TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/17 91/05/0093

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Index

L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
BauRallg impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der Y-Werbung Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in Wien, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 7. März 1991, Zl. MD-VfR - B XIX - 2/91, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 12. Oktober 1988 beantragte die Beschwerdeführerin beim Wiener Magistrat die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für die Anbringung und Bewirtschaftung von Anschlagtafeln an der Einfriedung der Liegenschaft Wien 19, X-Straße 155. Nach Erlassung eines Verbesserungsauftrages, Einholung des Gutachtens eines Amtssachverständigen der Architekturabteilung des Wiener Magistrats sowie Durchführung einer Bauverhandlung versagte der Wiener Magistrat mit Bescheid vom 1. Oktober 1990 die angestrebte Baubewilligung. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß nach dem eingeholten Gutachten durch das Bauvorhaben das örtliche Stadtbild beeinträchtigt werde.

Die dagegen erhobene Berufung wies die Bauoberbehörde für Wien mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid ab, änderte jedoch die sprachliche Fassung des erstinstanzlichen Spruches. Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der hier maßgeblichen Bestimmungen des § 86 Abs. 2 und 3 der Bauordnung für Wien (BO) erachtete die Berufungsbehörde das eingeholte Gutachten zur Frage einer Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes als ausreichend und schlüssig. Im Hinblick auf die danach gegebene Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes sei aber das Bauansuchen gemäß § 86 Abs. 2 BO zu Recht abgewiesen worden. Bei einer Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes komme auch eine Ausnahme nach § 86 Abs. 3 BO nicht in Betracht. Auch eine Baubewilligung gemäß § 71 BO auf jederzeitigen Widerruf bzw. auf bestimmte Zeit sei nicht ins Auge zu fassen gewesen, da öffentliche Interessen, insbesondere solche an der Erhaltung eines einheitlichen örtlichen Stadtbildes, dem entgegenstünden und auch kein begründeter Ausnahmefall vorliege.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren sowie in ihrem Recht auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Plakatwand auf der genannten Liegenschaft verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 86 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) müssen Einfriedungen so ausgestaltet werden, daß sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigen. Sie dürfen den Boden der höher gelegenen, anschließenden Grundfläche nicht mehr als 2,50 m überragen. Nach Absatz 3 der genannten Gesetzesstelle dürfen Einfriedungen von Vorgärten gegen die Verkehrsfläche und an den seitlichen Grundgrenzen auf die Tiefe des Vorgartens den freien Durchblick nicht hindern; Abweichungen hievon können zugelassen werden, wenn dadurch das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Sonstige Grundgrenzen dürfen, wenn der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt, durch volle Wände abgeschlossen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die Auffassung der Verwaltungsbehörden, daß die angebrachte Plakatfläche als Einfriedung im Sinne des § 86 BO zu beurteilen ist, ist sie doch, wie der Einreichplan eindeutig erkennen läßt, unmittelbar auf die bestehende Einfriedung aufgesetzt worden. Wenngleich die Plakatfläche eine Höhe von 2,60 m aufweist, sind auch im Einreichplan Gesamthöhen der Einfriedung mit 3,52 m bzw. 3,83 m kotiert, sodaß die Verwaltungsbehörden zu Recht davon ausgingen, daß die nach § 86 Abs. 2 BO maximal zulässige Höhe von 2,50 m überragt wird. Darüberhinaus hat bereits die Baubehörde erster Instanz zur Frage, ob durch die Plakattafel das örtliche Stadtbild beeinträchtigt wird und sohin eine Ausnahme nach § 86 Abs. 3 BO jedenfalls nicht zulässig ist, das Gutachten eines technischen Amtssachverständigen der Architekturabteilung des Wiener Magistrats eingeholt. Dieses Gutachten beurteilten die Verwaltungsbehörden entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin als ausreichend und schlüssig. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht.

Wenn die Beschwerdeführerin dem Sachverständigen vorwirft, er sei objektiv unrichtig von einer Plakatfläche in einer Höhe von insgesamt 3,80 m ausgegangen, so trifft dies für die Plakatfläche zwar zu, doch hat der Sachverständige zu Recht die bereits bestehende Einfriedung mitberücksichtigt, wodurch sich in tatsächlicher Hinsicht eine zum Teil sogar über 3,80 m hohe Wandfläche ergibt, wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung festgestellt worden ist. Da das Sachverständigengutachten eindeutig erkennen läßt, von welchen Voraussetzungen der Sachverständige ausgegangen ist, kann die irrtümliche Bezeichnung als 3,80 m hohe Plakatwand als kein wesentlicher Mangel des Gutachtens beurteilt werden.

Soweit die Beschwerdeführerin die Ansicht vertritt, im Hinblick auf die gegebene Böschung und den Baumbestand auf der Liegenschaft könne der baurechtlich als Vorgarten zu bezeichnende Teil der Liegenschaft optisch nicht als Vorgarten beurteilt werden, übersieht sie, daß der Gesetzgeber auf die Tiefe des Vorgartens schlechtweg den freien Durchblick als erforderlich ansah, was der Sachverständige in seinem Gutachten zutreffend hervorgehoben hat. Daß aber der Sachverständige die tatsächlichen Verhältnisse bezüglich der Böschung mit dichtem und hohem Baumbestand richtig beschrieben hat, bestreitet auch die Beschwerdeführerin nicht. Eine nähere Beschreibung der örtlichen Verhältnisse war nicht erforderlich, zumal die Beschwerdeführerin selbst mit dem von ihr vorgelegten Foto die gegebenen Verhältnisse ausreichend dokumentiert hat. Gerade dieses Foto bezeugt auch, daß der Sachverständige zutreffend davon ausgegangen ist, daß die gegebene Plakatwand im Verhältnis zu den übrigen Einfriedungen deutlich überhöht ist und optisch dominant in Erscheinung tritt. Schon im Hinblick auf diese Feststellungen hat der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die abschließende Beurteilung des Sachverständigen, daß durch die Werbefläche das örtliche Stadtbild beeinträchtigt wird, mögen auch sonstige Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten hinsichtlich der Wortwahl einer Kritik zugänglich sein. Da sohin die belangte Behörde aufgrund des Gutachtens annehmen durfte, daß durch das Vorhaben der Beschwerdeführerin das örtliche Stadtbild beeinträchtigt wird, lagen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 86 Abs. 3 BO nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin argumentiert, daß durch die Plakatwand auch ein wünschenswerter Schallschutz gegeben sei, hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht darauf hingewiesen, daß Voraussetzung für eine Ausnahme gemäß § 86 Abs. 3 BO nur der Umstand ist, daß das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Auch mit diesem Argument konnte sohin die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dartun.

Abschließend bringt die Beschwerdeführerin noch vor, daß "die Bezirksvorstehung" dem Bauvorhaben zugestimmt habe und die Bezirksvorstehung schließlich das demokratisch legitimierte Organ sei, das die öffentlichen Interessen des Bezirkes repräsentiere. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte die belangte Behörde darüber in der Begründung des Bescheides nicht kommentarlos hinweggehen und nicht entgegen der Meinung der Bezirksvorstehung öffentliche Interessen, nämlich die Erhaltung eines einheitlichen örtlichen Stadtbildes, als verletzt beurteilen dürfen.

Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzustellen, daß der Vertreter des Bezirkes anläßlich der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz erklärt hat, daß gegen die Weiterbelassung der Plakatwand keine Einwände bestünden, da nach Meinung der Bezirksvorstehung die Plakatwand im Ortsbild keinen störenden Faktor darstelle und überdies auch dem Lärmschutz diene. Was das letztgenannte Argument betrifft, wurde schon ausgeführt, daß es nach der hier maßgeblichen Rechtslage ausschließlich darauf ankommt, ob das örtliche Stadtbild beeinträchtigt wird oder nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Frage, ob ein Vorhaben das Ortsbild (örtliche Stadtbild) beeinträchtigt oder nicht, Gegenstand des Beweises durch einen Sachverständigen, der aufgrund seines Fachwissens zu dieser Frage ein Gutachten abzugeben hat (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1966, Slg. N.F. Nr. 7008/A, vom 28. April 1988, Zl. 87/06/0120, BauSlg. Nr. 1113, u.a.). Durch die Meinung eines Vertreters des Bezirkes, mag auch dieser ein demokratisch legitimiertes Organ sein, konnte sohin das von der Baubehörde erster Instanz eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen nicht widerlegt werden. Zu Recht hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift betont, daß der ohne jegliche weitere Begründung abgegebenen Aussage "der Bezirksvertretung", daß nach ihrer Meinung die Plakatwand keinen störenden Faktor im Ortsbild darstelle, das ausführliche und widerspruchsfreie Gutachten des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 19 gegenüberstehe. Die Zustimmung der "Bezirksvorstehung" zum Bauvorhaben könnte daher an der Ansicht der belangten Behörde nichts ändern. Wenngleich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend Zustimmung des Vertreters des Bezirkes nicht eingegangen ist, sondern nur ganz allgemein feststellte, daß die übrigen Ausführungen in der Berufung rechtlich irrelevant sind, so ist darin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften zu erblicken, die eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich ziehen könnte, weil nach der gegebenen Rechtslage die Ausführungen eines Vertreters des Bezirkes tatsächlich "rechtlich irrelevant" sind. Das von der Behörde eingeholte Gutachten eines Amtssachverständigen konnte daher durch die nicht näher begründete Auffassung eines Vertreters des Bezirkes nicht widerlegt werden, auf gleicher fachlicher Ebene, etwa durch Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen, ist aber die Beschwerdeführerin dem Gutachten des Sachverständigen nicht entgegengetreten. Da dieses Gutachten einen ausreichenden Befund enthält und zutreffend als schlüssig beurteilt werden konnte, hat die belangte Behörde keine Verfahrensvorschriften verletzt, wenn sie dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat.

Aufgrund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietVerhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildGutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050093.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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