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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/18/0160Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann sowie die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden des Robert S in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich 1) vom 20. September 1990, Zl. I/7-St-S-90104, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, 2) vom 3. Mai 1991, Zl. I/7-St-S-90104/1, betreffend Berichtigung des zu 1) genannten Bescheides, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer an Aufwendungen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen:
1) Aus dem Verfahren Zl. 90/18/0248: S 11.840,--. Das Mehrbegehren wird abgewiesen;
2) aus dem Verfahren Zl. 91/18/0160: S 10.590,--.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 30. April 1990 wurde dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht, er habe am 8. Mai 1989 um 11.15 Uhr in Schwechat, Bruck-Hainburgerstraße Nr. 27 "bzw." Schmidgasse 3-7 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges nicht dafür gesorgt, daß die Beladung der Vorschrift des § 101 Abs. 1 lit. a des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) entspreche, weil das höchste zulässige Gesamtgewicht von 2.550 kg um 2.720 kg überschritten worden sei. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 134 Abs. 1 und § 101 Abs. 1 lit. a KFG begangen; es wurde eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt. Der Landeshauptmann von Niederösterreich bestätigte mit Bescheid vom 20. September 1990 dieses erstinstanzliche Straferkenntnis in dem oben genannten Schuldspruch.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Mit Beschluß vom 22. März 1991 sprach der Verwaltungsgerichtshof folgende vorläufige Rechtsansicht aus:
Die von den Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens herangezogene verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG ist § 101 Abs. 1 lit. a KFG mit dem Wortlaut:
"Die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern ist unbeschadet der Bestimmungen der Absätze 2 und 5 nur zulässig, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht, die höchsten zulässigen Achslasten und die größte Breite des Fahrzeuges durch die Beladung nicht überschritten werden."
Diese Vorschrift betrifft die Tätigkeit der Unterbringung der zu befördernden Güter im Fahrzeug und das Ergebnis dieser Tätigkeit (Grubmann, Das Kraftfahrgesetz 19673, Anmerkung 1 Abs. 1 zu § 101 KFG; Erkenntnis vom 16. Jänner 1985, Slg. N.F. Nr. 11.641/A; vom 12. Februar 1986, Zl. 85/03/0046 u.a.); Hingegen besagt § 102 Abs. 1 KFG, daß der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen darf, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.
Im von der belangten Behörde schlechthin bestätigten Schuldspruch in Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird dem Beschwerdeführer als Lenker ein als erwiesen angenommener Sachverhalt (§ 44a lit. a VStG) in Richtung der letztzitierten Gesetzesbestimmung des § 102 Abs. 1 KFG zum Vorwurf gemacht; die verletzte Verwaltungsvorschrift wird hingegen mit § 101 Abs. 1 lit. a KFG zitiert.
Darin könnte nach vorläufiger Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides liegen.
Während der Beschwerdeführer sich in einer schriftlichen Äußerung dieser vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes anschloß, äußerte sich die belangte Behörde dahin, daß in ihrem Bescheid versehentlich eine unrichtige Übertretungsnorm zitiert worden sei. Daher sei mit Berichtigung vorgegangen worden.
Der Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 3. Mai 1991 lautet dahin, daß der Berufungsbescheid vom 20. September 1990 im Spruchpunkt II im ersten Satz nunmehr berichtigt wie folgt zu lauten habe:
"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird Ihrer Berufung hinsichtlich Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt mit der Maßgabe bestätigt, daß die übertretene Norm, auf Grund der die Strafe gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 verhängt wurde, auf § 102 Abs. 1 KFG 1967 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 richtig gestellt wird."
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, zufolge eines Versehens habe es die Berufungsbehörde versäumt, in ihrem Berufungsbescheid die Übertretungsnorm richtig zu zitieren; versehentlich sei als Übertretungsnorm § 101 Abs. 1a KFG 1967 zitiert worden. Es handle sich um eine offenkundige Unrichtigkeit, die bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei Erlassung des ersten Bescheides hätte vermieden werden können. Außer § 62 Abs. 4 AVG wurde noch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1991, Zl. 90/18/0182, zitiert.
Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde beantragte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. N.F. Nr. 12329/A) der Berichtigungsbescheid auf den Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides zurückwirken würde, war zunächst die Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbescheides zu prüfen:
Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaften Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von amtswegen berichtigen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zlen. 85/02/0232, 86/02/0077 und die dort zitierte weitere Judikatur) ist die Berichtigung auf Fälle eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist. Dabei ist es ausreichend, daß die Unrichtigkeit von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können und daß die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können.
Wie Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz. 449, unter zutreffender Zitierung verwaltungsgerichtlicher Judikatur ausführen, kommt es auf die "klare Erkennbarkeit" des Versehens an; hingegen seien Fehler der Beweiswürdigung, der rechtlichen Beurteilung oder der Begründung eines Bescheides im Sinne eines Begründungsmangels einer Berichtigung nicht zugänglich.
Der Verwaltungsgerichtshof versteht die klare Erkennbarkeit des Versehens dahin, daß zur Erkennung kein längeres Nachdenken und keine Nachschau in Gesetzeswerken notwendig ist, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelnden Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist.
In diesem Sinne wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als berichtigungsfähig angesehen:
Ein Ziffernsturz in der Kennzeichennummer des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers, wobei die Identität des Kraftfahrzeuges unbestritten war (das oben zitierte Erkenntnis vom 3. Juli 1986),
die unrichtige Zitierung der Strafsanktionsnorm "§ 99 Abs. 3 lit. a StVO" bei der verletzten Verwaltungsvorschrift des § 5 Abs. 1 StVO - statt richtig § 99 Abs. 1 lit. a StVO (Erkenntnis vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0162),
die falsche Zuordnung durchnumerierter Spruchteile zu den entscheidenden Behörden, sodaß (unrichtig) der Landeshauptmann über Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, die Landesregierung über Übertretungen des Kraftfahrgesetzes entschieden hätte, wobei nichts dahin deutete, daß die Behörden bewußt eine ihnen nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nehmen wollten (Erkenntnis vom 13. Mai 1987, Zl. 87/18/0012),
die spruchmäßig falsche Nennung des Jahres der Tat mit 1983, während die Begründung richtig auf 1982 abstellte und die Begehung in letzterem Jahr auch rechtzeitig verfolgt war (Erkenntnis vom 22. Mai 1985, Slg. N.F. Nr. 11775/A).
Nicht als berichtigungsfähig wurde angesehen, daß als verletzte Verwaltungsvorschrift falsch § 45 Abs. 1 statt richtig § 45 Abs. 4, Satz 2 des Kraftfahrgesetzes herangezogen wurde (Erkenntnis vom 7. Oktober 1981, Zl. 03/2537/80).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich, daß die irrige Subsumtion der Tat, als Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht dafür gesorgt zu haben, daß die Beladung der Vorschrift des § 101 Abs. 1 lit. a KFG entspreche, unter eben diese Vorschrift anstatt unter die darauf anzuwendenden Vorschrift des § 102 Abs. 1 KFG nicht sogleich klar erkennbar im obigen Sinn ist - haben doch weder der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde noch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid oder in ihrer Gegenschrift diese rechtliche Fehlsubsumtion bemerkt. Das Versehen der belangten Behörde lag somit in ihrer rechtlichen Beurteilung und stellt daher mehr als eine "offenbar auf einem
Versehen ... beruhende Unrichtigkeit" dar, weshalb kein Fall
einer zulässigen Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG vorlag.
Zu Unrecht berief sich die belangte Behörde in ihrem Berichtigungsbescheid auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1991, Zl. 91/18/0011 (wohl richtig 91/18/0182). Der dortige Fall lag so, daß die Berufungsbehörde in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG einen Schuldspruch neu faßte und hiezu aussprach, daß der Beschwerdeführer dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 StVO begangen habe (Berufungsbescheid vom 20. September 1990Ü). Hiebei mußte es jedem auch nur oberflächlichen Kenner der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen bekannt sein, daß nach einhelliger Rechtsprechung seit dem Jahre 1979 (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1979, Slg. N.F. Nr. 9898/A) die Weigerung, die Atemluft unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StVO auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, die Verwaltungsvorschrift des § 99 Abs. 1 lit. b und nicht jene des § 5 Abs. 2 StVO verletzt. Im übrigen hatte im dortigen Fall die erste Instanz als verletzte Verwaltungsvorschrift "§ 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960, § 5 Abs. 2 StVO 1960" zitiert. Im dortigen Fall lag demnach eine offenbare, klar erkennbare Unrichtigkeit im Spruch der zweiten Instanz vor, was aber im vorliegenden Falle nicht gesagt werden kann.
Da somit nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG nicht vorlagen, war der angefochtene Bescheid vom 3. Mai 1991 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 59 Abs. 1 VwGG - der Beschwerdeführer machte im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991 Schriftsatzaufwand nach der Rechtslage vor dieser Verordnung geltend, sodaß ihm auch nicht mehr an solchem Aufwand zuzusprechen war.
Da der im Spruch zu 1 genannte Berufungsbescheid nunmehr in seiner unberichtigten Fassung zu betrachten ist, erweist er sich als mit der im Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1991 vorläufig angenommenen Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet; da die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nichts Gegenteiliges vorgebracht haben, erhebt der Verwaltungsgerichtshof seine dort ausgesprochene vorläufige Rechtsansicht nunmehr zu seiner endgültigen.
Dies ergibt, daß im Berufungsbescheid nicht die verletzte, sondern eine andere Verwaltungsvorschrift zitiert wurde, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die bereits oben zitierte Verordnung des Bundeskanzlers. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers, ihm auch für den Schriftsatz vom 25. April 1991, neben den Auslagen für Stempelmarken, Schriftsatzaufwand zuzusprechen, war abzuweisen, da § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur von EINEM Schriftsatzaufwand, nämlich den für die Beschwerdeschrift selbst, spricht.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei BeschreibungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Mängel im Spruch SchreibfehlerMängel im Spruch Nichtangabe der verletzten VerwaltungsvorschriftVerwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990180248.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2011