TE Vfgh Beschluss 1988/11/29 B1106/88

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Veröffentlicht am 29.11.1988
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Index

22 Zivilprozeß, außerstreitiges Verfahren
22/02 Zivilprozeßordnung

Norm

VfGG §33
ZPO §148 Abs2

Leitsatz

VerfGG §§33, 35; ZPO §148 Abs2; Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung als verspätet

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Die Antragstellerin begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit folgender Begründung:

"Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland . . . verfaßte die Bf. selbst am 27. 11. 1987 einen Entwurf einer Beschwerde an den hohen VfGH, den sie dem Einschreitervertreter übermittelte. Nach Überprüfung der Unterlagen und des Sachverhaltes am 2. 12. 1987 wurde in einem Telefonat dem Einschreitervertreter zugesagt, die entsprechende Veranlassung, das heißt die Ausbesserung des Entwurfes und Zurverfügungstellung der Unterlagen zu veranlassen. Der Einschreitervertreter wies noch darauf hin, daß entgegen der Ansicht der Berufungswerberin die Frist nicht am 3. 12. 1987 sondern am 11. 12. 1987 endete. Frau G M, Angestellte des Einschreitervertreters, unterließ daher im Hinblick auf die der Bf. ohnehin bekannten bzw. bekanntgegebenen Frist die Eintragung der Fixfrist für die Einbringung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde, die in ihrer korrigierten Version mit Unterlagen erst so einlangte, daß sie am 17. 12. 1987, somit um einige Tage verspätet, zur Post gegeben werden konnte.

Es handelt sich bei dem gegenständlichen Versehen um ein Versehen, das Frau M unterlaufen ist, obwohl sie als Inhaberin einer Beglaubigungsurkunde seit mehreren Jahren als Rechtsanwaltsangestellte tätig ist. Sie ist in der Kanzlei des Einschreitervertreters seit 1. 9. 1987 tätig, ohne daß ihr ein Fehler unterlaufen wäre. Der Einschreitervertreter hat auch bei regelmäßigen Stichproben, regelmäßigen Postsitzungen und Kanzleibesprechungen nie Anlaß zur Beanstandung gefunden.

Im gegenständlichen Fall bestand aufgrund des besonderen Sachverhaltes, daß nämlich die Bf. selbst die Textierung der Beschwerde vornehmen und nur die Endredaktion dem Einschreitervertreter überlassen wollte, die Situation, daß diese bzw. meine Angestellten davon ausgehen konnten, daß die Bf. selbst eine entsprechende Kalendierung der Frist vorgenommen hatte und nach der am 2. 12. 1987 gegebenen Information noch über eine Woche Frist vorhanden war. Das Fristversäumnis ist daher ein unverschuldetes und unvorhergesehenes Ereignis, das auch nicht durch eine auffallende Sorglosigkeit des Einschreitervertreters oder seiner Angestellten erfolgt ist.

Die Bf. hingegen ist im Vertrauen auf das Einschreiten des Einschreitervertreters davon ausgegangen, daß die einzuhaltende Frist in Evidenz gehalten würde."

II. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).

III. Der VfGH hat keinen Anlaß, die Behauptungen der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen und geht daher vom behaupteten Sachverhalt aus. Die Frist gemäß §148 Abs2 ZPO ist nach diesem Vorbringen jedoch versäumt:

Als der Beschwerdevertreter nach Übermittlung einer korrigierten Version des Beschwerdeentwurfs die Endredaktion der Beschwerde vornahm, war nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag die vom Datum der Zustellung des Bescheides (das war der 29. 10. 1987) an zu berechnende sechswöchige Beschwerdefrist schon abgelaufen. Das Hindernis zur rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde fiel aber im Zeitpunkt der Überprüfung der - verspätet eingelangten - Unterlagen und der Vornahme der Endredaktion durch den Beschwerdevertreter weg. Denn der Beschwerdevertreter mußte bei der Endredaktion die bereits eingetretene Fristversäumnis erkennen, wie er auch schon beim Telefonat vom 2. Dezember 1987 auf das Ende der Beschwerdefrist ausdrücklich hingewiesen hat.

Das Hindernis für die fristgerechte Einbringung der Beschwerde ist daher spätestens am 17. Dezember 1987 weggefallen; die spätestens mit diesem Tag beginnende Frist des §148 Abs2 ZPO ist ungenützt verstrichen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist war demnach als verspätet zurückzuweisen.

Dieser Beschluß konnte gemäß §33 VerfGG iVm §148 Abs3 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1106.1988

Dokumentnummer

JFT_10118871_88B01106_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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