TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/17 91/08/0024

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §355;
ASVG §357;
ASVG §413;
ASVG §415;
AVG §38;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. Mai 1990, Zl. IVb-69-30/1989, betreffend die Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Verein L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seinen Beschluß vom 13. November 1990, Zl. 90/08/0169, 0170, aus dem sich folgendes ergibt:

Die Beschwerdeführerin stellte mit Bescheid vom 14. Juni 1989 zu Spruchpunkt I. fest, daß die in diesem Bescheid genannten Personen in den dort ausgewiesenen Zeiträumen aufgrund ihrer Beschäftigung in einem die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sind. Der vom Dienstgeber (der mitbeteiligten Partei) gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1990 abgewiesen. Dieser Bescheid der belangten Behörde erwuchs in Rechtskraft.

Mit Spruchpunkt II. und III. des Bescheides der Beschwerdeführerin vom 14. Juni 1989 wurden dem Dienstgeber für diese Dienstnehmer und Beitragszeiträume Beiträge und Verzugszinsen nachverrechnet. Auch gegen diesen Teil des Bescheides der Beschwerdeführerin hat die mitbeteiligte Partei Einspruch erhoben. Nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides betreffend die Versicherungspflicht vom 25. April 1990 entschied die belangte Behörde über den gegen die Beitragsnachverrechnung erhobenen Einspruch mit Bescheid vom 29. Mai 1990 wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird dem Einspruch Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Punkte II. und III. behoben."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß die Feststellung einer Beitragsverpflichtung die Feststellung des Bestehens der Versicherungspflicht der vom Dienstgeber beschäftigten Arbeitnehmer zur Voraussetzung habe; dann heißt es in dieser Begründung wörtlich:

    "Der Bescheid ... hinsichtlich der Feststellung der

Versicherungspflicht der in diesem Bescheid angeführten

Personen in den dort ausgewiesenen Zeiträumen gemäß § 4 Abs. 1

Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG ... wurde mit Bescheid des

Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. April 1990 ...

behoben. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Mangels

Vorliegen einer Versicherungspflicht der darin angeführten

Personen aufgrund ihrer Tätigkeit ... war daher spruchgemäß zu

entscheiden."

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 7. Juni 1990 zugestellt. Innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist, nämlich am 20. Juni 1990, wurde der Beschwerdeführerin der Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1990 zugestellt. Dieser Bescheid enthielt folgenden Spruch:

"Gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 wird der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. Mai 1990 ... dahingehend berichtigt, daß gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dem Einspruch keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Punkte II. und III. bestätigt wird."

In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde aus, der Bescheid vom 29. Mai 1990 (mit welchem der Beitragsbescheid der Beschwerdeführerin mangels Versicherungspflicht der Dienstnehmer aufgehoben worden ist) sei irrtümlich ergangen: Im Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1990 sei die Versicherungspflicht der Dienstnehmer bejaht (und nicht verneint) und der Inhalt dieses Bescheides im Bescheid vom 29. Mai 1990 (über die Beitragspflicht) daher unrichtig wiedergegeben worden. Es handle sich um eine offenkundige Unrichtigkeit, die von den Personen, für die der Bescheid bestimmt gewesen sei, habe erkannt werden können (woraus die belangte Behörde die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG 1950 ableitete).

Gegen diesen Berichtigungsbescheid erhob die mitbeteiligte Partei die zu hg. Zl. 90/08/0136 protokollierte Beschwerde; mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1990 hat der Verwaltungsgerichtshof in Stattgebung dieser Beschwerde den Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 30. Jänner 1991 zugestellt.

Mit einem (gemäß § 46 Abs. 3 VwGG fristgerecht) am 11. Februar 1991 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin, ihr gegen die Versäumung der Beschwerdefrist hinsichtlich des oben erwähnten Bescheides der belangten Behörde vom 29. Mai 1990 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und erhob gegen diesen Bescheid gleichzeitig die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Mit Beschluß vom 5. März 1991, WE 91/08/0023, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG stattgegeben.

In der Folge hat die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie einräumt, daß - irrtümlich - der angefochtene Bescheid entgegen dem "tatsächlichen Willen" der belangten Behörde und entgegen der gegebenen Aktenlage ergangen sei.

Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Versicherungspflicht im Sinne des § 4 ASVG steht zur Beitragspflicht im Verhältnis der Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Die belangte Behörde war nicht erst ab Eintritt der Rechtskraft, sondern bereits mit der Erlassung des über die Versicherungspflicht ergangenen Bescheides an diesen gebunden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0332, und vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0186). Der angefochtene Bescheid ist daher schon deshalb rechtswidrig, weil er in Verletzung dieser Bindung ergangen ist, ohne daß die von der mitbeteiligten Partei in deren Gegenschrift aufgeworfene Frage, ob ihr der Bescheid der belangten Behörde über die Versicherungspflicht wirksam zugestellt worden sei, erörtert werden muß: Dieser Bescheid wurde jedenfalls der Beschwerdeführerin wirksam zustellt und damit erlassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1969, Slg. Nr. 7667/A, und vom 16. Dezember 1982, Zl. 08/2264/80).

Die belangte Behörde wird allerdings im fortgesetzten Verfahren unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Einwände der mitbeteiligten Partei (eines Vereins) zweifelsfrei zu klären haben, wo sich deren Sitz bzw. der Wohnort jener Person befindet, die zur Vertretung des Vereins nach außen den Statuten gemäß berufen ist, um die Frage, wo und wem zuzustellen ist, im Sinne des § 4 in Verbindung mit § 13 des Zustellgesetzes verläßlich beantworten zu können.

Gegebenenfalls könnte die belangte Behörde auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, der mitbeteiligten Partei die Namhaftmachung eines im Inland wohnenden Zustellungsbevollmächtigten im Sinne des § 10 Zustellgesetz aufzutragen.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991080024.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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