Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BSVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. NN in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 15. März 1990, Zl. 121.294/1-7/1990, betreffend Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (mitbeteiligte Partei:
Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 8011 Graz, Rembrandtgasse 11), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.0. Aus der dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretenen Verfassungsgerichtshof-Beschwerde und den gleichzeitig übermittelten Verwaltungsakten ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid vom 13. Juni 1989 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern fest, daß der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und Abs. 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) sowie Art. III Abs. 1 der 11. Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 611/1987, vom 1. Jänner 1988 bis laufend in der Pensionsversicherung pflichtversichert sei.
Zur Begründung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von S 45.000,-- auf seine Rechnung und Gefahr führe. Auf Grund der 2. Novelle zum BSVG seien ab 1. Jänner 1980 unter anderem auch Bezieher einer Pension nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in der Bauern-Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen, wenn sie einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von über S 33.000,-- führten. Es habe jedoch die Möglichkeit einer Befreiung von dieser Pflichtversicherung bestanden, wovon der Beschwerdeführer auch Gebrauch gemacht hätte. Durch die 11. Novelle zum BSVG sei diese Befreiung jedoch mit 1. Jänner 1988 aufgehoben worden. Deshalb sei nunmehr die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers festzustellen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch.
1.2. Mit Bescheid vom 10. August 1989 gab der Landeshauptmann diesem Einspruch keine Folge und begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß Versicherungszwang unmittelbar auf Grund des Gesetzes bestehe und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Betreffende selbst einmal Leistungen in Anspruch nehmen werde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales dieser Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes.
Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes verwies er dabei auf den Umstand, daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen für den Eintritt der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG unbestritten geblieben seien. Eine bereits bestehende Pflichtversicherung bzw. Altersversorgung schließe das Zustandekommen einer weiteren Versicherungspflicht grundsätzlich nicht aus. Diese Mehrfachversicherung finde ihre Erklärung in den die österreichische Sozialversicherung beherrschenden Prinzipien:
Das Österreichische Sozialversicherungssystem werde von dem Grundgedanken getragen, daß die Angehörigen eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft bildeten, in der neben dem Versorgungsgedanken auch das Versicherungsprinzip ausgeprägt sei. Dabei sei es für die Pflichtversicherung ohne Belang, ob der einzelne der Sozialversicherung bedürfe. Die gemeinsamen Interessen der in der Pflichtversicherung zusammengeschlossenen Personen stünden über den individuellen Sonderinteressen. Übe eine Person eine bestimmte Erwerbstätigkeit aus, so sei sie demnach auch sozialversicherungsrechtlich einer bestimmten Berufsgruppe mit allen daraus entstehenden Rechten und Pflichten zuzuordnen. Zufolge der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei in diesem Zusammenhang auch der Umstand bedeutungslos, daß ausnahmsweise einzelne Pflichtversicherte infolge besonderer Verhältnisse schon eine anderweitige Altersversorgung hätten oder nicht in den Genuß einer Pension kommen könnten.
1.4. Mit Beschluß vom 14. Juni 1991, B 556/90, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung ab.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vertritt der Beschwerdeführer im wesentlichen die Auffassung, die Anwendung des Art. III Abs. 1 der 11. Novelle zum BSVG erfolge in seinem Fall rechtswidrig, da er bereits von einem anderen Sozialversicherungsträger Leistungen infolge Erreichung der Altersgrenze erhalte. Die Auslegung des Gesetzes, wonach er - ohne jemals eine Leistung irgendwelcher Art zu erhalten - zwangsweise Beiträge zur Pensionsversicherung nach dem BSVG zu entrichten habe, sei rechts- bzw. verfassungswidrig. Das Solidaritätsprinzip im österreichischen Sozialversicherungssystem könne nicht soweit gehen, daß Personen "unter dem Deckmantel des Gesetzes gezwungen werden, Schenkungen an den Sozialversicherungsträger zu leisten". Der Beschwerdeführer habe keinerlei Aussicht, irgendeine Art von Leistung von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu erhalten.
2.2. Die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 1 der 2. BSVG-Novelle, BGBl. Nr. 532/1979, bestimmte:
"(1) Personen, die am 31. Dezember 1979 gemäß § 5 Abs. 3 Z. 1, 2 oder 3 gemäß § 5 Abs. 4 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes in der am 31. Dezember 1979 in Geltung gestandenen Fassung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommen waren, sind auf Antrag von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz zu befreien, wenn der Antrag bis 31. Dezember 1980 bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern gestellt wird. Die Befreiung gilt rückwirkend ab 1. Jänner 1980 für die Dauer des Bestandes der Voraussetzungen für die seinerzeitige Ausnahme von der Pflichtversicherung."
Die 11. BSVG-Novelle, BGBl. Nr. 611/1987, brachte im Art. III Abs. 1 folgende Neuregelung:
"(1) Für Personen, die gemäß Art. II Abs. 1 der 2. Novelle zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 532/1979, von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung befreit worden sind, verliert diese Befreiung mit Ablauf des 31. Dezember 1987 ihre Wirksamkeit, sofern die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz nach den am 1. Jänner 1988 geltenden Vorschriften erfüllt sind."
Diese Bestimmung trat gemäß Art. IV der 11. BSVG-Novelle am 1. Jänner 1988 in Kraft.
2.3. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt, dessen Einheitswert S 33.000,-- übersteigt, womit die Voraussetzungen für den Eintritt der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG (vgl. § 2 Abs. 3) vorliegen.
Die vom Beschwerdeführer in Anspruch genommene Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG auf Grund des Art. II Abs. 1 der 2. BSVG-Novelle ist durch Art. III Abs. 1 der 11. BSVG-Novelle entfallen. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das Prinzip der Subsidiarität der Pensionsversicherung nach dem BSVG aufgegeben und den Grundsatz der Mehrfachversicherung verwirklicht. Der Verfassungsgerichtshof (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 8. Juni 1970, VfSlg. 6181, und vom 1. Juli 1982, VfSlg. 9753) und der Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/08/0012) hegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das System der Mehrfachversicherung. Auch aus Anlaß des Beschwerdefalles sind solche Bedenken nicht entstanden.
Die bloß geringe Wahrscheinlichkeit, eine Leistung von der Versicherungsgemeinschaft zu erhalten, macht die Einbeziehung in die Riskengemeinschaft nicht verfassungswidrig, sofern es mögliche Leistungsfälle gibt. Dabei kann die Auffassung des Beschwerdeführers, er habe keinerlei Aussicht, irgendeine Art von Leistung von der Pensionsversicherungsanstalt der Bauern zu erhalten, nicht geteilt werden. In diesem Zusammenhang hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt bereits in ihrer Stellungnahme zur Berufung des Beschwerdeführers darauf hingewiesen, daß die in § 111 BSVG normierte Wartezeit für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit gemäß § 111 Abs. 2 BSVG entfällt, wenn der Versicherungsfall z.B. die Folge eines Arbeitsunfalles im gegenständlichen Betrieb ist.
Die Anwendung des Art. III Abs. 1 der 11. BSVG-Novelle im Beschwerdefall kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.
2.4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
2.5. Von der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991080118.X00Im RIS seit
17.09.1991