TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/18 91/03/0120

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §32 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Rolf H in W, vertreten durch die zur Verfahrenshilfe bestellte Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. Februar 1991, Zl. IIb2-V-7433/11-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf das hg. aufhebende Erkenntnis vom 24. Oktober 1990, Zl. 89/03/0238, wird hingewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsrechtszug schuldig erkannt, er habe sich am 5. Dezember 1988 gegen 03.45 Uhr am bezeichneten Gendarmerieposten gegenüber einem von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, indem er den Alkomaten nicht ordnungsgemäß beatmet habe, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich beim Lenken des dem Kennzeichen nach bestimmten PKW's am 5. Dezember 1988 gegen 03.20 Uhr an der näher bezeichneten Straßenstelle in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 99 Abs. 1 lit.b StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs. 1 lit.b StVO wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 29. Juli 1991 erstattete der Beschwerdeführer eine Gegenäußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 31 Abs. 1 VStG 1950 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 32 Abs. 2 leg.cit., abgesehen von im gegebenen Zusammenhang nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen, sechs Monate. Gemäß § 32 Abs. 1 VStG 1950 ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Nach der Anordnung des § 32 Abs. 2 VStG 1950 ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht hat oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

§ 32 Abs. 2 VStG 1950 stellt auf Amtshandlungen ab, die eine Behörde gegen eine Person als Beschuldigten gerichtet hat. Die Worte "gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten" schließen nach der Definition des § 32 Abs. 1 VStG 1950 in sich, daß die gegen die betreffende Person gerichtete Amtshandlung eine bestimmte Verwaltungsübertretung (oder mehrere bestimmte Verwaltungsübertretungen) zum Gegenstand hat. Insofern muß sich die Amtshandlung auf alle einer späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen. Wird einer Person (oder ihrem Vertreter) der Inhalt eines in Ansehung einer Verwaltungsübertretung (oder mehrerer Verwaltungsübertretungen) angelegten Aktes mit der Aufforderung zur Abgabe einer Rechtfertigung als Beschuldigter zur Kenntnis gebracht und ist (sind) in der solcherart zur Kenntnis gebrachten Anzeige die Tat (die Taten) hinsichtlich aller, einer späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben, so stellt das Zur-Kenntnis-Bringen des Akteninhaltes mit der Aufforderung zur Rechtfertigung eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 dar (siehe hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A).

Im vorliegenden Fall wurde in der gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeige vom 5. Dezember 1988 die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt dargestellt und in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß der Beschwerdeführer den dem Kennzeichen nach bestimmten PKW am 5. Dezember 1988 um 03.20 Uhr an der näher bezeichneten Straßenstelle gelenkt habe, und daß sich sofort bei der ersten Kontaktnahme des Meldungslegers mit dem Beschwerdeführer "der Verdacht auf eine offensichtliche Alkoholisierung" ergeben habe, da der Beschwerdeführer stark gerötete Bindehäute gehabt habe, seine Atemluft stark nach Alkohol gerochen habe und er zudem stark hin und her geschwankt habe. In Ansehung der im Schriftsatz vom 29. Juli 1991 vertretenen Auffassung, es sei lediglich Anzeige "wegen § 5 StVO" erstattet worden, ist festzuhalten, daß der Inhalt der Anzeige vom 5. Dezember 1988, klar einen den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit.b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO konkretisierenden Sachverhalt zur Darstellung bringt. Am 9. Jänner 1989 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift über die Vernehmung als Beschuldigter aufgenommen, in welcher einleitend protokolliert wurde, daß dem Beschwerdeführer die Anzeige vom 5. Dezember 1988 vorgehalten worden sei und daß er "dazu" folgendes angegeben habe. Im Hinblick auf die Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde verdient festgehalten zu werden, daß der vorstehend aus dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A, zitierte Rechtssatz eine Umschreibung des normativen Gehaltes u.a. der Bestimmung des § 32 Abs. 2 VStG 1950 darstellt. Unter dem Blickwinkel dieser Gesetzesbestimmung vermag der Verwaltungsgerichtshof keinen Unterschied zwischen dem Zur-Kenntnis-Bringen, wie der betreffende Vorgang im zitierten hg. Erkenntnis bezeichnet wurde, und dem Vorhalten einer Anzeige im Sinne der Wortwahl in der Niederschrift vom 9. Jänner 1989 zu erkennen. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung wurde mit den einleitenden Worten in der Niederschrift vom 9. Jänner 1989 somit zum Ausdruck gebracht, daß die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt im Sinne der Anzeige vom 5. Dezember 1988 einschließlich der dort dargestellten Sachverhaltselemente der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers und der auf den Lenkzeitpunkt bezogenen Vermutung der Beeinträchtigung durch Alkohol von der Erstbehörde zum Gegenstand der Strafverfolgung gemacht wurde, in deren Rahmen der Beschwerdeführer als Beschuldigter am 9. Jänner 1989 einvernommen wurde. Mit den in der "Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten" vom 9. Jänner 1989 verwendeten einleitenden Worten "mir wird die Anzeige vom 5.12.1988 vorgehalten" wurde hinlänglich zum Ausdruck gebracht, daß der in der Anzeige enthaltene strafrechtliche Vorwurf hinsichtlich aller dort angeführten Sachverhaltselemente zum Gegenstand der Verfolgungshandlung gemacht wurde. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Anzeige auch für das Führerscheinentzugsverfahren erstattet wurde, zumal die Anzeige auch insofern an den gegenständlichen strafrechtlichen Vorwurf anknüpfte. Ergänzend sei vermerkt, daß sich aus der in der Niederschrift festgehaltenen Verantwortung des Beschwerdeführers, welcher auf seinen Alkoholkonsum in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1988 und auf die Frage seiner nachfolgenden Fahrtauglichkeit bezug nahm, ergibt, daß der Beschwerdeführer die gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung auch in den Sinn verstanden hatte, daß sie alle in Rede stehenden Sachverhaltselemente erfaßt habe. Der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist im Sinne des § 31 VStG 1950 wurde somit - spätestens - mit dieser Einvernahme unterbrochen.

2. In Ansehung der Vermutung der Beeinträchtigung durch Alkohol zum Zeitpunkt des Lenkens waren die Wahrnehmungen, die der Meldungsleger anläßlich der Anhaltung des Beschwerdeführers gemacht hatte, der maßgebende Sachverhalt. Aus der Aktenlage ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Arzt, den der Beschwerdeführer nach der Amtshandlung privat aufgesucht hatte, in Ansehung der Frage, wie der Zustand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Anhaltung beschaffen gewesen sei und inwiefern er damals eine Beeinträchtigung durch Alkohol habe vermuten lassen, eine für die Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes in Betracht kommende Beweisaussage ablegen hätte können. Darin, daß dieser Arzt nicht als Zeuge einvernommen wurde, liegt somit kein Verfahrensmangel.

3. Daß in Ansehung der Amtshandlung am Gendarmerieposten weitere Beweismittel zur Verfügung gestanden wären, die von der Behörde aufzunehmen gewesen wären, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Daß die belangte Behörde den maßgebenden Sachverhalt entsprechend den Zeugenaussagen des Meldungslegers und des zweiten bei der Amtshandlung am Gendarmerieposten anwesenden Beamten feststellte, vermag der Verwaltungsgerichtshof - insbesondere auch unter Bedachtnahme auf den vom Beschwerdeführer nach der Amtshandlung aufgenommenen privaten Arztkontakt - nicht als unschlüssig zu erkennen. Darin, daß die belangte Behörde hinsichtlich der Anzeige auf dem Meßgerät lediglich ausführte, bei jedem Versuch des Beschwerdeführers sei das Wort "Time" erschienen, liegt kein wesentlicher Begründungsmangel. Im Sinne der Zeugenaussage vom 15. März 1989 bedeutete das - von der Behörde nicht erwähnte - Wort "Volumen", daß zu wenig Luft hineingeblasen wurde. Das dem Beschwerdeführer im Spruch (§ 44a lit.a VStG 1950) zum Vorwurf gemachte Tatverhalten lautete auf die Verweigerung der Untersuchung; für die Erfüllung des Tatbestandes der Verwaltungsübertretung war es rechtlich nicht relevant, ob zu wenig Luft oder ob Luft nur zu kurz in das Gerät geblasen wurde. Dafür, daß dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, wie er in der vorliegenden Beschwerde meint, zugute zu halten gewesen wäre, daß er nicht in der Lage gewesen wäre, das benötigte Luftvolumen in den Alkomaten zu blasen, bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte.

4. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991030120.X00

Im RIS seit

18.09.1991

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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