TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/13 91/18/0105

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Veröffentlicht am 13.09.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §23 Abs2;
StVO 1960 §8 Abs4;
VStG §44a lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Mag. Franz P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. Jänner 1991, Zl. MA 70-11/1511/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf die Sachverhaltsdarstellung und auf die rechtlichen Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 9. November 1990, Zl. 90/18/0131, wird hingewiesen. Die belangte Behörde führte im zweiten Rechtsgang einen Ortsaugenschein durch. Mit Berufungsbescheid vom 7. Jänner 1991 gab sie abermals der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Abänderung dahin, daß die Tatbeschreibung zu lauten habe:

"Der Beschuldigte, Mag. Franz P, hat am 27.1.1989 um

16.45 Uhr das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X nnn.nnn in Wien 2, Engerthstraße 161-163, mit vier Rädern auf dem Gehsteig abgestellt gehabt und diesen somit vorschriftswidrig benützt."

Die Geld- und Ersatzarreststrafe wurde herabgesetzt. In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde fest, daß zur Tatzeit die den Tatort bildende Verkehrsfläche bereits als Radweg verordnet worden war, doch sei diese Verordnung noch nicht durch Bodenmarkierungen kundgemacht gewesen. Diese Verkehrsfläche sei gegenüber der Fahrbahn durch einen Randstein (mit Niveauunterschied) abgegrenzt gewesen, sie sei aber zum "heutigen Gehsteig" niveaugleich und nur durch im Boden eingelassene Pflastersteine getrennt gewesen. Wie aus den weiteren Ausführungen der Begründung (Seite 4 oben des angefochtenen Bescheides) zu entnehmen ist, war die Verkehrsfläche dort, wo sie auf in die Engerthstraße einmündende Straßen trifft, abgeschrägt - dies, so die Berufungsbehörde, könne nicht als Argument gegen die Eigenschaft als Gehsteig dienen, da dies ebensogut ein gestalterisches Mittel gewesen sein könnte oder eine Hilfe für Rollstuhlfahrer und für Mütter mit Kinderwagen, um ihnen das problemlose Überqueren der einmündenden Straßen zu ermöglichen.

Die bauliche Ausgestaltung allein, so die Berufungsbehörde, habe jedoch nicht erkennen lassen, daß die Verkehrsfläche "möglicherweise nicht dem Fußgängerverkehr dienen sollte". Eine Verkehrsfläche aber, die nicht dem Fahrzeugverkehr diene, unmittelbar und niveaugleich neben dem heutigen Gehsteig liege und mangels entgegenstehender Beschilderung offensichtlich keinem anderen Zweck diene, müsse als für den Fußgängerverkehr bestimmt angesehen werden. Der Beschwerdeführer, so die Berufungsbehörde weiter, habe jedenfalls wissen müssen, daß es sich beim Tatort zweifellos nicht um einen Fahrbahnrand im Sinne des § 23 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) gehandelt habe; die nähere Qualifikation der Verkehrsfläche (das heißt des Tatortes) sei dabei nicht entscheidend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:

Bereits im eingangs zitierten aufhebenden Erkenntnis vom 9. November 1990 hat der Verwaltungsgerichtshof (dort Seite 3 unten und Seite 4 oben) ausgeführt, die Rechtsansicht, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei schon dann gerechtfertigt, wenn sein Fahrzeug auf keinem Radweg im Rechtssinn aufgestellt gewesen sei, sei rechtsirrig; maßgebend sei vielmehr, ob der Tatort ein Gehsteig war oder eine andere Verkehrsfläche, ganz gleich, worin deren andere rechtliche Qualifikation bestehen möge.

Nun war nach den Feststellungen der belangten Behörde die Verkehrsfläche (der Tatort) zur Zeit der Tat als Radweg verordnet, jedoch nicht als solcher kundgemacht. Im Gegensatz zu der ausgedrückten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die belangte Behörde die Ansicht, eine Verkehrsfläche, die nicht dem Fahrzeugverkehr diene, sei schon deshalb als Gehsteig anzusehen; im übrigen sei die nähere Qualifikation der Verkehrsfläche unentscheidend.

Der Verwaltungsgerichtshof, der an seine Rechtsansicht im aufhebenden Vorerkenntnis gebunden ist und diese auch als richtig aufrechthält, teilt nicht diese Rechtsansicht der belangten Behörde. Es wäre durchaus zu erwägen, ob der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die Vorschrift des § 23 Abs. 2 StVO - außerhalb von Parkplätzen ist ein Fahrzeug zum Halten oder Parken am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen - verletzt hat, allein der Beschwerdeführer wurde nicht wegen dieser Übertretung, sondern wegen der anderen Übertretung nach § 8 Abs. 4 StVO bestraft. Da die belangte Behörde die Qualifikation des Tatortes als Gehsteig nicht in eindeutiger Weise dartun konnte, durfte sie den Beschwerdeführer nicht der Übertretung nach § 8 Abs. 4 StVO für schuldig erkennen.

Ihr Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180105.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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