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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der Ayse K in S, vertreten durch Dr. H Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 13. Juni 1991, Zl. 11-F/86, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, vom 19. März 1991 auf Erteilung eines Sichtvermerkes unter Berufung auf § 25 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 lit. b und lit. e des Paßgesetzes 1969, BGBl. Nr. 422, (PaßG) abgewiesen.
In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei illegal nach Österreich eingereist, da sie trotz der Sichtvermerkspflicht für türkische Staatsangehörige ohne einen gültigen Sichtvermerk nach Österreich gekommen sei. Es bestehe der Verdacht, daß die Beschwerdeführerin durch einen "Schlepper" nach Österreich gebracht worden sei. Aus diesem Grund sei auch die Annahme gerechtfertigt, daß die Wiederausreise nicht gesichert sei. Die Beschwerdeführerin halte sich unbefugt in Österreich auf und sei diesbezüglich auch schon bestraft worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Regelung des § 25 Abs. 1 PaßG zufolge kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß § 25 Abs. 3 des Gesetzes vorliegt. Nach § 25 Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen. Nach § 25 Abs. 3 leg. cit. ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn (lit. d) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Wohl hat die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides die zitierte Bestimmung des § 25 Abs. 3 lit. d PaßG nicht angeführt, doch läßt sich aus den dargestellten Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides entnehmen, daß die belangte Behörde auch auf diesen Versagungsgrund Bezug genommen hat. Sollte sie das Vorliegen zumindest dieses Versagungsgrundes rechtens bejaht haben, so ist nicht mehr zu prüfen, ob sie berechtigt gewesen wäre, eine (für die Beschwerdeführerin ungünstige) Ermessensentscheidung im Grunde des § 25 Abs. 1 und 2 PaßG zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0141). Weiters bliebe bei Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 25 Abs. 3 PaßG für die nur bei einer Ermessensentscheidung nach § 25 Abs. 1 und 2 leg. cit. zu berücksichtigenden persönlichen Verhältnisse kein Raum; insbesondere war in einem solchen Fall auf die familiären Verhältnisse auch nicht unter dem Blickwinkel der "Familieneinheit" Bedacht zu nehmen (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis).
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß die belangte Behörde das Vorliegen dieses Versagungsgrundes nach § 25 Abs. 3 lit. d PaßG aus folgenden Erwägungen zu Recht annehmen konnte:
Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, daß ihre Einreise ohne den erforderlichen Sichtvermerk erfolgte. Es entspricht aber der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 91/19/0068), daß die Rechtsordnung der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher Vorschriften ein solches Gewicht beimißt, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliegt. Die von der belangten Behörde im Hinblick auf die Annahme, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährden würde (§ 25 Abs. 3 lit. d PaßG), getroffene Entscheidung, der Beschwerdeführerin den begehrten Sichtvermerk zu versagen, entspricht daher dem Gesetz.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde - ohne daß auf das weitere Vorbringen eingegangen werden mußte - erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190236.X00Im RIS seit
06.08.2001Zuletzt aktualisiert am
04.04.2010