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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Anton S in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. April 1991, Zl. 5-212 Sche 37/12-90, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1991, Zlen. 90/19/0454, 0510, verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 5. März 1990 teilweise Folge gegeben und dieses gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin abgeändert, daß der Spruch nunmehr zu lauten habe:
"Am 28.4.1989 stellten Organe des Arbeitsinspektorates Graz bei einer Kontrolle der Baustelle X-Gasse 4, der S-GmbH fest, daß die gemäß § 25 Abs. 1 geforderten Aufzeichnungen nach dem Arbeitsruhegesetz nicht geführt wurden. Auch wurden die gemäß § 25 Abs. 2 erforderlichen Auskünfte nicht erteilt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. und § 16 Abs. 1 und 2 VStG 1950 folgende Strafen verhängt:
Zu 1.) 12.000 S (im Uneinbringlichkeitsfalle 12 Tage Ersatzarrest),
zu 2.) 3000 S (im Uneinbringlichkeitsfalle 3 Tage Ersatzarrest)."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und verwies zum Vorbringen des Beschwerdeführers auf die Aktenlage.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer verkennt die Rechtslage, wenn er geltend macht, daß ohne eine rechtsgültige Zustellung des Straferkenntnisses erster Instanz ein Berufungserkenntnis nicht gefällt werden dürfe:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 4. Mai 1970, Slg. Nr. 7790/A) kann eine Partei (hier der Beschwerdeführer) gegen einen Bescheid, der durch die Erlassung an eine andere Partei (hier das Arbeitsinspektorat Graz) bereits der Rechtswelt angehört, ab Kenntnis des Bescheidinhaltes Berufung erheben, auch wenn eine Erlassung gegenüber dem Rechtsmittelwerber noch nicht erfolgt ist. Im Beschwerdefall durfte die belangte Behörde davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung der Inhalt des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bekannt war, brachte doch der Vertreter des Beschwerdeführers in der von ihm verfaßten Berufung vor, daß ihm das erstinstanzliche Straferkenntnis nach dem 9. April 1990 übergeben worden sei. Es erweist sich somit die Einbringung der Berufung, auch wenn sie noch vor rechtswirksamer Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgt sein sollte, und mangels eines entgegenstehenden gesetzlichen Hindernisses auch die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung darüber als zulässig.
In der Sache selbst rügt der Beschwerdeführer, "daß es nicht angeht, wegen der einzelnen Inhalte der zu führenden Aufzeichnungen jeweils separat eine Strafe zu verhängen, sondern daß die Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen, bzw. deren Verletzung ein einheitliches Delikt darstellt, die Aufzeichnungen als solche sind ein Ganzes und können nicht einzelne Elemente der zu führenden Aufzeichnungen jeweils als einzelnes Delikt angeführt und bestraft werden". Dies gelte sowohl für die behauptete Verweigerung der Einsicht als auch für die behauptete Nichtführung der Aufzeichnungen. Dieses Vorbringen geht ins Leere, weil dem Beschwerdeführer das Nichtführen der gemäß § 25 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes geforderten Aufzeichnungen im angefochtenen Bescheid - im Gegensatz zum erstinstanzlichen Straferkenntnis - ohnedies nur als EIN Delikt zur Last gelegt wurde und weil er wegen einer "behaupteten Verweigerung der Einsicht" nicht bestraft wurde.
Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Aus dem geänderten Spruch des Straferkenntnisses geht nämlich nicht hervor, daß der Beschwerdeführer die Taten als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die im Spruch angeführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung strafrechtlich Verantwortliche begangen hat; auch die Merkmale, denen zufolge ihm die strafrechtliche Verantwortlichkeit zukommt, sind im Spruch nicht angeführt. Damit wurde den Erfordernissen des § 44a lit. a VStG nicht entsprochen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12375/A, und das Erkenntnis vom 27. Juni 1983, Slg. Nr. 11100/A).
Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4 Inhalt der BerufungsentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190147.X00Im RIS seit
24.07.1991