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß ihn die belangte Behörde für die in Rede stehende Tat trotz der Bestellung des Rupert B. als verantwortlichen Beauftragten zur Verantwortung gezogen habe.
Dazu wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, der gegenständliche Tatzeitpunkt sei der 28. August 1989 gewesen. Der Beschwerdeführer habe eine diesbezügliche Zustimmungserklärung des "verantwortlichen Beauftragten" B. vom 20. August 1989 vorgelegt. Diese Zustimmungserklärung sei jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung nicht als Nachweis für die erfolgte Zustimmung zu werten, da ein derartiges Schreiben jederzeit verfaßt werden könne und keinen Aufschluß darüber gebe, ob diese schriftliche Erklärung tatsächlich vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt abgegeben worden sei. Selbst die Einvernahme des Zeugen H. könne diesem Schriftstück nicht zum erforderlich Nachweis verhelfen, da der Zeuge erst im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren befragt werden könnte und dies dann ein Beweis sei, der aus der Zeit nach der Begehung der Tat stamme. Ein derartiger Beweis entspreche nicht den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes festgelegten Erfordernissen.
Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt:
Gemäß Abs. 3 des besondere Fälle der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit regelnden § 9 VStG 1950 kann eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen. Nach Abs. 4 dieses Paragraphen kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, und tritt erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. des Einzelunternehmers. Es muß bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des Erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. zum Ganzen etwa das von der belangten Behörde in der Gegenschrift zitierte Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0116, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im vorliegenden Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren mit Schriftsatz vom 20. November 1989 einen mit 20. August 1989 datierten, diesbezüglichen Nachweis der Bestellung des Rupert B. als verantwortlichen Beauftragten für die in Rede stehende Baustelle, insbesondere in Hinsicht auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen, vorgelegt. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß es ihrer freien Beweiswürdigung oblag, ob der erwähnte Zustimmungsnachweis aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammt. Dies enthob sie jedoch nicht der Verpflichtung zu begründen, aus welchen Erwägungen sie offenbar zum Ergebnis kam, daß der erwähnte Zustimmungsnachweis nicht aus der Zeit vor der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat stammt. Der diesbezügliche Hinweis, daß ein derartiges Schreiben "jederzeit verfaßt werden kann", ist unzureichend. Auch verkennt die belangte Behörde die Rechtslage mit der von ihr vertretenen Ansicht, daß die Aufnahme von Beweisen zu DIESEM Beweisthema nicht nachträglich erfolgen kann, da es hier allein um die Frage geht, ob das erwähnte Beweisergebnis (die schriftliche Zustimmungserklärung) entsprechend dem in der zitierten hg. Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war. Dies etwa durch den Antrag auf Einvernahme des Zeugen H. zu untermauern, war daher dem Beschwerdeführer keineswegs verwehrt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes beschränkt durch den Umfang des Antrages. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes abzuweisen.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190113.X00Im RIS seit
24.07.1991