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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des Josef L in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. März 1991, Zl. MA 61/IV-L 54/90, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1938 geborene Beschwerdeführer - ein deutscher Staatsangehöriger - suchte mit Eingabe vom 3. April 1990 um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen gemäß § 11a in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 8 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, ab. In der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus: Der Beschwerdeführer sei seit 1979 mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die seit 1969 die Staatsbürgerschaft besitze, verheiratet. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 11a Z. 4 b leg. cit. vor. Der Beschwerdeführer habe somit einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, sofern die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 leg. cit. erfüllt seien. Im Zuge der durchgeführten Erhebungen habe sich ergeben, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland steckbrieflich gesucht werde. Es werde ihm vorgeworfen, in den Jahren 1984 bis 1986 Einkommenssteuer in der Höhe von 535.796 DM und in den Jahren 1982 bis 1988 Vermögensteuer in der Höhe von 312.495 DM hinterzogen zu haben.
Nach Wiedergabe des § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG führte die belangte Behörde aus, unter "Beziehung" werde man jegliche Verbindung des Bewerbers zu einem anderen Staat verstehen müssen, auch wenn er durch seine gegen diesen Staat gerichteten Handlungen bzw. Unterlassungen in diesen besonderen Kontakt getreten sei. Gegen den Beschwerdeführer sei in der Bundesrepublik Anklage wegen der genannten Straftaten erhoben worden. Das Verfahren könne nicht weiter betrieben werden, da der Beschwerdeführer flüchtig sei und eine Auslieferung aus Österreich beim Delikt der Steuerhinterziehung nicht erfolgreich betrieben werden könne. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II wäre eine Strafverfolgung des Beschwerdeführers wohl endgültig hinfällig, sollte ihm die angestrebte österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden. Unter den gegebenen Umständen könnte eine Einbürgerung des Beschwerdeführers sowohl das Interesse der Republik Österreich - gesehen in der Aufrechterhaltung guter nachbarschaftlicher Beziehungen zur Bundesrepublik - schädigen als auch das Ansehen der Republik durch eine nicht auszuschließende Kritik an Österreich in der Öffentlichkeit negativ beeinträchtigen. Jedenfalls müsse in der Tatsache eines anhängigen Gerichtsverfahrens im derzeitigen Heimatstaat des Beschwerdeführers und dem Umstand, daß sich der Beschwerdeführer dieser Strafverfolgung zu entziehen trachte, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, daß dies vor allem durch den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft erleichtert werden solle, eine Konstellation von Umständen erblickt werden, welche nicht geeignet sei, die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG als gegeben zu erachten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 11a Z. 4 b StbG ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn sein Ehegatte Staatsbürger ist und wenn die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen Staatsbürger ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 8 leg. cit. kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde.
Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer nur dann einen Anspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft besitzt, wenn er im vorliegenden Fall unter anderem auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG erfüllt. Für eine Ermessensentscheidung ist daher kein Raum. Aus dem angefochtenen Bescheid ist auch nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen geübt hätte; die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen über das Ermessen sind daher nicht verständlich.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie erweitere die Negativvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 3 b StbG wesentlich, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese gesetzliche Bestimmung die belangte Behörde nicht zur Abweisung des Ansuchens des Beschwerdeführers herangezogen hat; es erübrigt sich daher auch im einzelnen auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen einzugehen.
Zu prüfen bleibt allein, ob die belangte Behörde zu Recht aus den Tatsachen der steckbrieflichen Suche nach dem Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat und der erhobenen Anklage wegen Steuerhinterziehung in der Höhe von insgesamt
848.291 DM den Schluß ziehen durfte, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen und das Ansehen der Republik schädigen würde. Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß der Beschwerdeführer dadurch, daß er steckbrieflich gesucht wird und infolge der erhobenen Anklage wegen eines keineswegs geringfügigen Wirtschaftsdeliktes in einer dem Gesetz entsprechenden Beziehung zu seinem Heimatland steht. Daß bei einer solchen Sachlage die Verleihung der Staatsbürgerschaft durchaus geeignet ist, insbesondere das Ansehen der Republik zu schädigen, ist naheliegend, weil einerseits damit der Verhinderung einer Strafverfolgung Vorschub geleistet werden kann und andererseits das Verhalten des Beschwerdeführers allzu sehr bagatellisiert wird, sodaß der Eindruck entstehen kann, die Republik lege der Beachtung der Steuergesetzgebung des Heimatstaates des Beschwerdeführers keinen besonderen Wert bei. Die belangte Behörde hat daher zutreffend erkannt, daß die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG nicht gegeben ist.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010082.X00Im RIS seit
18.09.1991