TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/18 91/01/0054

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftfüherin Mag. Pichler, über die Beschwerde des Osman S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. November 1990, Zl. 4.291.210/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1960 geborene Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität - reiste erstmals am 10. Oktober 1987 in das Bundesgebiet ein und kehrte im Dezember 1988 in sein Heimatland zurück. Nach einem 24tägigen Aufenthalt reiste er abermals am 19. Jänner 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte mit Schreiben vom 2. November 1989, zur Post gegeben am 13. November 1989, Asylantrag. Darin führte er aus, er habe während seines Aufenthalts in Istanbul erfahren, daß die Sicherheitsbehörden ihn seit 1980 in seinem Geburtsort suchten. So sei er nicht in seinen Geburtsort gefahren. Er habe sich kurze Zeit in Istanbul aufgehalten und sei wieder nach Österreich zurückgekehrt. Neuerlich habe er von seinem Vater einen Brief erhalten, in dem stehe, daß er nicht in die Türkei kommen solle.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 20. Dezember 1989 führte der Beschwerdeführer aus, er habe als Sympathisant der Gruppe "Befreiung des Volkes" am 1. Mai 1977 an einer Demonstration in Istanbul teilgenommen, bei der er festgenommen worden sei; 45 Tage sei er inhaftiert gewesen. Ein Gerichtsurteil habe er nicht erhalten. Er betrachte sich daher als vorbestraft. Schon 1975 sei er von einem Militärgericht wegen Teilnahme an einer verbotenen Demonstration verurteilt worden. Im September 1978 habe er an einem Raufhandel zwischen links- und rechtsgerichteten Freunden teilgenommen und sei dann 28 Tage inhaftiert gewesen. Zu einer Verurteilung sei es jedoch nicht gekommen. Während dieser Untersuchungshaft sei er zahlreichen Verhören unterzogen und geschlagen worden. Während seines ersten Aufenthaltes in Wien habe er an einem Hungerstreik in der Opernpassage teilgenommen. Dieser sei von der türkischen Botschaft fotografiert worden. Seinem Vater habe man Fotos davon mit seinem Bild gezeigt und gefragt, ob dies sein Sohn sei. Sein Vater habe dies bejaht und sei sodann gefoltert worden. Aus diesem Grunde sei er 1988 in sein Heimatland gereist und habe seinen Vater in seinem Geburtsort besucht. Sodann sei er zu seiner Frau und zu seinem Kind nach Izmir gefahren, wo er sich 9 bis 10 Tage aufgehalten habe. Anschließend sei er nach Österreich zurückgekehrt.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Februar 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung berufen, die Volksgruppe der Kurden würde in seinem Heimatstaat von der türkischen Mehrheit unterdrückt und systematisch verfolgt. Der Beschwerdeführer sei durch die geschilderten Maßnahmen davon konkret betroffen; er sei nämlich festgenommen und während der Inhaftierung mißhandelt worden, obwohl er nicht Angehöriger einer Separatistenorganisation oder

bewegung sei. Daraus erhelle, daß es gerade ethnische, rassische oder politische Gründe seien, aus welchen die Verfolgung gegen den Beschwerdeführer resultiere.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des wesentlichen Vorbringens des Beschwerdeführers ausgeführt, die allgemein gehaltenen Angaben in der Berufung, die Kurden würden in der Türkei verfolgt und unterdrückt, vermögen die Voraussetzung für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich in der Türkei massiven Nachteilen ausgesetzt gewesen, so wäre er nicht im Dezember 1988 freiwillig in die Türkei gereist. Auch sei ihm im Jänner 1989 eine neuerliche problemlose Ausreise aus der Türkei möglich gewesen. Dies stelle ein deutliches Indiz dafür dar, daß man kein Interesse an der Verfolgung seiner Person gehabt habe. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Verurteilungen aus den Jahren 1975 und 1977 wiesen keinen zeitlichen Bezug zu seiner Ausreise auf. Zur Untersuchungshaft im Jahre 1978 sei festzustellen, daß diese Maßnahme der Beweissicherung diene und das Delikt des Raufhandels in jedem Staat strafbar sei. Eine Verfolgung aus Gründen der Konvention lasse sich daraus nicht ableiten. Dem Beschwerdeführer sei es im gesamten Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen, konkrete Verfolgungen seiner Person aus einem der in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände darzutun. Daher sei nicht davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde. Eine Indiz dafür, daß er in der Türkei keinen Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, sei der Umstand, daß er im Mai 1989 bei der türkischen Vertretungsbehörde die Verlängerung seines nationalen Reisepasses beantragt habe und diesem Antrag auch entsprochen worden sei. Überdies habe er selbst nach Kenntnis des Schreibens seines Vaters nicht unverzüglich, sondern erst nach wenigen Wochen einen Antrag auf Gewährung des Asylrechtes eingebracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten hat, aus seiner Zugehörigkeit zur in der Türkei lebenden kurdischen Volksgruppe allein könne auf das Vorliegen von Verfolgung geschlossen werden, hat ihm die belangte Behörde zu Recht entgegengehalten, daß die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein noch keinen Grund für die Anerkennung als Konventionsflüchtling darstellt (vgl. hg. Erkenntnisse vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/01/0155, und vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0133).

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen darüber angestellt, warum der Beschwerdeführer "problemlos" in sein Heimatland ein- und aus diesem ausreisen konnte, aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer ein Reisedokument von der türkischen Vertretungsbehörde ausgestellt wurde und wann ihm der Brief seines Vaters vom September 1989 zugestellt worden ist, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Anfragen an jene staatlichen Stellen des Heimatlandes, dessen Schutz der Asylwerber gerade nicht in Anspruch nehmen will, sind aus naheliegenden Gründen des Schutzes der Person des Asylwerbers nicht zweckmäßig und nicht zielführend (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332).

Der Verwaltungsgerichtshof ist auch wie die belangte Behörde der Ansicht, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Anhaltungen im Jahre 1975 bzw. 1977 und 1978 in keiner zeitlichen Beziehung zu seiner mehr als 10 Jahre späteren Ausreise stehen, weil angesichts der inzwischen vergangenen beträchtlichen Zeitspanne, während der der Beschwerdeführer ohne Behelligung einer geregelten Arbeit nachgehen konnte, von einer wohlbegründeten Furcht im Sinne der Konvention, die den Beschwerdeführer zur Flucht veranlaßt hätte, nicht mehr gesprochen werden kann. Die bloße Nachfrage nach dem Aufenthalt des Beschwerdeführers durch staatliche Organe bei seiner Familie stellt auch keine Verfolgungshandlung im Sinne der Konvention dar. Aus der bloßen Behauptung einer schikanösen Behandlung seiner Familie im Heimatdorf, wo sein Vater lebe - die Ehefrau und das Kind des Beschwerdeführers wohnen nach seinen eigenen Angaben in Izmir - läßt sich eine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung im Sinne der Konvention nicht erkennen.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010054.X00

Im RIS seit

18.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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