Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des O R in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Oktober 1990, Zl. 4.235.953/2-III/13/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 10. Jänner 1988 in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. Jänner 1988 nach seiner Rückstellung an der Grenze der BRD einen Antrag Auf Asylgewährung. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 21. Jänner 1988 machte der Beschwerdeführer geltend, er habe in seinem Heimatland studieren wollen. Dies wäre aber nur möglich gewesen, wenn er zuvor fünf bis sechs Jahre Militärdienst geleistet hätte. Dies habe der Beschwerdeführer abgelehnt, weil er nicht gewillt gewesen sei, gegen seine Glaubensbrüder zu kämpfen. Er habe sich daher zum Verlassen seines Heimatlandes entschlossen.
Mit Bescheid vom 18. April 1988 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, man habe ihn schon während seines Schulbesuches zwingen wollen, zum Militär zu gehen. Er habe dies abgelehnt, weil er der Auffassung gewesen sei, daß Streitigkeiten auf friedlichem Wege gelöst werden müßten. Verwandte des Beschwerdeführers seien durch russische Bomben umgekommen, ein Cousin des Beschwerdeführers sei eingesperrt worden und ihm selbst hätte ebenfalls die Inhaftierung oder sogar der Tod wegen Wehrdienstverweigerung gedroht. Es sei für einen jungen Mann unmöglich, im russisch besetzten Kabul zu leben und "alles stillschweigend zu erdulden".
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer habe wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Insbesondere könnten weder die dem Beschwerdeführer bevorstehende Einberufung zum Militärdienst noch die wegen der Militärdienstverweigerung drohende Bestrafung als Fluchtgründe im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit seinem Berufungsvorbringen ausreichend auseinanderzusetzen und ihm entsprechende Anleitungen zu geben. Der zu absolvierende Militärdienst hätte es unter den besonderen Verhältnissen in Afghanistan mit sich gebracht, daß der Beschwerdeführer gezwungen gewesen wäre, gegen seine eigenen Landsleute vorzugehen. Außerdem habe die belangte Behörde ihre Entscheidung unzulässigerweise unter Heranziehung ausländischer Rechtssprechung begründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgeseztes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß die Furcht des Beschwerdeführers vor seiner Einberufung zum Militärdienst bzw. vor Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung nicht als wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen werden könne. Mit dieser Rechtsansicht befindet sich die belangte Behörde im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der bereits zu wiederholten Malen ausgesprochen hat, daß die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst (mag dieser z.B. auch aus religiösen Gründen abgelehnt werden) ebensowenig einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellen wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen) auch strengen Bestrafung. Auch die Tatsache, daß im Heimatland des Asylwerbers ein Wehrersatzdienst bzw. Zivildienst nicht eingerichtet ist, rechtfertigt seine Anerkennung als Flüchtling nicht (vgl. Steiner, Österreichsiches Asylrecht, Wien 1990, S 32 und die dort zitierte Judikatur). Die belangte Behörde hat somit zu Recht das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht geeignet erachtet, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.
Zu der vom Beschwerdeführer gerügten Unterlassung einer "Anleitung" durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgeführt, daß es nicht Aufgabe der Berufungsbehörde ist, Asylwerbern Unterweisungen darüber zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe sie anzugeben haben, damit ihrem Verlangen auf Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden kann (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1989, Zl. 89/01/0082). Eine Verletzung der Manuduktionspflicht kann somit im Vorgehen der belangten Behörde nicht erblickt werden.
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß eine für den österreichischen Rechtsbereich bindende Kraft aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Entscheidungen ausländischer, mit Asylangelegenheiten befaßter Stellen nicht abgeleitet werden kann. Da der angefochtene Bescheid aber insgesamt eine schlüssige und mit der österreichischen Rechtsordnung im Einklang stehende Begründung aufweist, kann aus diesem Vorbringen für die Beschwerde nichts gewonnen werden.
Die sohin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010038.X00Im RIS seit
18.09.1991