TE Vfgh Beschluss 1988/12/3 V87/88

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Veröffentlicht am 03.12.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Georgen/Gusen vom 14. Oktober 1986, soweit er für ein im Eigentum der ASt. stehendes Grundstück eine von der bisherigen Nutzungsart verschiedene Widmung festlegt; keine Darlegung solcher Wirkungen, die eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre der ASt. mit sich brächten; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller begehren gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde St. Georgen an der Gusen vom 14. Oktober 1986, soweit er die im Eigentum der Antragsteller stehende Liegenschaft Nr. ..., EZ ..., KG St. Georgen an der Gusen betrifft.

Im Antrag wird ausgeführt, die Antragsteller betrieben seit dem Jahre 1961 auf dem Grundstück Nr. ... eine Bau- und Möbeltischlerei sowie einen Möbelhandel. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Tischlerei hätten sich in der Umgebung um das Betriebsgrundstück auf der Ost- und Südseite Eigenheime mit ausreichenden Abständen zum Grundstück der Antragsteller befunden, sodaß eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch den Betriebslärm des Unternehmens der Antragsteller nicht anzunehmen gewesen sei. Unter Mißachtung dieser Verwendung des Grundstückes habe der Gemeinderat mit dem Flächenwidmungsplan Nr. 1/1977 das Grundstück als Wohngebiet gewidmet. In der Folge hätten die Antragsteller versucht, eine Umwidmung des gesamten Betriebsgrundstückes in eine der tatsächlichen Nutzung entsprechende Widmungskategorie zu erwirken.

Im Flächenwidmungsplan vom 14. Oktober 1986 habe der Gemeinderat eine "geteilte" Widmung des Grundstückes Nr. 120/3 dahingehend beschlossen, daß der östliche Teil dieses Grundstückes (in Richtung zur Bundesstraße B 3 gelegen) als gemischtes Baugebiet, der westliche Teil des Betriebsgrundstückes jedoch "völlig sinnwidrig" als Wohngebiet gewidmet worden sei.

Das bezughabende Grundstück werde seit Jahrzehnten zur Gänze gewerblich genutzt. Der nunmehr als Wohngebiet gewidmete Teil des Grundstückes sei für die Ausübung der Gewerbeberechtigung und den ordnungsgemäßen Betrieb der Tischlerei dringend und unbedingt erforderlich. Die Antragsteller benötigten diesen Teil des Grundstückes zum Umkehren von LKW, zum Abladen von Rohmaterial, zur Durchführung von Aufteilungsarbeiten usw. Die derzeitige Widmung trage der seit Jahrzehnten bestehenden Nutzungssituation nicht Rechnung. Dies widerspreche den einschlägigen Bestimmungen des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes. Es fehle jedwede sachliche Rechtfertigung, einen Teil des Grundstückes als Wohngebiet zu widmen. Das gesamte Grundstück hätte vielmehr einheitlich als Betriebsbaugebiet gewidmet werden müssen, um der bestehenden Nutzungssituation Rechnung zu tragen.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat die bezughabenden Verordnungsakten sowie eine Stellungnahme der Marktgemeinde St. Georgen an der Gusen vorgelegt und in einer Äußerung die Abweisung des Antrages begehrt.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Im Antrag wird zu dessen Zulässigkeit (lediglich) folgendes ausgeführt:

"Der angefochtene Flächenwidmungsplan ist für uns unmittelbar ohne Erlassung eines Bescheides oder Urteiles rechtswirksam geworden und verletzt uns direkt in unseren subjektiven Rechten. Es ist uns auch nicht möglich, eine Überprüfung der Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens oder gerichtlichen Verfahrens herbeizuführen, zumal hinsichtlich unseres Gewerbebetriebes seit mehreren Jahren kein gewerberechtliches Verfahren anhängig ist, in dem die streitgegenständliche Widmung präjudiziell wäre. Die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den gegenständlichen Verordnungsprüfungsantrag sind daher erfüllt."

2. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der VfGH vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985).

Die Antragsteller bringen nicht vor, daß sie nunmehr auf dem als Wohngebiet gewidmeten Teil ihrer Liegenschaft ein Bauwerk (etwa ein Betriebsgebäude) errichten wollen. Im Antrag wird vielmehr ganz allgemein ausgeführt, der nunmehr als Wohngebiet gewidmete Teil des Grundstückes sei für die Antragsteller zur Ausübung ihrer Gewerbeberechtigung und zum ordnungsgemäßen Betrieb der Tischlerei dringend und unbedingt erforderlich. Insbesondere benötigten die Antragsteller diesen Teil des Grundstückes zum Umkehren der LKWs, zum Abladen von Rohmaterial und zur Durchführung von Aufteilungsarbeiten; im übrigen würden die Maschinen über das hintere Tor des Betriebsgebäudes abgeladen.

Mit diesem Vorbringen wird aber keineswegs dargetan, daß die Antragsteller infolge der Widmung Wohngebiet an der im Antrag umschriebenen derzeitigen Nutzung des Grundstückes konkret gehindert wären. Die Antragsteller haben insbesondere nicht ausgeführt, aufgrund welcher spezifischen Umstände die bekämpfte Widmung bewirken soll, daß sie das Grundstück nicht mehr wie bisher nutzen können bzw. welche künftig beabsichtigte Nutzung mit der Widmung Wohngebiet nicht in Einklang steht. Die Antragsteller haben somit keine Wirkungen der bekämpften V dargetan, welche eine unmittelbare Beeinträchtigung in die Rechtssphäre der Antragsteller mit sich brächten.

3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragsteller gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V87.1988

Dokumentnummer

JFT_10118797_88V00087_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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