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50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;Norm
FGO §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der N-AG in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 29. Jänner 1991, Zl. Präs 255-22/90/Be/DM, betreffend Grundumlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 29. Jänner 1991 wurde ausgesprochen, daß die der Beschwerdeführerin gemäß § 57 a HKG am 17. Mai 1990 für die Zugehörigkeit zur Fachvertretung (Fachverband) Wien der Nahrungs- und Genußmittelindustrie vorgeschriebene Grundumlage 1990 von S 1.208,--, basierend auf dem Beschluß der Vollversammlung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 4. Dezember 1989, verlautbart in der Sonderbeilage ihres Mitteilungsblattes "Wiener Wirtschaft" vom 22. Dezember 1989, Nr. 51/52, Seite 14, zu Recht bestehe. Nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der Bestimmungen der §§ 22 und 29 Abs. 3 HKG führte die Bundeskammer zur Begründung aus, die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien habe von der Errichtung einer eigenen Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie in ihrem Bereich Abstand genommen. Es bestehe somit in Wien keine als Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtete Fachorganisation; einer Fachvertretung komme ein entsprechender Status nach dem HKG nicht zu. Die Bestreitung der Rechtspersönlichkeit der "Fachvertretung Wien der Nahrungs- und Genußmittelindustrie" durch die Beschwerdeführerin gehe daher ins Leere. Die mangelnde Rechtssubjektivität von Fachvertretungen ändere jedoch nichts an der Verpflichtung der Angehörigen derartiger Körperschaften, Grundumlagen zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, die Bezahlung der für das Jahr 1990 geforderten Grundumlage von S 1.208,-- zu verweigern. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, da die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien von der Errichtung einer Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie abgesehen habe, sei zu prüfen ob die Beschwerdeführerin Mitglied eines Fachverbandes sei. Der angefochtene Bescheid enthalte darüber keine Feststellung, weshalb er rechtswidrig sei. Sollte der Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Fachgruppenordnung BGBl. Nr. 223/1947 habe in § 2 Abs. 1 ihres Anhanges (Fachgruppenkatalog) für den Bereich der Sektion Industrie unter anderem einen Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie vorgesehen, dahin zu verstehen sein, daß die Beschwerdeführerin Mitglied dieses Fachverbandes sei, sei darauf folgendes zu erwidern: Gemäß § 31 Abs. 1 erster Satz HKG würden innerhalb jeder Sektion der Bundeskammer Fachverbände errichtet. Nach § 31 Abs. 2 leg. cit. gelten die Bestimmungen des § 29 Abs. 1, 3 und 4 sinngemäß. In bezug auf die Errichtung von Fachverbänden sei daher der § 29 Abs. 3 vorletzter Satz heranzuziehen, der in seinem ersten Halbsatz für die Errichtung von Fachgruppen bestimme, die Landeskammern beschlössen nach Anhörung der zuständigen Sektionen, welche Fachgruppen zu errichten seien. Wende man diese Bestimmung sinngemäß auf die Errichtung von Fachverbänden an, führe dies zu dem Ergebnis, daß die Bundeskammer nach Anhörung ihrer Sektionen beschließe, welche Fachverbände zu errichten seien. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft habe jedoch nie beschlossen, einen Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie zu errichten. Fehle aber ein solcher Beschluß, besitze der in Rede stehende Fachverband keine Rechtspersönlichkeit und die "Mitgliedschaft" zu einer solchen rechtlich inexistenten Körperschaft könne keine Grundumlagepflicht auslösen. Nach § 57 a Abs. 3 HKG werde die Grundumlage im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter beschlossen. Der angefochtene Bescheid enthalte jedoch keine Feststellung, daß die Fachvertreter vor der Beschlußfassung angehört worden seien. Auch das Organ, das den Beschluß der Handelskammer Wien gefaßt habe, nenne der Bescheid nicht. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um die Frage zu beantworten, ob die Beschlußfassung gesetzmäßig erfolgte.
Gemäß § 57 a HKG haben die Mitglieder der Fachgruppen (Fachverbände) eine Grundumlage zu entrichten. Voraussetzung der Grundumlagepflicht ist somit, wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, das Bestehen einer entsprechenden Fachgruppe oder eines entsprechenden Fachverbandes. Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob jene "Fachvertretung (Fachverband) Wien der Nahrungs- und Genußmittelindustrie", dem die Beschwerdeführerin nach der Annahme der belangten Behörde als Mitglied angehört, und worauf sich auch die von der belangten Behörde angenommene Grundumlagenpflicht stützt, dem Gesetz gemäß errichtet wurde.
Nach § 31 HKG werden innerhalb jeder Sektion der Bundeskammer Fachverbände errichtet. Sie haben die fachlichen Interessen der Mitglieder der gleichartigen Fachgruppen zu vertreten. Grundsätzlich ist jede Berechtigung, welche die Kammermitgliedschaft begründet, von einem Fachverband zu erfassen.
Zufolge § 32 leg. cit. regelt das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau (jetzt: Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten) auf Antrag der Bundeskammer, der nur nach Anhörung aller Landeskammern gestellt werden kann, im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien durch Verordnung (Fachgruppenordnung) die Errichtung der Fachgruppen und Fachverbände, insbesondere ihre Zahl und Bezeichnung, ihren Wirkungsbereich und die Handhabung des Aufsichtsrechtes.
In Ausführung dieser diesbezüglich seit der Stammfassung unverändert gebliebenen Bestimmung des Handelskammergesetzes erging die Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres, für Unterricht, für soziale Verwaltung, für Finanzen, für Land- und Forstwirtschaft, für Verkehr und Energiewirtschaft und Elektrifizierung vom 15. Juli 1947, BGBl. Nr. 223, über die Errichtung der Fachgruppen und Fachverbände der gewerblichen Wirtschaft (Fachgruppenordnung). Nach § 2 Abs. 1 dieser Verordnung in ihrer Stammfassung sind für den Bereich jeder Sektion der Bundeskammer die im Anhang vorgesehenen Fachverbände zu errichten. Im Bereich der Sektionen der Landeskammern können die gleichartigen Fachgruppen errichtet werden. Nach Abs. 4 bestimmt sich der fachliche Wirkungsbereich jedes Fachverbandes und jeder gleichartigen Fachgruppe nach den im Anhang enthaltenen Bestimmungen (Fachgruppenkatalog).
§ 2 Abs. 1 des Anhanges zur Fachgruppenordnung trifft die nachstehende Anordnung: "Für den Bereich der Sektion Industrie werden folgende Fachverbände errichtet: ... 11. Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, ..."
Durch die Handelskammergesetznovelle BGBl. Nr. 208/1969 wurde diese Rechtslage insofern verändert, als in § 29 HKG als Abs. 3 die schon von der Beschwerdeführerin zitierte Bestimmung über die Errichtung von Fachgruppen aufgenommen wurde, wodurch die in § 31 Abs. 2 HKG enthaltene Verweisung unter anderem auf den § 29 Abs. 3 den entsprechenden Inhalt enthielt.
Bei der gegebenen Rechtslage vermag sich der Verwaltungsgerichtshof der aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu § 2 Abs. 1 der Fachgruppenordnung abgeleiteten Rechtsansicht der belangten Behörde, die Errichtung der Fachverbände sei bereits unmittelbar durch diese Bestimmung erfolgt und es habe keines weiteren Errichtungsaktes seitens der Bundeskammer bedurft, nicht anzuschließen. Zwar ist der belangten Behörde zuzugestehen, daß der Wortlaut des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 1 Fachgruppenordnung für sich allein betrachtet in diese Richtung verstanden werden könnte. Eine gesetzeskonforme Auslegung dieser Bestimmung muß jedoch zu einem anderen Ergebnis führen. Denn § 32 HKG enthält wegen der Verwendung der Worte "regelt ... die Errichtung der Fachgruppen und Fachverbände" nicht die Ermächtigung, durch Verordnung unmittelbar Fachgruppen und Fachverbände zu errichten, sondern lediglich eine solche zur Festlegung des bei Errichtung von Fachgruppen und Fachverbänden einzuhaltenden Verfahrensganges. Daß sich der Verordnungsgeber der Fachgruppenordnung dieser Beschränkung bewußt war, ergibt sich aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 2 Abs. 1 der Fachgruppenordnung (Stammfassung). Schließlich wird im Abs. 4 dieser Verordnungsbestimmung der Zweck des Fachgruppenkataloges allein mit der Bestimmung des fachlichen Wirkungsbereiches jedes Fachverbandes und jeder gleichartigen Fachgruppe umschrieben.
Bei diesem Ergebnis kann - will man nicht einen inneren Widerspruch zwischen § 2 Abs. 1 und 4 der Fachgruppenordnung (Stammfassung) und dem Einleitungssatz des § 2 Abs. 1 des Anhanges zu dieser Norm sehen - die zuletzt genannte Bestimmung nur im Sinne eines Ausspruches, welche Fachverbände durch die dem Gesetz entsprechende Vorgangsweise zu errichten sind, verstanden werden.
Die belangte Behörde teilte dem Verwaltungsgerichtshof auf entsprechende Anfrage mit, daß "ein spezieller Akt betreffend die Errichtung des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie" nicht vorliege. Dies bedeutet, daß der im Gesetz vorgesehene Weg zur Errichtung eines Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie bisher nicht beschritten wurde, sodaß von der rechtlichen Existenz eines derartigen Fachverbandes nicht ausgegangen werden kann. Besteht aber ein Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie nicht, so erweist sich auch die nach der Rechtsansicht der belangten Behörde die in Rede stehende Grundumlagepflicht der Beschwerdeführerin auslösende Annahme ihrer Mitgliedschaft zu diesem Fachverband als rechtswidrig.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Veordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040035.X00Im RIS seit
10.09.1991