TE Vwgh Beschluss 1991/9/10 91/04/0210

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Veröffentlicht am 10.09.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132;
GewO 1973 §323d Abs1 idF 1988/196;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien in Wien I, Weihburggasse 30, gegen den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Entscheidung über eine Berufung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

In der vom Landesarbeitsamt Wien erhobenen, auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde wird vorgebracht, die P-GmbH sei seit 4. März 1980 zur Ausübung des Gewerbes "Zurverfügungstellung von Arbeitskräften ausgenommen der den Dienst- und Stellenvermittlungen vorbehaltenen Tätigkeiten, sofern das wirtschaftliche Wagnis auf längere Dauer unabhängig vom Nachweis einer Beschäftigung übernommen wird", im Standort Wien, L-Straße, berechtigt. Das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften sei bis 30. Juni 1988 ein freies Gewerbe gewesen und sei mit der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 196, der Konzessionspflicht unterworfen worden, wobei die Entscheidung dem Landeshauptmann obliege. Auf Grund des von der genannten Gesellschaft eingebrachten Konzessionserteilungsantrages, mittlerweile mit geändertem Standort in Wien, W-Straße 12, habe die Beschwerdeführerin auf Grund des ihr gemäß § 323d GewO 1973 zustehenden Rechtes am 12. April 1989 ein negatives Gutachten erstattet. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Oktober 1989 sei dem Beschwerdeführer die Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften verweigert und die Genehmigung der Bestellung der Hedwig K zum Geschäftsführer bei Ausübung des Gewerbes nicht erteilt worden. Am 14. Dezember 1989 habe die Beschwerdeführerin vom Vertreter der genannten Gesellschaft telefonisch erfahren, daß von dieser gegen den vorzitierten abweislichen Bescheid Berufung eingebracht worden sei. Auf Grund der gemäß § 64 Abs. 1 AVG gegebenen aufschiebenden Wirkung der rechtzeitig eingebrachten Berufung sei somit die genannte Gesellschaft bis zur Entscheidung der Berufungsbehörde weiterhin im Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung tätig. Mit Schreiben vom 19. April 1990 sowie vom 24. Mai 1990 habe die Beschwerdeführerin ihre auf Grund von Kontrollen und Erhebungen weiterhin festgestellten Verstöße gegen das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und somit ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit der Konzessionswerberin der belangten Behörde mitgeteilt. Bis jetzt sei jedoch über die nach Informationen der Beschwerdeführerin im Jänner 1990 bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung nicht entschieden worden. Gemäß § 323d Abs. 1 GewO 1973 habe die Behörde vor Erteilung der Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften die zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte und das zuständige Landesarbeitsamt aufzufordern, innerhalb einer Frist von sechs Wochen Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession abzugeben. Gegen den Bescheid, mit dem die Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften erteilt werde, stehe jeder dieser Stellen jeweils dann das Recht der Berufung zu, wenn die Erteilung ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspreche, oder wenn sie nicht gehört worden sei. Nach Abs. 2 seien die zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte oder das zuständige Landesarbeitsamt berechtigt, die Entziehung der Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften zu beantragen. Vor der Erlassung eines Bescheides über einen solchen Antrag habe die Behörde die im ersten Satz genannten Stellen aufzufordern, innerhalb einer Frist von sechs Wochen Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Entziehung der Konzession abzugeben; dies gelte nicht für jene Stelle, die den Antrag auf Entziehung der Konzession gestellt habe. Gegen einen Bescheid auf Grund eines solchen Antrages stehe jeder der im ersten Satz genannten Stellen jeweils dann das Recht der Berufung zu, wenn die Entscheidung ihrem Antrag oder ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspreche, oder wenn sie nicht gehört worden sei.

§ 323d GewO 1973 räume somit im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin Parteistellung im Verfahren insoweit ein, als ihr nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz das Recht auf Akteneinsicht, Gehör, Zustellung des Bescheides, Rechtsmittel und auch Geltendmachung der Entscheidungspflicht zustehe. Auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1976, Slg. N.F. Nr. 9135/A, stelle klar, daß den ins gewerberechtliche Verwaltungsverfahren einbezogenen Interessenvertretungen und Behörden zwar kein objektives Beschwerderecht zukomme, ein solches aber dann gegeben sei, wenn den Interessenvertretungen die subjektiven Rechte auf Abgabe eines Gutachtens, auf Erhebung der Berufung oder auf Sachentscheidung verweigert worden seien. Nach herrschender Lehre und Judikatur sei nicht nur die Partei, die den Antrag gestellt hat, sondern auch eine andere Partei des auf Antrag eingeleiteten Verfahrens zur Stellung eines Devolutionsantrages berechtigt. Mangels Vorliegens einer Sachentscheidung der belangten Behörde könne die Beschwerdeführerin trotz Kenntnis laufender Verstöße der genannten Gesellschaft gegen die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und massiver Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nicht gegen diese vorgehen, wie z.B. in Form eines Konzessionsentziehungsantrages bei positiver Erledigung der eingebrachten Berufung, und es könne die genannte Gesellschaft ungehindert das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung ausüben. Es werde daher beantragt, da die belangte Behörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Berufungsbehörde gemäß § 323c GewO 1973 in zweiter Instanz zur Entscheidung über die Erteilung der Konzession für das in Rede stehende Gewerbe berufen sei und bis jetzt über die bezeichnete, im Jänner 1990 eingelangte Berufung nicht entschieden habe, in der Sache zu entscheiden und der Berufung keine Folge zu geben bzw. den erstbehördlichen Bescheid zu bestätigen.

Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

Nach Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer am Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Nach dem Beschwerdevorbringen handelt es sich bei der der vorliegenden Säumnisbeschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsangelegenheit um ein auf Antrag der vorbezeichneten Gesellschaft auf Grund des § 323d Abs. 1 GewO 1973 eingeleitetes Konzessionserteilungsverfahren.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 90/04/0144, dargelegt hat, wird durch die im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden normativen Anordnungen des § 323d Abs. 1 GewO 1973 den im ersten Satz dieses Paragraphen genannten Stellen - und somit insbesondere auch der Beschwerdeführerin - im dort bezeichneten Umfang lediglich eine der Parteistellung nachgebildete Position als Verfahrenspartei eingeräumt, nicht aber etwa darüber hinaus mangels eines den genannten Stellen zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechtes etwa schlechthin die Stellung einer Verfahrenspartei im Sinne des § 8 AVG. Damit fehlt diesen aber auch mangels gesetzlicher Normierung das Recht zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG in Ansehung der Entscheidung über eine Berufung des antragstellenden Konzessionswerbers gegen einen über seinen Antrag ergangenen abweislichen verwaltungsbehördlichen Bescheid erster Instanz.

Da somit aus den angeführten Erwägungen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 132 erster Satz B-VG nicht erfüllt sind, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Verletzung der Entscheidungspflicht Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040210.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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