TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/24 91/19/0118

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Veröffentlicht am 24.07.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §16 Abs2;
AZG §16 Abs3;
AZG §16 Abs4;
AZG;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

DerVerwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Robert W in B, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. März 1991, Zl. VII/2a-V-1363/0/2-91, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 6. März 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als verantwortlicher Beauftragter der P. GesmbH mit einem näher angeführten Standort den Lenker T.D. zu Einsatzzeiten von 32 Stunden (1. Oktober 1988 7.00 Uhr bis 2. Oktober 1988 15.00 Uhr) und 28 Stunden (5. Oktober 1988 12.00 Uhr bis 6. Oktober 1988 16.00 Uhr) herangezogen und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes (im folgenden: AZG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde insoweit Folge, daß sie die Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte. Weiters heißt es in diesem Bescheid, daß die Übertretungsnorm "i.V.m. § 16/4 AZG zu verstehen" sei und der Beschwerdeführer die Tat als Bevollmächtigter des Arbeitgebers P. GesmbH zu verantworten habe.

Hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, Beginn und Ende der gegenständlichen Fahrt nach Istanbul bzw. von Istanbul würden in der Berufung nicht bestritten. Der Bus sei (entsprechend der Verantwortung des Beschwerdeführers) von zwei Chauffeuren abwechselnd gelenkt worden, ein Chauffeur habe jeweils seine Ruhezeit in der Schlafkabine verbracht, sodaß es zu keiner Überschreitung der zulässigen Einsatzzeit (12 Stunden gemäß § 16/2 AZG, bei zwei Lenkern nach Kollektivvertrag bis zu 17 Stunden gemäß § 16/4 AZG) gekommen sei. Ohne die Rechtsansicht des Arbeitsinspektorates, der Aufenthalt in der Schlafkabine könne - wenn das Fahrzeug sich in Bewegung befinde - nicht als Ruhezeit angesehen werden, zu erörtern, werde von der Behörde daran erinnert, daß laut niederschriftlicher Angabe des Beschwerdeführers vom 21. Februar 1989 die Fahrer die "gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von 8 Stunden" in der Schlafkabine verbracht hätten. Laut Schreiben der Arbeiterkammer vom 11. November 1988 hätten die beiden Lenker einander alle 6 Stunden am Steuer abgewechselt. Demgegenüber habe gemäß § 12 AZG die Ruhezeit ununterbrochen 11 Stunden (nach Kollektivvertrag allenfalls 10 Stunden) zu betragen. Schon aus der Argumentation des Beschwerdeführers lasse sich also erkennen, daß keine Ruhezeit im Sinne des § 12 AZG konsumiert worden sei, sodaß die angegebenen Zeiträume tatsächlich als jeweils eine Einsatzzeit zu betrachten seien. Dies sei im wesentlichen auch in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausgeführt und in der Berufung nicht bestritten worden. Da der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben über Lage und Ausmaß der Zeiträume, die die Lenker in der Schlafkabine verbracht hätten, gemacht habe, lasse er diesbezüglich jede Mitwirkung an der Wahrheitsfindung vermissen. Insbesondere habe er entgegen seinem niederschriftlichen Versprechen vom 21. Februar 1989 weder den Namen des zweiten Lenkers noch die Adressen beider Lenker bekanntgegeben und auch keine Tachographenschreiben vorgelegt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst die Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu teilen, daß der angefochtene Bescheid deshalb ein "Formgebrechen" aufweise, weil seinem Spruch nicht zu entnehmen sei, gegen welche Normen der Beschwerdeführer verstoßen habe bzw. welcher Tat er für schuldig erkannt worden sei. Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 24. Oktober 1984, Zl. 84/02B/0028), daß es nicht erforderlich ist, bei (teilweiser) Bestätigung durch die Berufungsbehörde im Berufungsbescheid alle keiner Abänderung unterliegenden Spruchelemente zu wiederholen. Aus dem dargestellten Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Verbindung mit jenem des angefochtenen Bescheides lassen sich daher auch die als verletzt erachteten Normen sowie die Tat, welcher der Beschwerdeführer für schuldig befunden wurde, entnehmen.

Zum Beschwerdevorbringen, wonach die in Rede stehende Tat nicht strafbar sei, weil die Überschreitungen des AZG im Ausland erfolgt seien, genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0413). Danach ist als Ort der Übertretung jener Ort anzusehen, an dem die gesetzliche Vorsorgehandlung unterlassen wurde; dies ist der - im Beschwerdefall in Österreich - gelegene Sitz der Unternehmensführung.

Die im Beschwerdefall interessierenden Absätze 1, 2 und 4 des § 16 AZG lauten:

"(1) Die Einsatzzeit von Lenkern und Beifahrern umfaßt die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit, die Ruhepausen und die Lenkpausen.

(2) Die Einsatzzeit darf, soweit in den Absätzen 3 und 4 nicht anderes bestimmt wird, zwölf Stunden nicht überschreiten.

(4) Befinden sich zwei Lenker im Fahrzeug, so kann durch Kollektivvertrag in den Fällen der Arbeitsbereitschaft (§ 5) abweichend von § 7 Abs. 3 zugelassen werden, daß die Einsatzzeit bis zu siebzehn Stunden betragen darf."

Nach § 12 Abs. 1 AZG ist den Arbeitnehmern nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. Durch Kollektivvertrag kann zugelassen werden, daß die ununterbrochene Ruhezeit für männliche Arbeitnehmer nur zehn Stunden beträgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0418, die Rechtsansicht vertreten, daß die Absätze 2, 3 und 4 des § 16 AZG verschiedene Tatbestände bilden. Die belangte Behörde hat nun durch die oben wiedergegebene Ergänzung der "Übertretungsnorm" durch § 16 Abs. 4 AZG, ohne zu erkennen zu geben, daß sie etwa das im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthaltene Zitat des § 16 Abs. 2 AZG nicht mehr aufrechterhalten habe, insoweit gegen die Vorschrift des § 44a lit. b VStG 1950 verstoßen, weil dadurch die zur Bestrafung des Beschwerdeführers führende Subsumtion - sei es unter den Absatz 2 oder unter den Absatz 4 des § 16 AZG - nicht nachvollziehbar ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1989, Zl. 88/02/0120). Dies belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Im übrigen wird - sollte die belangte Behörde eine Subsumtion unter § 16 Abs. 4 AZG beabsichtigt haben - bemerkt, daß dies beim Tatvorwurf nach § 44a lit. a VStG 1950 Berücksichtigung hätte finden müssen.

Aber auch die Annahme des im Spruch des Straferkenntnisses angeführten objektiven Tatbestandes der Überschreitung der Einsatzzeiten wird vom Beschwerdeführer zu Recht gerügt: Was zunächst die im Verwaltungsstrafverfahren geäußerte Ansicht des Arbeitsinspektorates, der Aufenthalt in der sogenannten Schlafkabine sei, wenn sich das Fahrzeug in Bewegung befinde, nicht als Ruhezeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AZG anzusehen, anlangt, so wurde diese Ansicht nicht näher begründet. Die belangte Behörde stützte sich allerdings im wesentlichen darauf, daß der Beschwerdeführer am 21. Februar 1989 (betreffend die Hinfahrt am 1. und 2. Oktober 1988) niederschriftlich angegeben habe, die Fahrer hätten die "gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von 8 Stunden" in der Schlafkabine verbracht. Diese Feststellung der belangten Behörde ist allerdings aktenwidrig, weil der Beschwerdeführer laut dieser Niederschrift in diesem Zusammenhang von "mindestens" 8 Stunden gesprochen hat. Was die von der belangten Behörde vermißte Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Wahrheitsfindung betrifft, ist festzustellen, daß es zunächst Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, von Amts wegen jene Ermittlungen vorzunehmen, wofür sie der Mitwirkung des Beschwerdeführers gar nicht bedurfte. Die belangte Behörde hat sich allerdings in Hinsicht auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat mit einem Hinweis auf ein Schreiben der Arbeiterkammer vom 11. November 1988 begnügt, dem schon deshalb geringerer Beweiswert zukommt, weil es sich dabei lediglich um eine Wiedergabe der Angaben einer anderen Person, nämlich des Reiseteilnehmers H., gehandelt hat. Die Einvernahme dieses Reiseteilnehmers ist aber trotz des sehr wohl vorgebrachten Einwandes des Beschwerdeführers in der Berufung, es sei zu keiner Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Einsatzzeit gekommen, ohne Angabe von Gründen unterblieben.

Diese dargestellten Verfahrensmängel werden durch die oben aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides in den Hintergrund gedrängt. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190118.X00

Im RIS seit

24.07.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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