TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/17 91/05/0077

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Index

L78104 Starkstromwege Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
58/02 Energierecht;

Norm

AVG §8;
BauRallg;
StarkstromwegeG 1968 §11;
StarkstromwegeG 1968 §4;
StarkstromwegeG 1968 §6;
StarkstromwegeG 1968 §7;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §14;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §6;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §7 Abs2;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §7;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des Raimund R in S, 2. des Werner R in A und 3. des Roland R in W, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Dezember 1990, Zl. EnRo-2413/5-1990/Cs/Wu, betreffend elektrizitätsrechtliche und elektrotechnische Bewilligungen (mitbeteiligte Partei: Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft in Linz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm eine elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung erteilt wurde (Spruchteil A), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 19. Juli 1990 beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung eingelangten Ansuchen beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer elektrizitätsrechtlichen Genehmigung für ein 30 kV-Kabel mit einem Querschnitt von 240 mm2 in einer Länge von 315 m zwischen den Trafostationen "Schwertberg, Dietmar v.d. Aiststraße" und "Schwertberg, Markt". Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der EZ nn KG Schwertberg, mit dem Grundstück nn/1, an dessen Grenze die Kabeltrasse geführt werden soll. Über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei wurde am 22. Oktober 1990 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der auch die Beschwerdeführer als Grundeigentümer geladen wurden. Diese brachten vor, es sei mit einer steigenden Magnetfeldbelastung des Grundstückes zu rechnen, dies wirke sich auf das Leben (Wasserkörper) ganz allgemein negativ aus. Aus gesundheitlicher Sicht werde das Bauen in Zukunft auf dem derzeit unbebauten Grundstück unmöglich.

Der Amtssachverständige für Elektrotechnik und Energiewirtschaft erklärte während der Verhandlung, die gegenständliche 30 kV-Hochspannungskabellegung sei zwischen den bestehenden Trafostationen "Schwertberg Dietmar v.d. Aiststraße" bis "Schwertberg, Markt" zur Herstellung einer leistungsstarken 30 kV-Ringverbindung erforderlich. Das Hochspannungskabel habe einen Querschnitt von 240 mm2. Die Hochspannungskabellegung erfolge zum größten Teil im öffentlichen Gut sowie entlang des verrohrten Giesenbaches in einem Privatgrundstück. Die Hochspannungskabellegung sei technisch zweckmäßig geplant. Unter Vorschreibung einiger Auflagen erachtete er die Herstellung der gegenständlichen elektrischen Anlagen als bewilligungsfähig.

In der Folge holte das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ein Gutachten des Dr. H. vom 27. November 1990 zur Frage ein, ob bei dem geplanten 30 kV-Kabel eine Gesundheitsgefährdung durch das magnetische 50 Hz-Wechselfeld gegeben sein könnte.

In diesem Gutachten wurde ausgeführt, durch die Auslegung des Kabels auf einen maximalen Stromfluß von 375 A könnten größere Leistungen als bisher übertragen werden, wodurch auch die maximale mögliche magnetische Induktion entsprechend ansteige. Aus der Literatur ergebe sich, daß bei einer Nennbelastung von 1 KA unmittelbar über der Kabeltrasse mit Feldstärken von 10 uT unmittelbar am Erdboden direkt über dem Kabel zu rechnen sei, in einer Höhe von 1,50 m betrage die magnetische Feldstärke ca. 1 uT. Mit zunehmender Entfernung zur Trassenachse komme es zu einer weiteren logarithmischen Abnahme der Feldstärke. Die möglichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die menschliche Gesundheit stünden seit Jahrzehnten im Mittelpunkt des medizinischen Forschungsinteresses. Die Untersuchungen seien dabei im Hinblick auf alle Beeinträchtigungsmöglichkeiten, sowohl bei kurzzeitiger als auch bei längerfristiger Exposition, weiters hinsichtlich Schädigung des genetischen Materials und hinsichtlich der Auswirkungen auf die Nachkommenschaft durchgeführt worden. Die Untersuchungen hätten zu dem übereinstimmenden Ergebnis geführt, daß die im Umfeld von energietechnischen Übertragungseinrichtungen auftretenden elektrischen und magnetischen Feldstärken, die jedenfalls unter 20 Kilovolt pro Meter (kV/m) bzw. unter 5000 Mikrotesla (uT) gelegen seien, keine direkten schädigenden Wirkungen auf die menschliche Gesundheit hervorriefen. Auf Grund neuerer epidemiologischer Untersuchungen werde jedoch den sogenannten indirekten Wirkungen, welche niederfrequenten magnetischen Wechselfeldern von einigen Autoren zugeschrieben würden, vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt. So habe die Studie von Savitz in den USA für Aufsehen gesorgt. In dieser Studie habe Savitz das Auftreten von Leukämie bei Kindern mit dem Grad der "Verkabelung", d.h. der Häufigkeit von Hoch- und Niederspannungsleitungen im Wohnbereich sowie den in der Wohnung gemessenen Magnetfeldern in Beziehung gesetzt. Diese Studie habe zu kritischen Reaktionen, auch durch Savitz selbst, geführt. Das internationale Strahlenschutzkomitee komme zu dem Schluß, daß der Zusammenhang zwischen der Krebsinzidenz und der Exposition gegenüber energietechnischen Magnetfeldern nicht gesichert sei und eine Hypothese bleibe, die epidemiologischen Studien seien nicht schlüssig. Obwohl diese Daten nicht unbeachtet gelassen werden dürften, müßten weitere Studien durchgeführt werden, bevor sie als Grundlage für Bewertungen im Hinblick auf gesundheitliche Gefahren dienen könnten. Kunsch und Leitgeb kämen aufgrund ihrer Übersicht der wichtigsten Ergebnisse weltweiter Forschung in den Jahren 1985 bis 1989 zum Schluß, daß für elektrische und magnetische Felder, wie sie in Österreich derzeit im Alltag auftreten, keine schädigenden Wirkungen nachgewiesen seien. Die bisher in Untersuchungen auf verschiedener Ebene gefundenen Effekte bedürften weiterer Forschung, die aber selbst theoretisch nie zum Nachweis einer Unschädlichkeit führen könnten. Zusammenfassend wurde festgestellt, im gegenständlichen Fall sei direkt über der Kabeltrasse mit Werten für die magnetische Feldstärke von 1 uT zu rechnen. Mit zunehmender Entfernung zur Trassenachse komme es zu einer raschen Abnahme der magnetischen Feldstärke. Der von der internationalen Strahlenschutzkommission im Auftrag der WHO ausgearbeitete Grenzwertvorschlag für die magnetische Feldstärke von 100 uT werde bei weitem nicht erreicht. Eine gesundheitliche Gefährdung der Anrainer sei daher nach dem derzeitigen Stand des medizinischen Wissens nicht gegeben.

Dieses Gutachten wurde den Beschwerdeführern nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid erteilte die Oberösterreichische Landesregierung im Spruchteil A der mitbeteiligten Partei die elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung für die beantragte 30 kV-Kabellegung in einer Länge von 315 m unter Vorschreibung einiger Auflagen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen würden die elektrischen Leitungsanlagen den Interessen im Sinne des § 7 des Oberösterreichischen Starkstromwegegesetzes aus 1970 nicht widersprechen. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer wurde bemerkt, daß noch vor Bescheiderlassung ein ärztliches Gutachten darüber eingeholt worden sei, ob von der beabsichtigten Kabellegung eine gesundheitliche Gefährdung ausgehe. In dem diesem Bescheid beiliegenden ärztlichen Gutachten sei ausführlich auf diese Frage eingegangen und abschließend ausgeführt worden, daß eine gesundheitliche Gefährdung der Anrainer nach dem derzeitigen Stand des medizinischen Wissens nicht gegeben sei. Diese Feststellung sei ausführlich begründet und aus dem Gutachten nachvollziehbar, weshalb die erkennende Behörde sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließe und im übrigen auf diese verweise. In diesem Zusammenhang werde noch darauf hingewiesen, daß für die gegenständliche Beurteilung von der maximal zulässigen Strombelastbarkeit der gegenständlichen Kabelverbindung auszugehen sei. Diese Strombelastbarkeit habe eine Größenordnung von 375 A bei der Verlegung in die Erde (20 oC bei EVU Last). Darauf seien auch sämtliche Gutachten abgestellt.

Unter Spruchteil B erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich die Bewilligung nach den §§ 1, 2, 3, 5, 9 und 12 des Elektrotechnikgesetzes, BGBl. Nr. 57 i.d.F. BGBl. Nr. 662/1983.

Gegen diesen Bescheid richtet sich im Umfang des Spruchteiles A die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist einem Vorbringen der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift, es werde die unrichtige Behörde belangt, weil der angefochtene Bescheid in seinem Spruchteil A von der Oberösterreichischen Landesregierung und in seinem Spruchteil B vom Landeshauptmann von Oberösterreich erlassen wurde, die Beschwerdeführerin aber als belangte Behörde das "Amt der Oberösterreichischen Landesregierung" angeführt habe, zu entgegnen, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. NF Nr. 11.625/A, ausgesprochen hat, daß die Anführung des Amtes der jeweiligen Landesregierung als belangte Behörde dann nicht zur Zurückweisung der Beschwerde führt, wenn die belangte Behörde aus dem vorgelegten angefochtenen Bescheid einwandfrei hervorgeht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ist als Hilfsapparat sowohl der Oberösterreichischen Landesregierung als auch dem Landeshauptmann beigegeben, im Zusammmenhang mit dem der Beschwerde angeschlossenen Bescheid war somit klar erkennbar, daß hier die Landesregierung belangte Behörde ist.

Entgegen der Meinung der mitbeteiligten Partei hat der Verwaltungsgerichtshof stets die Rechtsansicht vertreten, daß den Grundeigentümern sowohl nach dem (Bundes)Starkstromwegegesetz 1968 als auch nach den einzelnen (Landes)Starkstromwegegesetzen bereits im starkstromwegerechtlichen Baubewilligungsverfahren und nicht erst im Enteignungsverfahren Parteistellung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zlen. 89/05/0210, AW 90/05/0006, und die dort angeführte Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführer, daß die für den Beschwerdefall maßgebenden gesetzlichen Regelungen in den §§ 6, 7 und 14 des Oberösterreichischen Starkstromwegegesetzes 1970, LGBl. Nr. 1/1971, in ihrer Gesamtheit jedenfalls so zu verstehen sind, daß die von einer geplanten elektrischen Leitungsanlage berührten Grundeigentümer schon durch ihr Mitspracherecht im Verfahren in die Lage versetzt sein müssen, allfällige tatsächliche konkrete Gesundheitsgefährdungen geltend zu machen, was bei Zutreffen derartiger Bedrohungen zu einer Abänderung oder Ergänzung der Anlage oder zur Vorschreibung von Auflagen führen muß. Diese Ansicht hat - grundsätzlich zutreffend - wohl auch die belangte Behörde vertreten, da sie zur Frage der Gesundheitsgefährdung ein medizinisches Gutachten eingeholt hat.

Unter dem Titel einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringen die Beschwerdeführer vor, daß das dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. H. widersprüchlich und ergänzungsbedürftig sei. Erst im Zusammenhang mit weiteren Gutachten hätte sich die belangte Behörde ein entsprechendes Bild über die Möglichkeit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bilden dürfen. Bei entsprechender Erhebung dieser Umstände hätte die belangte Behörde zu einem anderen Bescheidergebnis kommen müssen.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis berechtigt. Das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen wurde den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG nicht zur Kenntnis gebracht, sodaß sie auch keine Gelegenheit hatten, schon im Verfahren sich mit diesem Gutachten auseinanderzusetzen und allenfalls ein Gegengutachten vorzulegen und auf die von ihnen gerügte Ergänzungsbedürftigkeit dieses Gutachtens hinzuweisen.

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Wahrung des Parteiengehörs zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid, soweit damit eine elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung erteilt wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist.

Schlagworte

Enteignung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050077.X00

Im RIS seit

28.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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