TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/17 91/05/0073

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.1991
beobachten
merken

Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1965 §61;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der Leopoldine A in L, vertreten durch Dr. J,Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. März 1991, Zl. R/1-V-9071 und 9071/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) Friedrich K in L,

2) Marktgemeinde L) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 29. Juni 1989 ersuchte der Erstmitbeteiligte beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch alter Bauteile, zur Herstellung einer neuen Werkstätte und zur Adaptierung des Wohnhauses auf der Liegenschaft XY. Dem beigeschlossenen Bauplan ist zu entnehmen, daß in dem unmittelbar an der Wiener Straße gelegenen Wohngebäude im Erdgeschoß durch den Abbruch und die Errichtung von Mauern u.a. ein Sozialraum und ein Waschraum neu geschaffen werden sollen. Das bestehende, daran anschließende Gebäude an der Grundgrenze zur beschwerdeführenden Nachbarin soll abgetragen und an der Grundgrenze eine 2,50 m hohe Einfriedungsmauer errichtet werden. Im Bereich dieser Einfriedungsmauer ist eine Abstellfläche vorgesehen. Im hinteren Teil der Liegenschaft soll vor der bestehenden Kfz-Werkstätte von Grundgrenze zu Grundgrenze ein eingeschoßiges Gebäude geschaffen werden, welches aus einer Kfz-Werkstätte und einem Lager bestehen soll.

Zu der für 10. August 1989 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin als Nachbarin geladen. Schon am 8. August 1989 erhob die Beschwerdeführerin schriftlich Einwendungen, wobei sie insbesondere einen Widerspruch zur festgesetzten Widmung und Immissionen betreffend Lärm und Geruch geltend machte.

Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin nahm der Verhandlungsleiter bei der Bauverhandlung dahingehend Stellung, daß die Erweiterung des Kfz-Werkstättenbetriebes im Bauland-Kerngebiet zulässig sei, weil - so sind die Ausführungen wohl zu verstehen - eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung nicht zu erwarten sei. Die Regelung von Betriebszeiten und deren Einhaltung obliege der Gewerbebehörde. Die Einwendungen seien im baubehördlichen Bewilligungsverfahren abzuweisen, da durch die Einhausung des derzeitigen Arbeitsbereiches im Hof eine Verringerung eines etwa bestehenden Lärms zu erwarten sei. Der bautechnische Amtssachverständige erachtete das Bauvorhaben unter Vorschreibung von Auflagen als genehmigungsfähig.

Mit Bescheid vom 4. September 1989 erteilte der Bürgermeister die angestrebte Baubewilligung. In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, daß der Abbruch des direkt an ihrer Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes bzw. der Trennmauer bauliche Anlagen umfasse, die durch ihre Höhe bisher das Einwirken von Immissionen weitgehend verhindert hätten. Die vorgesehene, lediglich ca. 2,50 m hohe Einfriedungsmauer sei hinsichtlich ihrer Höhe nicht ausreichend, um die Immissionen durch die unmittelbar im Bereich der Grundstücksgrenze vorgeschriebenen

10 Kfz-Stellplätze und den übrigen Betrieb des Bewilligungswerbers zu vermeiden. Die niedrige Einfriedungsmauer müßte wesentlich erhöht werden, zur Vermeidung von Immissionen müßte sie eine Höhe von mindestens 5 m aufweisen. Ausdrücklich beantragte die Beschwerdeführerin, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben bzw. dahin abzuändern, daß unter Aufrechterhaltung der übrigen Auflagen die Höhe der zu errichtenden Einfriedungsmauer mit mindestens 5 m vorgeschrieben werde.

Mit Bescheid vom 14. März 1990 wies der Gemeinderat die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für technischen Umweltschutz, das im Rahmen des gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahrens erstellt worden sei, gehe hervor, daß hinsichtlich Lärm und sonstiger zu befürchtender Immissionen in diesem gewerbebehördlichen Verfahren entsprechende Auflagen vorgeschrieben werden. Gerade durch die Errichtung des Zubaues würden künftig jene Tätigkeiten in geschlossenen Räumen durchgeführt werden, die bisher gelegentlich im Freien vorgenommen worden seien und zu unzumutbaren Belästigungen geführt hätten. Durch die Errichtung des Werkstättenzubaues sei unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte eine wesentliche Verminderung der Immissionsbelästigung zu erwarten. Da der an die geplante Einfriedungsmauer angrenzende Bereich lediglich als Kfz-Abstellplatz dienen soll, sei die mit 2,50 m festgelegte Höhe dieser Mauer im Hinblick auf die zu erwartenden Immissionen und deren Zumutbarkeit als ausreichend anzusehen.

Auf Grund der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung führte die Niederösterreichische Landesregierung am 1. Juni 1990 eine Ortsaugenscheinsverhandlung durch, bei der ein Amtssachverständiger des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung für technischen Umweltschutz sowohl die Betriebstype einer Kfz-Mechanikerwerkstätte als auch einer Kfz-Spenglerwerkstätte als im Bauland-Kerngebiet auf Grund der zu erwartenden Immissionen als zulässig erachtete. Der Amtssachverständige begründete sein Gutachten im einzelnen und die Beschwerdeführerin nahm hiezu nicht Stellung. Sie erklärte vielmehr, daß sie im Rahmen der Verhandlung mit dem Erstmitbeteiligten eine Vereinbarung über die Errichtung einer 4 m hohen Mauer an der Grundstücksgrenze besprochen habe. Vom möglichen Abschluß dieser Vereinbarung hänge die Entscheidung ab, ob das Rechtsmittel aufrechterhalten werde.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführerin ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und hier maßgeblicher Vorschriften des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 und der NÖ Bauordnung 1976 wurde darauf hingewiesen, daß in Ergänzung des Verfahrens auf Gemeindeebene im Zuge des Vorstellungsverfahrens geprüft worden sei, ob das bewilligte Bauvorhaben im Bauland-Kerngebiet zulässig sei. Unter Hinweis auf das eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen bejahte die Gemeindeaufsichtsbehörde diese Frage. Zum Begehren der Beschwerdeführerin auf Errichtung einer 5 m hohen Mauer an der Grundstücksgrenze räumte die Vorstellungsbehörde ein, daß die vorgesehene Einfriedungsmauer gegenüber dem bisherigen Bestand eine geringere Abschirmfunktion besitze, dies aber nicht dazu führe, daß nunmehr unzulässige Immissionen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu erwarten seien. Im übrigen habe der Erstmitbeteiligte erklärt, an der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin eine 4 m hohe Mauer auf seine Kosten errichten zu wollen. Es scheine auch das Argument der Berufungsbehörde durchaus schlüssig und folgerichtig, daß als Folge der Errichtung des Werkstättenzubaues eine Verminderung der Immissionsbelastung eintreten werde, weil Arbeiten im Freien nicht mehr vorgenommen würden. Abschließend bemerkte die Gemeindeaufsichtsbehörde, daß ihrer Meinung nach die Werkstätte sowohl zu Kfz-Mechaniker- als auch für Kfz-Spenglerarbeiten verwendet werden dürfe, nicht aber für die Durchführung von Kfz-Lackierarbeiten. Im Rahmen des gewerbebehördlichen Verfahrens seien Auflagen, welche in den konkreten Betriebsablauf eingreifen, vorgeschrieben worden.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist auf Grund der Vorschriften des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) davon auszugehen, daß der Beschwerdeführerin als Nachbarin im Baubewilligungsverfahren ein Rechtsanspruch darauf zusteht, daß im Bauland-Kerngebiet nur solche Bauvorhaben bewilligt werden dürfen, die keine in dieser Widmung unzulässigen Immissionen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) verursachen können. Nach § 16 Abs. 1 Z. 2 ROG sind Kerngebiete jene Gebiete, die vorwiegend für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Betriebe des Handels, Gewerbes und Fremdenverkehrs bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes (Stadtkernes) harmonisch anpassen und keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können.

Entsprechend dieser Gesetzesstelle hat die belangte Behörde das insoweit auf Gemeindeebene ergänzungsbedürftig gebliebene Verwaltungsverfahren ergänzt und insbesondere das Gutachten eines Amtssachverständigen für Fragen des Umweltschutzes eingeholt. Auf Grund dieses Gutachtens ging die belangte Behörde davon aus, daß durch die Betriebstype des Bauvorhabens des Erstmitbeteiligten keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung zu erwarten ist.

Die Beschwerdeführerin macht nun eine inhaltliche Rechtswidrigkeit aus dem Grunde geltend, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides von einer 4 m hohen Mauer an ihrer Grundgrenze ausgehe, nach dem bewilligten Projekt die Mauerhöhe aber nur 2,5 m betrage. Daß diese 2,5 m hohe Mauer eine geringere Abschirmfunktion gegenüber dem bisherigen Bestand erwarten lasse, habe das Verfahren ergeben. Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides stünden daher zueinander in einem Widerspruch.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu teilen. Wie schon in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegeben, hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zwar eingeräumt, daß die bisherige Mauer eine größere Abschirmfunktion besaß als die im Projekt vorgesehene Einfriedungsmauer, aber im Hinblick auf das eingeholte Gutachten unzulässige Immissionen dennoch verneint. Im übrigen hat die belangte Behörde lediglich auf die Erklärung des Erstmitbeteiligten verwiesen, an der Grundstücksgrenze (statt der 2,5 m hohen Einfriedungsmauer) eine 4 m hohe Mauer errichten zu wollen. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist sohin die belangte Behörde nicht davon ausgegangen, daß Gegenstand des Projektes des Erstmitbeteiligten, welches von der Baubehörde erster Instanz bewilligt worden ist, eine 4 m hohe Mauer ist. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides liegt sohin nicht vor.

Wenn die Beschwerdeführerin darauf verweist, daß sie die Errichtung einer 5 m hohen Einfriedungsmauer beantragt habe, und der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorwirft, die Abweisung der Vorstellung nicht ausreichend begründet zu haben, so übersieht sie, daß Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens das Projekt des Erstmitbeteiligten war und die belangte Behörde zu Recht dieses Projekt auf seine Zulässigkeit in der hier maßgeblichen Widmung Bauland-Kerngebiet überprüfte. Kam aber die Verwaltungsbehörde auf Grund des eingeholten Gutachtens, welches die Beschwerdeführerin weder auf Verwaltungsebene noch in ihrer Beschwerde in Zweifel zog, zu dem Ergebnis, daß das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten der Widmung Bauland-Kerngebiet nicht widerspricht, so erübrigte sich eine nähere Begründung hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, die zu errichtende Mauer müsse 5 m hoch sein. Zu Recht verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch auf den Umstand, daß der Aufsichtsbehörde im Rahmen des Vorstellungsverfahrens gemäß § 61 der NÖ Gemeindeordnung 1973 gar nicht die Möglichkeit gegeben ist, ein vom Gemeindeverfahren abweichendes Projekt ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Es liegt daher auch nicht die geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050073.X00

Im RIS seit

17.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten