TE Vwgh Erkenntnis 1991/8/14 90/17/0016

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Veröffentlicht am 14.08.1991
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
L37016 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
GdO Stmk 1967 §94 Abs5;
GetränkeabgabeG Stmk 1950 §2 Abs1 idF 1988/085;
GetränkeabgabeGNov Stmk 1988/085 Art2 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/17/0055

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerden der K

reg. Genossenschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Steiermärkische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Getränkeabgabenangelegenheiten, gemäß § 42 Abs. 5 zweiter Satz VwGG, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, idF LGBl. Nr. 14/1976 wird den Vorstellungen der Beschwerdeführerin gegen

1) den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Murau vom 5. Juli (richtig wohl. Juni) 1989 betreffend Getränke- und Speiseabgabe für Bemessungszeiträume in den Jahren 1984 bis 1987 sowie betreffend Säumniszuschläge, und

2) den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Knittelfeld vom 19. Juni 1989 betreffend Getränke- und Speiseabgabe für Bemessungszeiträume in den Jahren 1984 bis 1987 sowie betreffend Säumniszuschläge,

Folge gegeben. Die Angelegenheiten werden zur neuerlichen Entscheidung an die genannten Gemeinden verwiesen.

Das Bundesland Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 22.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Spruch genannten Berufungsentscheidungen des Gemeinderates der dort angeführten Stadtgemeinden wurden gegenüber der Beschwerdeführerin Getränkeabgaben für im einzelnen genannte Bemessungszeiträume festgesetzt. Hiebei stützten sich die Berufungsbehörden auf das Steiermärkische Getränkeabgabegesetz vom 14. März 1950, LGBl. Nr. 23, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 85/1988, und auf die jeweilige Getränkeordnung der Gemeinde sowie auf § 153 Abs. 2 der Stmk. LAO, LGBl. Nr. 153/1963 i.d.g.F. Die Abgabenfestsetzungen erfolgten jeweils unter Hinweis auf die durch die genannte Novelle geänderte Rechtslage sinngemäß mit der Begründung, die Bemessungsgrundlagen der Abgaben seien zu Unrecht um die als "Hüllgut" bezeichneten Warenumschließungen vermindert worden. Außerdem wurden von den auf die Warenumschließungen entfallenden Getränkeabgaben im Instanzenzug Säumniszuschläge festgesetzt.

Über die jeweils gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung hat die Steiermärkische Landesregierung weder innerhalb von sechs Monaten noch innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof zur Nachholung der versäumten Entscheidung im Säumnisbeschwerdeverfahren gesetzten Frist (oder auch danach) entschieden.

Mit Beschluß vom 15. Februar 1991, A 9 bis 20/91-1, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, die in den Beschwerdefällen präjudizielle Bestimmung des Art. II Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Mai 1988, mit dem das Getränkeabgabegesetz geändert wird, LGBl. für die Steiermark Nr. 85, als verfassungswidrig aufzuheben; er hat ferner den Antrag gestellt,

1. die Wortfolge: "und daß gem. Artikel II (1) des zit. Gesetzes die Bestimmungen des Artikels I auf anhängige Verfahren anzuwenden sind" in Punkt 5) des Beschlusses des Gemeinderates (in der Folge auch: Verordnung) der Stadtgemeinde Murau vom 19. Dezember 1988 betreffend Getränke- und Speiseeisabgabe, kundgemacht gemäß § 92 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 "durch Anschlag an der Amtstafel" in der Zeit vom 20. Dezember 1988 bis 3. Jänner 1989, und

2. die Wortfolge: "mit Wirksamkeit vom (richtig offenbar: zum) 4. 11. 1988 und auf sämtliche anhängige Verfahren" des Beschlusses des Gemeinderates (in der Folge auch: Verordnung) der Stadtgemeinde Knittelfeld vom 28. November 1988 betreffend Abänderung der Getränkeabgabeordnung dieser Stadt, kundgemacht gemäß § 92 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 "durch Anschlag an der Amtstafel" in der Zeit vom 6. bis 21. Dezember 1988,

als gesetzwidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 7. März 1991, G 76/90-18 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof u.a. den Art. II Abs. 1 des vorhin zitierten Gesetzes vom 17. Mai 1988 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Zwar war eine formelle Einbeziehung der in den gegenständlichen Beschwerdefällen gestellten Aufhebungsanträge in das Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich, jedoch hat der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich ausgeführt, daß sich im Hinblick auf den Ausspruch, die aufgehobene Bestimmung sei nicht mehr anzuwenden, die Wirkung der Aufhebung auch auf diese - wie auch auf alle anderen schwebenden - Verfahren erstrecke, weswegen sich eine weitere Erledigung dieser Gesetzesprüfungsanträge erübrige.

Mit Erkenntnis vom 13. Juni 1991, V 47, 48/91-14, hat der Verfassungsgerichtshof

1. die Wortfolge "und daß gem. Artikel II (1) des zit. Gesetzes die Bestimmungen des Artikels I auf anhängige Verfahren anzuwenden sind" in Punkt 5 (Getränkeabgabe und Speiseeisabgabe) der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Murau vom 19. Dezember 1988, und

2. die Wortfolge "mit Wirksamkeit zum 4.11.1988 und auf sämtliche anhängige Verfahren" der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Knittelfeld vom 28. November 1988, mit der die Getränkeabgabeordnung der Stadt Knittelfeld abgeändert wird, als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

In den Beschwerdefällen steht unbestritten fest, daß die belangte Behörde über die Vorstellungen der Beschwerdeführerin nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Weiters steht unbestritten fest, daß die belangte Behörde innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 erster Satz VwGG zur Nachholung der versäumten Bescheide jeweils eingeräumten Frist nicht entschieden hat. Die Säumnisbeschwerden sind daher zulässig.

Gemäß § 94 Abs. 1 der Gemeindeordnung 1967, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 115, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben.

Nach § 94 Abs. 5 der Gemeindeordnung 1967 in der Fassung der Gemeindeordnungsnovelle 1975, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 14/1976, hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Die Abgabenbehörden der Gemeinden haben ihre Entscheidungen auf die Neufassung des § 2 Abs. 1 des Getränkeabgabegesetzes, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 23/1950, durch die Novelle LGBl. Nr. 85/1988 sowie auf Art. II Abs. 1 dieser Novelle gestützt. Die Berufungen der Beschwerdeführerin wurden im Hinblick auf die geänderte Rechtslage - wonach die Novellenfassung auch auf anhängige Verfahren anzuwenden ist - abgewiesen.

Angesichts der durch die oben zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage besteht in den vorliegenden Beschwerdefällen keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Einbeziehung des Preises für Verpackungen in Form von Einweggebinden in die Getränkeabgabenpflicht, wie dies mit den im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Bescheiden des Gemeinderates von zwei Gemeinden geschehen ist. Gleiches gilt auch hinsichtlich der auf die Annahme, die Beschwerdeführerin sei insoweit bei Entrichtung der Getränkeabgaben säumig gewesen, gestützten Verhängung von Säumniszuschlägen.

Da sohin die Beschwerdeführerin durch die mit Vorstellung bekämpften Bescheide in ihren Rechten verletzt wurde, hatte der anstelle der säumigen belangten Behörde entscheidende Verwaltungsgerichtshof gemäß § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 den Vorstellungen der Beschwerdeführerin im gesamten Umfang Folge zu geben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinden zu verweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebührenersatz war nur hinsichtlich der zur Beschwerdeführung notwendigen Beschwerdeausfertigungen zuzuerkennen.

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990170016.X00

Im RIS seit

20.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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