TE Vfgh Erkenntnis 1988/11/29 B1031/87

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Veröffentlicht am 29.11.1988
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litc
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 litb

Leitsatz

Nichtanerkennung einer auf fachlich qualifizierter, einschlägiger Ausbildung beruhenden planerischen Gestaltung von Innenräumen als Tätigkeit eines Innenarchitekten - gleichheitswidrige Auslegung (Anwendung) des §22 Abs1 Z1 litb EStG und des §10 Abs2 Z7 litc UStG

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. ist als Innenarchitekt tätig und betreibt ein Büro für Innenarchitektur und Raumgestaltung. Bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1984 hat das Finanzamt eine Umsatzsteuer gem. §21 Abs7 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. 223, idF BGBl. 531/1984 (UStG) nicht festgesetzt. Die vom Bf. neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit wurden im Einkommensteuerbescheid 1984 im Betrage von S 63.600.- den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§23 Einkommensteuergesetz 1972, BGBl. 440, idF BGBl. 531/1984-EStG) zugeordnet. Gleichzeitig wurde die Entrichtung der Gewerbesteuer vorgeschrieben.

Seine Berufung gegen den Feststellungsbescheid gemäß §21 Abs7 UStG sowie gegen den Einkommensteuerbescheid und Gewerbesteuerbescheid 1984 vom 21.2.1986 begründete der Bf. im wesentlichen damit, daß er selbständiger Architekt im Sinne des §22 Abs1 Z1 litb EStG, sowie im Sinne des §10 Abs2 Z7 litc UStG sei. Er habe nach Abschluß der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (Meisterklasse für Innenarchitektur, Industrie- und Handwerksentwurf) vorerst als Unselbständiger in einem Architekturbüro sämtliche innenarchitektonischen Belange wahrgenommen. Bei gleichbleibendem Tätigkeitsbereich habe er sich Ende 1984 dazu entschlossen, ein eigenes Innenarchitekturbüro zu eröffnen. Die daraus noch im Jahr 1984 erzielten Einkünfte seien sohin "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" gem. §22 Abs1 Z1 litb EStG. Sie seien für Umsätze gem. §10 Abs2 Z7 litc UStG erzielt worden.

2. Der Berufungssenat der Finanzlandesdirektion für Tirol wies mit dem vor dem VfGH angefochtenen Bescheid vom 15.7.1987 die Berufung des Bf. ab. Die bel. Beh. stellte fest, daß der Bf. die in seinen Abgabenerklärungen für 1984 ausgewiesene Vorauszahlung von S 63.600.- als "Teilzahlung" für die (Innen-)Planung der Restaurant- und Konferenzbereiche des Hotels Tennis-Point in Anif erhalten habe. Eine derartige "Innen-Planung von Konferenzräumen sowie eines Restaurants (Tennis-Point Anif)" unterscheidet sich nach Meinung der Berufungsbehörde von der Tätigkeit "eines Architekten sowohl in ihrem wirtschaftlichen Gehalt als auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild ganz erheblich". Als "Architekt" gem. §10 Abs2 Z7 litc UStG sowie §22 Abs1 Z1 EStG kann nach Meinung der Berufungsbehörde nur derjenige verstanden werden,

"der den Architektenberuf im Sinne des Ziviltechnikergesetzes ausübt, was vorliegendenfalls nicht zutrifft. Weiters handelt es sich bei der vom Abgabepflichtigen ausgeübten Tätigkeit um eine solche, die 'üblicherweise' von gewerblich und nicht freiberuflich tätigen Personen ausgeübt wird und sich daher in diesem Rahmen hält, sodaß sie der eines 'Architekten' im Sinne des Ziviltechnikergesetzes auch nicht 'ähnlich' ist und ebensowenig künstlerisch im Sinne des §10 Abs2 Z8 UStG und des §22 Abs1 Z1 EStG.

.....

Selbst wenn man der Rechtsansicht folgen wollte, mit dem Begriff des 'Architekten' sollte nicht nur ein häufiger und allgemein bekannter Beruf hervorgehoben, sondern dadurch eine Erweiterung gegenüber den vom Ziviltechnikergesetz geregelten Berufen zum Ausdruck gebracht werden,"

war die Berufung des Bf. nach Meinung der bel. Beh. abzuweisen. Denn die vom Abgabepflichtigen für seinen Beruf gewählte Bezeichnung "Innenarchitekt" sei keiner bestimmten Tätigkeit vorbehalten.

"Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit müßte aber eine qualifizierte der Art sein, daß sie ohne einschlägige (gehobene) Ausbildung nicht denkbar wäre. Nach dem Inhalt der im Berufungsfall zu beurteilenden Tätigkeit tritt der Berufungswerber bei der Planung von Inneneinrichtungen mit gewerblich Tätigen in Wettbewerb, ..."

sodaß die Anwendung des §10 Abs2 Z7 UStG und §22 Abs1 Z1 EStG ausgeschlossen sei, weil nach deren Regelungsinhalt unter der Tätigkeit eines Architekten "nur eine Tätigkeit im Rahmen nicht gewerblicher Art (im steuerrechtlichen Sinne) zu verstehen" sei.

3. In seiner Beschwerde erachtet sich der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz dadurch verletzt, daß die bel. Beh. den Rechtsvorschriften des §22 Abs1 Z1 EStG und des §10 Abs2 Z7 litc und Z8 UStG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe. Unter Hinweis auf die ständige Judikatur des VfGH begründet der Bf. die von ihm behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes durch den angefochtenen Bescheid damit, daß die Behörde für die steuerrechtliche Beurteilung seiner Einkünfte auf die ihm fehlende Ziviltechnikerbefugnis abgestellt und es daher verabsäumt habe, seine Tätigkeit im Wege entsprechender Ermittlungen dahin zu untersuchen, ob sie der Tätigkeit eines "Architekten" im Sinne des §22 Abs1 litb EStG und §10 Abs2 Z7 litc UStG entspräche.

Zusammenfassend ist der Bf. der Meinung, daß

"die im angefochtenen Bescheid angeführten Kriterien in Zusammenhang mit der Auslegung des §22 Abs1 Z1 EStG unzureichend (sind) und läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides eine sachliche Erklärung in der Richtung vermissen, warum gerade die Innenarchitektur zum Unterschied von der Architektur schlechthin nicht unter die zitierte Gesetzesbestimmung fallen soll, ...".

Er beantragt daher die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

In ihrer Gegenschrift bestreitet die bel. Beh., sich mit dem Hinweis auf die dem Bf. fehlende Ziviltechnikerbefugnis begnügt zu haben. Sie weist vielmehr auf die eingehenden Ermittlungen hin, mit deren Hilfe der Inhalt jener Tätigkeiten, die zu Betriebseinnahmen des Bf. von S 63.600.- im Jahre 1984 führten, festgestellt worden sei. Angesichts des Umfangs der Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde zur Erforschung der tatsächlichen Verhältnisse, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich seien (§115 Abs1 BAO), stehe nach Meinung der bel. Beh. außer Zweifel, daß sich die in der Beschwerde wiederholt vorgebrachte Behauptung als völlig unbegründet erweise, es wären "keine Ermittlungen" darüber angestrengt worden, wie die Tätigkeit des Bf. zu qualifizieren sei, oder es wäre "jede Ermittlungstätigkeit" unterlassen worden. Nach eingehender Würdigung des festgestellten Sachverhaltes sei die bel. Beh. zur Überzeugung gelangt,

         "daß sich die zu beurteilende Tätigkeit von der jener

Abgabepflichtigen, mit denen der Bf. dabei in Wettbewerb stand

und die unstreitig gewerbliche Tätigkeiten entfalten, nicht in

einer Art und Weise abgehoben hat, welche - bei gleichem Sachverhalt

- eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen ließ. ... Die

Tätigkeit des Bf. ist auf Hotellerie und Gastronomie spezialisiert.

Bei der Planung des Restaurants und der zwei Tagungsräume ... übte

er nach eigenen Angaben eine Tätigkeit aus, wie sie bislang und

üblicherweise an Raumausstatter, Tischler etc. weiterbeauftragt und

von diesen Gewerbetreibenden (ohne Hochschulabschluß) nach eigener

Einschätzung teils 'hervorragend' erbracht wird, ... was

insbesondere bei der Einrichtung solcher Räume (im Gastgewerbe)

durchaus den Erfahrungen entspricht. ... Eine Gestaltungsfreiheit

(auch künstlerischer Natur) ist in solchen Bereichen wesentlich eingeengt, wenn nicht gar ausgeschlossen. Die Ideenskizzen und Bilder betreffend das Restaurant (in Anif) vermittelten der bel. Beh. primär einen an sachbezogenen Erfordernissen ausgerichteten und dementsprechend eingerichteten Raum, ... wie er von Raumausstattern, Möbeltischlern und dergleichen ebenso angeboten werden kann."

Die vom Bf. für seine Tätigkeit als "Innenarchitekt" offenbar selbst für wesentlich erachteten Merkmale eines "Gesamtauftrages ... mit der Möglichkeit des Anbots nicht ausschließlich zweckorientierter Architektur" hätten für die Innenplanung nur vereinzelter Räume in Anif nicht vorgelegen, gerade weil die Baulichkeiten insgesamt für den Bf. bereits vorgegeben und folglich wesentliche Elemente von "Leistungen in Bezug auf Innenräume" (laut obgenannter "Definition eines Innenarchitekten") nicht mehr realisierbar gewesen seien. Für die zu beurteilenden Arbeiten sei daher eine Übereinstimmung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit mit einem solcherart verstandenen Berufsbild ebenfalls nicht vorgelegen.

Die bel. Beh. beantragt demnach, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Die - zulässige - Beschwerde ist begründet:

1. Der VfGH hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 11032/1986 unter ausführlicher Darstellung seiner Vorjudikatur (VfSlg. 7384/1974, 8002/1977, 8239/1978, 8565/1979, 9311/1982, 9396/1982, 9666/1983 und 10459/1985) ausgesprochen, daß unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes

"eine fachlich qualifizierte, einschlägige Ausbildung erfordernde Tätigkeit als Innen- oder Gartenarchitekt selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechtes (ist). Die in ihrem Rahmen erbrachten Leistungen genießen den ermäßigten Umsatzsteuersatz. Nur der Umstand, daß diese Tätigkeit berufsrechtlich nicht geregelt und die einschlägige Bezeichnung keiner fest umrissenen Tätigkeit vorbehalten ist, zwingt zur näheren Betrachtung und Würdigung der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung."

Die außer Streit stehende Tätigkeit des Bf., die den zu versteuernden Einkünften bzw. Umsätzen im Jahre 1984 zugrundelag, besteht in der Innenplanung von Tagungsräumen sowie eines Restaurants. Wie immer auch das Berufsbild des Innenarchitekten näherhin zu definieren ist, so muß jedenfalls eine auf fachlich qualifizierter, einschlägiger Ausbildung beruhende planerische Gestaltung von Innenräumen als Tätigkeit eines Innenarchitekten qualifiziert werden. Mit Rücksicht auf die Ausbildung des Bf. ist anzunehmen, daß seine zur Gestaltung von Konferenz- und Restauranträumlichkeiten entfalteten planerischen Überlegungen aus gesamthafter Sicht jene besondere Qualifikation aufweisen, die dem Entwurf einzelner Einrichtungsstücke oder Teile von Einrichtungen nicht zukommt, wie sie etwa auch Tischler ausüben (vgl. VfSlg. 8565/1979), weil und insoweit bei diesen die Planungs- und Entwurfsarbeit im Gegensatz zur Tätigkeit des Innenarchitekten hinter die Produktion in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zurücktritt. Verfehlt ist es daher - wie die bel. Beh. dies getan hat -, der Tätigkeit des Bf. im Jahre 1984 die Qualifikation als "Innenarchitekt" deshalb zu versagen, weil die Baulichkeiten insgesamt für den Bf. bereits vorgegeben waren und es sich nur noch um die Innenplanung für vereinzelte Räume handelte. Auch eine entsprechende Raumgestaltung für einen einzigen Raum kann nämlich Aufgabe eines Innenarchitekten sein.

         Der Bf. ist dadurch in seinem verfassungsgesetzlich

gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt

worden, daß seine Tätigkeit als Innenarchitekt in denkunmöglicher

Weise von der bel. Beh. nicht nach §22 Abs1 Z1 litb EStG

und §10 Abs2 Z7 litc UStG der "Berufstätigkeit ... der

Architekten" bzw. der "Tätigkeit als ... Architekt" zugeordnet

und damit eine unterschiedliche einkommens- und

umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Bf. im Vergleich zu anderen,

als "Architekten" anerkannten selbständigen Erwerbstätigen bewirkt

wurde, der durch keine Unterschiede in der tatsächlichen

Berufstätigkeit zu rechtfertigen ist. Die angeführten gesetzlichen

Bestimmungen wurden sohin von der bel. Beh. dem Gleichheitssatz

widersprechend ausgelegt und angewendet.

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes des Bf. auf Gleichheit vor dem Gesetz aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind S 1.000.- an Umsatzsteuer enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gem. §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Einkommensteuer, Einkunftsarten Arbeit selbständige (Einkommensteuer)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1031.1987

Dokumentnummer

JFT_10118871_87B01031_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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