TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/13 91/18/0064

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Veröffentlicht am 13.09.1991
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Index

L61206 Feldschutz Landeskulturwachen Steiermark;
L61306 Kulturpflanzenschutz Pflanzenschutz Mindestpflanzabstände
Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs1;
AVG §52;
AVG §7 Abs1;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Helene G in E, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in G gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Jänner 1991, Zl. 8-64 Ge 1/7-91, betreffend den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen (mitbeteiligte Parteien: 1) Johann I jun., 2) Franz T), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid vom 28. Jänner 1991, der hinsichtlich der Anordnung, auf den Grundstücken Nr. 438 und 439/2 der Katastralgemeinde S

a) gegenüber den Grundstücken Nr. 219/2, 219/3 und 221 dieser Katastralgemeinde und

b) gegenüber den Grundstücken Nr. 223/1 und 222 dieser Katastralgemeinde

einen aufforstungsfreien Abstand von 4 m zu den eigentlichen landwirtschaftlichen Betriebsflächen unter Einrechnung der Hofzufahrten und der freizuhaltenden Stromleitungstrassen einzuhalten, sowie in seinem Spruchpunkt 2) und in seiner Kostenentscheidung als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei Johann I jun. gab am 5. April 1989 der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg bekannt, daß die an seine landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Nr. 219/2 und 221 angrenzenden Grundstücke der Beschwerdeführerin Nr. 438 und 439/2, alle der Katastralgemeinde S, mit Fichtenpflanzen aufgeforstet worden seien, ohne daß hiefür eine Bewilligung vorläge. Die Aufforstung beginne bereits an der Grundgrenze bis zu 4 m von der Grundgrenze entfernt.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Anhörung sowohl eines forsttechnischen Amtssachverständigen als auch eines Vertreters der Gemeinde S und der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft Deutschlandsberg entschied die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Bescheid vom 10. Oktober 1989 wie folgt:

Gemäß den §§ 6 bis 9 des Stmk. Landesgesetzes vom 20. April 1982 über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen, LGBl. Nr. 61, werde der Beschwerdeführerin vorgeschrieben, daß von der bereits aufgeforsteten Fläche auf den Grundstücken Nr. 438 und 439/2 gegenüber den angrenzenden Grundstücken Nr. 219/2, 219/3, 221, 222, 223/1, alle der Katastralgemeinde S, ein Streifen von 30 m Breite von Forstpflanzen dauernd freizuhalten sei. Als Frist für die erstmalige Freihaltung wurde der 31. März 1990 bestimmt. Innerhalb des 30 m breiten, aufforstungsfrei zu haltenden Streifens sei lediglich die Anlage einer Christbaumkultur mit einer Maximalhöhe von 3 m und einem Mindestabstand von den fremden angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen von 4 m erlaubt. Ferner wurden der Beschwerdeführerin Verfahrenskosten auferlegt. Die Behörde erster Instanz stützte sich auf das Gutachten des Amtssachverständigen und die damit übereinstimmende Stellungnahme der Bezirksbauernkammer.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die Berufungsbehörde beauftragte zunächst den Amtssachverständigen Dipl.-Ing. Z, nach Erhebungen an Ort und Stelle ein Gutachten zu erstellen, was der Amtssachverständige am 24. Juli 1990 - nachdem er am 23. Juli 1990 örtliche Erhebungen durchgeführt hatte - auch tat. Sein Gutachten kann dahin zusammengefaßt werden, daß gegenüber den landwirtschaftlichen Betriebsflächen der erstmitbeteiligten Partei I vom nordöstlichen Grenzpunkt über eine Strecke von 47 m entlang der gemeinsamen Grenze ein aufforstungsfreier Streifen von 4 m einzuhalten sei, das seien 14 m unter Berücksichtigung der Hofzufahrt und der Böschungsbereiche. Ab der oben erwähnten Strecke von 47 m sei gegenüber diesen Grundstücken ein aufforstungsfreier Abstand von 9 m einzuhalten. Gegenüber den Betriebsflächen der zweitmitbeteiligten Partei T sei ein Abstand von 4 m aufforstungsfrei zu halten.

Dieses Gutachten wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht.

Sodann beraumte die Berufungsbehörde eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle an und lud zu dieser unter anderem einen weiteren Amtssachverständigen, Dipl.-Ing. K. Dieser äußerte sich zur Sache kurz in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 1990 und erstattete unter dem Datum des 29. Oktober 1990 sein schriftliches Gutachten, zu welchem Parteiengehör gewährt wurde.

Mit Bescheid vom 28. Jänner 1991 gab die Berufungsbehörde der Berufung der Beschwerdeführerin teilweise Folge, und zwar insoweit, als der Beschwerdeführerin aufgetragen wurde, auf ihren beiden oben erwähnten Grundstücken

a) gegenüber den Grundstücken der erstmitbeteiligten Partei I einen aufforstungsfreien Abstand von 25 m und

b) gegenüber den Grundstücken der zweitmitbeteiligten Partei T einen aufforstungsfreien Abstand von 20 m

zu den eigentlichen landwirtschaftlichen Betriebsflächen unter Einrechnung der Hofzufahrten und der freizuhaltenden Stromleitungstrassen einzuhalten.

Im Punkt 2) des Bescheidspruches wurde angeordnet, auf den aufforstungsfrei zu haltenden Streifen sei lediglich die Anlage einer Christbaumkultur mit einer Maximalhöhe von 3 m gestattet. Ferner wurden der Beschwerdeführerin die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Nach Wiedergabe der drei Sachverständigengutachten und der Stellungnahmen der Parteien sowie der Bezirksbauernkammer sowie der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen führte die Berufungsbehörde aus, sie sei in Abwägung beider Gutachten des Berufungsverfahrens zu der Ansicht gelangt, daß dem Zweitgutachten, welches nach Durchführung der Ortsverhandlung erstattet worden sei, Entscheidungsrelevanz zukomme, da es dem Rechtsschutzgedanken des Betriebsflächenschutzgesetzes 1982 zum Durchbruch verhelfe, dies auch in Gegenüberstellung der Parteieninteressen. Sodann führte die Berufungsbehörde aus, das Gutachten des Dipl.-Ing. K berücksichtige auch das Lokalklima der S und die Seehöhe der gegenständlichen Grundstücke, ebenfalls den Strahlungsumsatz und die Strahlungsenergie der Sonne.

In rechtlicher Hinsicht führte die Berufungsbehörde ferner aus, die von der Beschwerdeführerin behauptete Vereinbarung mit Johann I sen. sei unentscheidend, weil die Festsetzung aufforstungsfreier Abstände der Parteiendisposition grundsätzlich entzogen sei. Dem Argument der Beschwerdeführerin aus § 2 des oben erwähnten Landesgesetzes - Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen im öffentlichen Interesse einer qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen landwirtschaftlichen Produktion - sei entgegenzuhalten, daß das Gesetzesziel die Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion im allgemeinen sei; besonders in Berggebieten könne eine unkontrollierte Änderung landwirtschaftlicher Nutzflächen in Wald das Ende der Existenz mancher Bergbauernbetriebe herbeiführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin, aber nur insoweit, als aufforstungsfreie Abstände von über 4 m festgesetzt worden seien. Die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Christbaumkultur und über die Kosten wurde nicht bekämpft.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die beiden mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des oben erwähnten Landesgesetzes dient dieses dem Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen im öffentlichen Interesse einer qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen landwirtschaftlichen Produktion. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dieser Gesetzeszweck nicht, daß nur jene landwirtschaftliche Produktion zu schützen sei, die qualitativ hochwertige und quantitativ günstige Ergebnisse bringe; vielmehr ist der Zweck des Gesetzes, solche Maßnahmen zu treffen, die zu einer solchen qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen Produktion hinführen. Daher erweist sich die diesbezügliche Rechtsrüge der Beschwerde als unbegründet.

Der Verfahrensrüge der Beschwerde kommt aber in folgender Richtung Berechtigung zu:

Zunächst kann dem Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. K nicht allein deshalb der Vorrang gegeben werden, weil es nach Durchführung der Ortsverhandlung erstattet worden ist, hat doch der Amtssachverständige Dipl.-Ing. Z ebenfalls Erhebungen an Ort und Stelle gepflogen. Es ist rechtsirrig, daß die Richtigkeit des - von einem unbefangenen Amtssachverständigen abgegebenen - Gutachtens daran gemessen werden könne, ob es einem bestimmten Gesetzeszweck zum Durchbruch verhelfe gegenüber den Parteieninteressen. Der Maßstab für die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens kann allein die Tatsachenrichtigkeit seiner Befundaufnahme und die Schlüssigkeit seiner daraus gezogenen Folgerungen nach den Maßstäben der Wissenschaft sein, nicht aber die - hier unsachliche - Frage, ob das Ergebnis des Gutachtens dem Gesetzeszweck diene oder den Parteieninteressen.

Daher hat es die Berufungsbehörde unterlassen, zu begründen, warum sie dem Gutachten Dipl.-Ing. K und nicht dem Gutachten Dipl.-Ing. Z folgte.

Sofern sie dem Gutachten des Dipl.-Ing. K auch deshalb folgte, weil dieser das Lokalklima der S, die Seehöhe der Grundstücke, den Strahlungsumsatz und die Strahlungsenergie der Sonne und deren Einfluß auf die Vegetation behandelte, ist zu bemerken, daß es der Berufungsbehörde freigestanden wäre, zu diesen einzelnen Punkten auch ihren Erstgutachter Dipl.-Ing. Z zu befragen.

Dadurch, daß die Berufungsbehörde nicht in ausreichender Weise dartat, warum sie das Gutachten des Dipl.-Ing. Z für ungenügend erachtete, einen Zweitgutachter beizog, und warum sie dessen im Gegensatz zum Erstgutachter stehenden Schlußfolgerungen folgte, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Bescheid der Berufungsbehörde war daher im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 59 Abs. 1, VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Befangenheit von Sachverständigen Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180064.X00

Im RIS seit

13.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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