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yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnenNorm
AktG 1965 §130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch über die Beschwerde der B Gesellschaft m.b.H. in U, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 23. Jänner 1991, Zl. B 95-7/90, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Folgender Sachverhalt ist unstrittig:
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft m.b.H., die ursprünglich auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom 12. Juni 1981 mit einem Stammkapital von S 1,000.000,-- (später erhöht auf S 4,000.000,--) gegründet wurde und die gemäß Punkt VI B des Gesellschaftsvertrages über einen Aufsichtsrat verfügt. Einziger Gesellschafter der Beschwerdeführerin ist die S-AG.
Mit Ergebnisabführungsvertrag vom 16. Dezember 1981 war vereinbart worden, daß die Beschwerdeführerin als Organ "ihren etwaigen Jahresgewinn jeweils zur Gänze" an die obgenannte einzige Gesellschafterin als Organträger abzuführen hat.
Am 10. November 1987 wurde bei der Beschwerdeführerin eine Satzungsänderung dahin vorgenommen, daß das Stammkapital auf S 20,000.000,-- erhöht und in Punkt VII(2) des Gesellschaftsvertrages folgender Passus angefügt wurde:
"Eine gesetzliche Rücklage im Ausmaße von S 10,000.000,-- (Schilling zehn Millionen) ist derart zu bilden, daß ab dem Geschäftsjahr 1987 (einschließlich) alljährlich 20 Prozent des Reingewinnes zugeführt werden. Sollten diese 20 Prozent im Geschäftsjahr 1987 (neunzehnhundertsiebenundachtzig) unter
S 5,000.000,-- (Schilling Fünfmillionen) und in den folgenden 5 (fünf) Geschäftsjahren unter jeweils S 1,000.000,-- (Schilling eine Million) bleiben, dann sind S 5,000.000,-- (Schilling fünf Millionen) im Geschäftsjahr 1987 (neunzehnhundertsiebenundachtzig) und in den folgenden 5 (fünf) Geschäftsjahren je S 1,000.000,-- (Schilling eine Million) zu dotieren. Sollte der Betrag der gesetzlichen Rücklage von
S 10,000.000,-- (Schilling zehn Millionen) aber schon vor dem
6. (sechsten) Geschäftsjahr erreicht sein, dann entfällt eine weitere Zuführung." (vgl. Seite 46 der Verwaltungsakten).
Der Jahresgewinn 1987 (S 3,547.002,--) wurde daraufhin nicht an die Obergesellschaft ab-, sondern zur Gänze der gesetzlichen Rücklage zugeführt.
Daraufhin setzte das Finanzamt gemäß § 2 Z. 3 KVG Gesellschaftsteuer in Höhe von S 70.940,-- fest.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin im wesentlichen mit der Begründung, es handle sich um die Erfüllung einer satzungsmäßigen Verpflichtung der Gesellschaft und nicht um eine solche des Gesellschafters.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab, worauf die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrte.
Im Vorlageantrag brachte sie insbesondere vor, daß ein Verzicht eine Forderung voraussetze, auf die verzichtet werden könne. Auf Grund der satzungsmäßigen Pflicht, die gesetzliche Rücklage zu dotieren, entstünde aber gar kein Gewinn, auf den verzichtet werden könnte.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und setzte die Gesellschaftsteuer mit S 67.393,-- fest. Rechtlich brachte die belangte Behörde § 2 Z. 3 lit.b KVG zur Anwendung und wertete den vorliegenden Sachverhalt dahin, daß die Obergesellschaft durch ihre Zustimmung zur Bildung einer über das in § 130 AktG vorgesehene Ausmaß hinausgehenden Rücklage auf den ihr aus dem Ergebnisabführungsvertrag zustehenden Gewinnanspruch verzichtet habe. "Alles was über die 5 Prozent hinaus geht, beruht auf freier Vereinbarung und ist nicht mehr zwingend im Gesetz vorgesehen." Unter Berücksichtigung eines Betrages von S 177.350,-- (= 5 Prozent vom Gewinn 1987) setzte die belangte Behörde demnach die Gesellschaftsteuer mit S 67.393,-- fest.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gesellschaftsteuerfreiheit verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Z. 3 lit. b KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen (Beispiele: Verzicht auf Forderungen, Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung, Übernahme von Gegenständen der Gesellschaft durch die Gesellschafter zu einer den Wert übersteigenden Gegenleistung).
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 GmbHG ist für eine Gesellschaft, für die nach Gesetz oder Vertrag ein Aufsichtsrat bestellt werden muß, u.a. § 130 AktG sinngemäß anzuwenden.
§ 130 AktG (in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor dem RLG) lautet auszugsweise:
"(1) Es ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden.
(2) In diese sind außer den Beträgen, deren Einstellung in die gesetzliche Rücklage für den Fall der Kapitalherabsetzung nach den §§ 185, 192 Abs. 5 vorgeschrieben ist, einzustellen:
1. der Betrag, der mindestens dem zwanzigsten Teil des jährlichen Reingewinnes entspricht, solange die Rücklage nicht den 10. oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht hat ..."
Kern der Beschwerdeausführungen ist der Hinweis, daß im Wege der Satzung auch ein höherer Teil des Stammkapitals als 10 Prozent und ein größerer Teil des jährlichen Reingewinnes als 5 Prozent der gesetzlichen Rücklage zugeführt werden können.
Bereits damit ist die Beschwerdeführerin im Recht. Auf die satzungsgemäß aufsichtsratpflichtige Beschwerdeführerin kommt § 130 AktG zur Anwendung. Nach herrschender Auffassung sowohl in der österreichischen als auch der deutschen Literatur ist es zulässig, im Wege des Gesellschaftsvertrages auch einen höheren Anteil als 10 Prozent des Stammkapitals und eine über die Mindestdotierung von 5 Prozent des ausgewiesenen jährlichen Reingewinnes hinausgehende Größe der gesetzlichen Rücklage zuzuweisen (vgl. Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 189, 190; Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5 301;
Geßler-Hefermehl-Eckardt-Kropff, Kommentar zum AktG Rz 7 und 9c zu § 150d AktG; wobei zu betonen ist, daß § 130 Abs. 1 Z.1 des österreichischen AktG noch der bundesdeutschen Rechtslage zur Zeit der Geltung des AktG 1937 entspricht, die - arg:
"mindestens" - eine höhere als 5 Prozentige jährliche Zuweisung zuließ).
Dies bedeutet, daß dann, wenn von der Möglichkeit der satzungsmäßigen Festlegung einer höheren Rücklagensumme als 10 Prozent des Stammkapitals und einer größeren jährlichen Zuweisung als 5 Prozent des Reingewinnes Gebrauch gemacht wird - was im vorliegenden Fall im Wege einer gesellschaftsrechtlich einwandfreien Satzungsänderung erfolgte (vgl. Reich-Rohrwig aaO. 190 Abs. 2) - auch dieser Rücklagendotierung der Charakter einer gesetzlichen Rücklage mit der daraus sich ergebenden Konsequenz zukommt, daß diese Rücklage in weiterer Folge nur den in § 130 Abs. 3 AktG vorgesehenen Zwecken zugeführt werden, nicht aber zum Zwecke der Ausschüttung von Gewinnen an die Gesellschafter aufgelöst werden kann (Kastner u.a. aaO 301, 302; Reich-Rohrwig aaO 189).
Bereits damit aber erweist sich das den angefochtenen Bescheid tragende Begründungselement der belangten Behörde, jene Beträge, die die Größe von 10 Prozent des Stammkapitals bzw. die jährliche Größe von 5 Prozent des Reingewinnes überstiegen, hätten den Charakter freiwilliger Rücklagen, als unrichtig. Daran können auch die von der belangten Behörde herangezogenen Belegstellen (nämlich das Fachgutachten Nr. 68 des Fachsenates für Handelsrecht und Revision des Institutes für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sowie die Ausführungen von Hassler über die körperschaftsteuerliche Organschaft in Bauer-FS 91 ff, insb. 96) nichts ändern, weil auch dort nur gesagt wird, daß die gesetzliche Rücklage und ihre Dotierung durch einen Ergebnisabführungsvertrag nicht tangiert werden. Ein solcher geht vielmehr erst der Bildung freier Rücklagen vor und kann erst in diesem Zusammenhang ein gesellschaftsteuerrechtlich relevanter Gewinnverzicht stattfinden.
Anders als der mit dem hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, Zl. 89/15/0116, entschiedene Fall, in dem es um freie Rücklagen ging (deren Bildung eine Variante der Gewinnverwendung darstellt), ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß die vorbilanzlich im Sinne der Satzung zu bildende gesetzliche Rücklage (Kastner aaO 301) bewirkt, daß der ihr zugeführte Betrag gesellschaftsrechtlich von vornherein gar nicht der Position Gewinn zuzuordnen ist. Erst wenn eine Summe an sich dem Gewinnbereich zuzuordnen wäre, käme die einzige Gesellschafterin der Beschwerdeführerin ihrerseits (auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages) überhaupt in die Position, im Wege der Zustimmung zur Bildung einer freien Rücklage auf die bereits bestehenden Gewinnansprüche zu verzichten, was dann im Sinne des zitierten hg. Erkenntnisses Zl. 89/15/0116 gesellschaftsteuerpflichtig wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 5. März 1991 BGBl. Nr. 104.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991150027.X00Im RIS seit
07.08.2001