Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Nöst, über die Beschwerde des Christian L in R, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in T gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 21. März 1991, Zl. 30.118-3/91, betreffend Investitionsprämie für das 2. Kalendervierteljahr 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Ein Zahnarzt, bei dem der Beschwerdeführer zusammen mit 2 bis 3 anderen Zahntechnikern beschäftigt war, betrieb in Mieträumen außer seiner Ordination, von dieser im selben Haus räumlich getrennt, ein zahntechnisches Labor, in dem für seine Patienten gearbeitet wurde. Die Zahntechnikerleistungen wurden den Patienten des Zahnarztes nicht gesondert, sondern über die Zahnarztordination fakturiert. 1987 wurde das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers aufgelöst. Dieser richtete sich an anderem Ort in einem von ihm gebauten Einfamilienhaus ein Zahntechnikerlabor ein. Er kaufte hiezu Geräte, Werkzeuge und Materialien, die unmittelbar vorher im Labor des Zahnarztes verwendet worden waren. Der Zahnarzt betrieb weiter für seine Ordination, jedoch in deren Räumen ein zahntechnisches Labor, allerdings in eingeschränktem Umfang, nur mehr mit einem der schon früher bei ihm beschäftigten Zahntechniker und mit neuer Laboreinrichtung. Die ehemals nur für sein zahntechnisches Labor verwendeten Mieträume überließ der Zahnarzt wieder dem Hauseigentümer, der ihm die Laboreinbauten (Bodenplatten, Wandfliesen, Sanitär- und Elektroinstallationen, Telefonverkabelung, Rigipswände) ablöste. Der Beschwerdeführer behauptete vor den Verwaltungsbehörden, die Kosten der Installationen in seinem Einfamilienhaus (Betriebsgebäude), die notwendig gewesen wären, um den Betrieb aufzunehmen, seien höher gelegen als die Anschaffungskosten für die erwähnten Geräte, Werkzeuge und Materialien. Zu Beginn seiner Unternehmertätigkeit war der Beschwerdeführer auf die Aufträge des Zahnarztes angewiesen, der ehemals sein Dienstgeber war.
Der Beschwerdeführer begehrte für die gekauften Wirtschaftsgüter (Geräte, Werkzeuge, Materialien) Investitionsprämie. Er bestritt die Richtigkeit der Ansicht der Abgabenbehörden, es habe sich nicht um die Anschaffung von Wirtschaftsgütern, sondern um den Erwerb eines Teilbetriebes gehandelt, mit der Begründung, bei den erwähnten Geräten, Werkzeugen und Materialien habe es sich nicht um alle für die Möglichkeit der Betriebsfortführung wesentlichen Wirtschaftsgüter gehandelt, hätte sein zahntechnisches Labor doch weder ohne Betriebsräume und ohne die erwähnten kostspieligen Installationen noch ohne einen Kundenstock von ihm betrieben werden können. All dies habe er nicht vom Zahnarzt erworben, sondern seinerseits beigestellt. Abgesehen davon führe der Zahnarzt den Betrieb eines zahntechnischen Labors, wenn auch in eingeschränktem Umfang und mit neuem Gerät, jedoch mit seinem bisherigen Angestellten und ihm Rahmen seiner bisherigen Zahnarztordination weiter fort. Mangels nach außen in Erscheinung tretender organisatorischer Trennung zwischen technischem Labor und Zahnarztordination habe es beim Zahnarzt auch im Zeitpunkt der Veräußerung an einer Teilbetriebseigenschaft des zahntechnischen Labors gefehlt.
Die Abgabenbehörden versagten im Instanzenzug die Investitionsprämie unter Berufung auf § 2 Abs. 3 Z. 4 Investitionsprämiengesetz (IPrG). Nach ihrer Meinung habe der Beschwerdeführer vom Zahnarzt durch Anschaffung der Geräte, Werkzeuge und Materialien alle zum Betrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter erworben. Dies zeige der Umstand, daß er ohne wesentliche weitere Geräteanschaffung den Betrieb begonnen habe. Weder die Installationen, noch das Betriebsgebäude, noch ein Kundenstock seien für die Möglichkeit der Betriebsfortführung wesentlich gewesen. Abgesehen davon könne man davon ausgehen, daß über Vermittlung des Zahnarztes dessen Patienten (indirekt) Kunden des Beschwerdeführers geworden seien, sodaß man auch die Übernahme "einer Art von Kundenstock" annehmen könne. Die Weiterführung des Zahntechnikerlabors durch den Zahnarzt in einem eingeschränkten Umfang stehe der Annahme einer Betriebsveräußerung nicht entgegen, weil diese Tätigkeit nicht mit denselben Wirtschaftsgütern des früheren Labors erfolge. Ein Teilbetrieb des technischen Labors im Rahmen des Zahnarztbetriebes sei anzunehmen gewesen, weil schon durch die räumliche Trennung zwischen technischem Labor und Ordination eine gewisse Selbständigkeit der Organisation nach außen zum Ausdruck gekommen sei. Auf die Höhe der Kosten der Investitionen in das Betriebsgebäude des Beschwerdeführers komme es nicht an.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung der Investitionsprämie verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 IPrG kann eine Investitionsprämie bei Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) nicht geltend gemacht werden.
Entscheidend ist daher, ob die Anschaffung der Geräte, Werkzeuge und Materialien des vom Zahnarzt betriebenen zahntechnischen Labors den Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) darstellt, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß der Zahnarzt weiterhin ein zahntechnisches Labor, wenn auch in eingeschränktem Umfang mit neuen Geräten und eingeschränkt auf seine Ordinationsräume, betreibt.
Um den Erwerb eines Betriebes (und ebenso eines Teilbetriebes) annehmen zu dürfen, müssen dem Erwerber alle für eine im wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebes notwendigen Wirtschaftsgüter in einem einheitlichen Vorgang übertragen werden. Dem Erwerber muß es möglich sein, die gleiche Erwerbstätigkeit ohne weiters fortzusetzen. Dabei kann es nur auf die objektive Beschaffenheit des Betriebes und nicht darauf ankommen, über welche zusätzlichen Möglichkeiten im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Fortführung des Betriebes der konkrete Erwerber von sich aus schon vorher und unabhängig vom Erwerbsakt verfügt (vgl. diesbezüglich hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1975, 1461/74, ÖStZB 1975, 215).
Was danach als wesentliche Grundlage des betreffenden Betriebes (Teilbetriebes) ansehen ist, hängt von seiner Art ab.
Der Betrieb eines zahntechnisches Labors setzt im Hinblick auf seinen vorwiegenden Charakter als Erzeugungsunternehmen, das mit entsprechend installierten Geräten und Werkzeugen arbeiten muß, auch entsprechend adaptierte und installierte Betriebsräume voraus. Solche sind daher eine wesentliche Grundlage des Betriebes, ohne die ein solcher nicht denkbar ist. Dagegen spricht auch nicht der Umstand, daß die betriebstypengemäße Installation auch in einem Einfamilienhaus durchgeführt werden kann. Weiters hat der Betrieb eines zahntechnischen Labors, obwohl er Gewerbebetrieb ist, in der Frage seiner wesentlichen Grundlagen insofern gewisse Ähnlichkeiten mit selbständiger Arbeit, als ein Kundenstock (hier: die Zahnärzte) unabdingbare Voraussetzung für den Betrieb und daher dessen wesentliche Grundlage ist.
In dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt finden sich keine Anhaltspunkte dafür, daß von diesen typischen Verhältnissen abweichend im Beschwerdefall entsprechend installierte Betriebsräume und ein Kundenstock keine wesentliche Grundlage des betreffenden zahntechnischen Labors des Zahnarztes gewesen wären.
Beides hat der Beschwerdeführer aber nicht von seinem ehemaligen Dienstgeber, dem Zahnarzt, erworben. Die installierten Betriebsräume hat er selbst beigestellt, wobei der belangten Behörde durchaus einzuräumen ist, daß es im Beschwerdefall auf die Wertrelationen (Kosten der installierten Betriebsräume und Kaufpreis der Geräte, Werkzeuge und Materialien) allein nicht entscheidend ankam.
Aber auch einen Kundenstock hat der Beschwerdeführer vom Zahnarzt nicht erworben, und zwar gleichgültig, ob man diesen in Zahnärzten oder in deren Patienten erblickt. Die belangte Behörde hat nämlich nicht festgestellt, daß der Beschwerdeführer neben den Geräten, Werkzeugen und Materialien von dem Zahnarzt auch Aufträge für Zahntechnikerarbeiten, sei es hinsichtlich bestimmter Patienten, sei es hinsichtlich gewisser Zeiträume oder anderer Abgrenzungsgesichtspunkte, übertragen oder zugesichert erhalten habe. Die Tatsache allein, daß sich der Zahnarzt des Beschwerdeführers als Gewerbetreibenden bediente, nachdem dieser seinen Betrieb eröffnet hatte, läßt sich auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht als Veräußerung eines Kundenstockes ansehen.
Auf eine Rechtsprechung, wonach die Veräußerung des zahnärztliches Instrumentariums eines die allgemeine Praxis ausübenden Arztes als Teilbetriebsveräußerung anzusehen sei, kann sich die belangte Behörde nicht mit Erfolg berufen. Die beiden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus 1952 (Erkenntnisse 30. Mai 1952, 2972/51, ÖStZB 1952/19, und 17. Oktober 1952, 2991/51) ergingen zu dem im Jahre 1949 geltenden § 18 Abs. 3 EStG. Danach gehörten zu den außerordentlichen Einkünften Gewinne, die bei der Veräußerung des der selbständigen Arbeit dienenden Vermögens oder bei der Aufgabe der Tätigkeit erzielt werden. Zur Entscheidung stand die Frage, ob der Verkauf eines Pkw durch einen Landarzt eine solche Vermögensveräußerung und damit einen Veräußerungsgewinn darstellt, der nach der genannten Rechtslage einem begünstigten Steuersatz unterlag. Dies wurde vom Verwaltungsgerichtshof verneint, und zwar auch in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen über die Teilbetriebsveräußerung auf die Veräußerung von Teilvermögen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit; lediglich in einem obiter dictum wurde angefügt: "So ist z.B. das zahnärztliche Instrumentarium eines die allgemeine Praxis ausübenden Arztes als ein solches Teilvermögen anzusehen, dessen Veräußerung zu einer Anwendung des § 34 EStG führen kann." Von einer Betriebsveräußerung oder Teilbetriebsveräußerung ist in den Entscheidungen daher keine Rede, sondern nur von einer Teilvermögensveräußerung. Die Begriffe Vermögen einerseits und Betrieb andererseits sind aber nicht inhaltsgleich. Abgesehen davon lassen sich aber wohl die für die zahnärztliche Tätigkeit eines praktischen Arztes im Jahre 1949 notwendigen Wirtschaftsgüter nicht mit den für den Betrieb eines zahntechnischen Labors im Jahre 1987 notwendigen Wirtschaftsgütern vergleichen. In diesem Zusammenhang ist noch hervorzuheben, daß es sich in beiden Fällen, die Gegenstand der Entscheidungen aus dem Jahre 1952 waren, um ärztliche Praxen "auf dem Lande" handelte.
Schon aus diesem Grund wurde von der belangten Behörde der von ihr festgestellte Sachverhalt in Verkennung der Rechtslage als Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) beurteilt. Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 59 VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Ein höherer als der beantragte Schriftsatzaufwand konnte nicht zuerkannt werden. Zur Rechtsdurchsetzung war die Vorlage von Ablichtungen anderer Teile der Verwaltungsakten als des angefochtenen Bescheides - und dieses nur einfach (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG ) - nicht notwendig. Ersatz von Beilagengebühr konnte daher nur für eine Ausfertigung (Abschrift) des angefochtenen Bescheides zuerkannt werden. Das betreffende Aufwandersatzmehrbegehren war abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991140083.X00Im RIS seit
27.08.1991