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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
QualitätsklassenG §26 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. November 1988, Zl. MA 63-A10/88/Str, betreffend Übertretung des "§ 26 Abs. 1 lit.b Qualitätsklassengesetz 1967, BGBl. Nr. 161 iVm § 69 Abs. 2 lit.a Qualitätsklassenverordnung idF BGBl. Nr. 589/78", zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis des magistratischen Bezirksamtes für den 22. Bezirk vom 17. Februar 1988, womit über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von 24 Stunden, verhängt worden war und nahm folgende Änderungen des erstinstanzlichen Spruches vor:
"Die Tatanlastung hat zu lauten: "Sie haben als Vorstandsmitglied und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der L reg. Genossenschaft m.b.H. im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG 1950, BGBl. Nr. 172) zu verantworten, daß diese Genossenschaft am 12. November 1986 in Wien 162 Kartons a 20 Stück Kopfsalat durch erwerbsmäßiges Überlassen an andere, nämlich durch kommissionsweisen Verkauf an die Firma Z, in Verkehr brachte, obwohl bei einem Gewicht des Kopfsalates je Stück von über 200 g bei 40 % der Ware der Unterschied zwischen dem leichtesten und dem schwersten Stück in einem Karton mehr als 100 g, nämlich bis zu 310 g betrug."
Die verletzte Rechtsvorschrift hat zu lauten: "§ 26 Abs. 1 lit.b des Qualitätsklassengesetzes 1967, BGBl. Nr. 161/1976, in Verbindung mit § 69 Abs. 2 lit.a der Qualitätsklassenverordnung in der Fassung des BGBl. Nr. 589/78."
In der Begründung ihres Bescheides vertrat die belangte Behörde folgende Auffassung:
Die in der Tatanlastung umschriebenen Mängel der Ware, die vom Beschwerdeführer ohne nähere Begründung bestritten worden seien, wären auf Grund der unbedenklichen Angaben des Bundeskontrollorganes nach dem Qualitätsklassengesetz Ing. G als erwiesen anzunehmen.
Bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 516/1987, bei dem zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge; Fahrlässigkeit sei hiebei schon dann anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft mache, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Zur Strafbarkeit der angelasteten Tat genüge somit bereits leichte Fahrlässigkeit. Fahrlässigkeit falle dem Beschwerdeführer jedenfalls zur Last, weil er nicht dargelegt habe, daß er sich zumindest durch Stichproben davon überzeugt habe, ob die zum kommissionsweisen Verkauf übernommene Ware auch tatsächlich den Qualitätsklassenvorschriften entsprochen habe. Der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses bestehe daher zu Recht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - insbesondere in seinem Recht auf Straffreiheit verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44a lit.b VStG (in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten.
Gemäß § 26 Abs. 1 lit.b Qualitätsklassengesetz BGBl. Nr. 161/1967 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Waren entgegen den Bestimmungen der §§ 2 bis 8 und 10 und der auf Grund dieser Bestimmungen ergangenen Verordnungen in Verkehr bringt.
§ 69 Abs. 2 lit.a der Qualitätsklassenverordnung BGBl. 589/1978 wurde durch die Qualitätsklassenverordnung BGBl. 409/1985 mit Wirksamkeit vom 15. Oktober 1985 geändert.
Gemäß § 44a lit.b VStG hat der Beschuldigte ein Recht darauf, daß im Spruch die RICHTIGE Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, genannt wird. Dieser Umstand ist vom Verwaltungsgerichtshof auch dann zu prüfen, wenn er vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich gerügt wird (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 Seite 940, Anmerkung 4 zu § 44a VStG und die dort referierte hg. Judikatur).
Im vorliegenden Fall erblickte die belangte Behörde die verletzte Rechtsvorschrift u.a. in "§ 69 Abs. 2 lit.a der Qualitätsklassenverordnung idF des BGBl. 589/78". Bereits dadurch, daß sie diese Verordnungsbestimmung zur Anwendung brachte, hat sie aber ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil die zitierte Bestimmung bereits durch die Verordnung BGBl. 409/1985 mit Wirksamkeit vom 15. Oktober 1985 abgeändert wurde, es sich dabei also nicht mehr um die "richtige Verwaltungsvorschrift" handelt.
Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in Ausführung des Beschwerdegrundes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vollkommen zu Recht rügt, die belangte Behörde habe sich mit seinem Beweisanbot im Zusammenhang mit dem von ihm behaupteten fehlenden Verschulden nicht weiter auseinandergesetzt.
Nach ständiger hg. Judikatur ist § 26 Abs. 1 lit.b Qualitätsklassengesetz ein Ungehorsamsdelikt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. September 1984, Zl. 84/07/0005 und vom 15. Juni 1982, Zl. 82/07/0045). Bei einem solchen, das den Eintritt eines Erfolges nicht erfordert, hat zufolge des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG der Beschuldigte von sich aus durch Anbieten von Beweismitteln bzw. Stellung von entsprechenden Beweisanträgen darzutun, daß ihn an der angelasteten Übertretung kein Verschulden treffe. Keinesfalls erscheint dann, wenn der Täter zum Nachweis seiner Schuldlosigkeit konkrete, über allgemeine Behauptungen hinausgehende Tatsachen vorbringt, die Erörterung der Beweislage zur Schuldfrage entbehrlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1985, Zl. 84/07/0398).
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung ausdrücklich folgendes behauptet (vgl. OZl. 25 und 26 der Verwaltungsakten):
"Zur Aufklärung des Sachverhaltes ist ergänzend vorzubringen, daß die Ware - in diesem Fall der Salat - von einem Mitglied der L reg. Gen.m.b.H., also einer Genossenschaft - nämlich einem Erwerbsgärtner erzeugt, über unsere ordnungsgemäßen Anweisungen verpackt und zwar über unsere Kommission an den Wiederverkäufer veräußert.
Die L hat sich bezüglich der tatsächlichen Durchführung der Verpackung sohin qualifizierter Personen bedient, hinsichtlich jenes Gärtners, der die gegenständlichen Salatköpfe geliefert und verpackt hat, ist es bis zu dem gegenständlichen Vorfall noch zu keinerlei Beanstandungen gekommen.
Die L konnte daher darauf vertrauen, daß der Erzeuger, der die Ware auch de facto in Verkehr gebracht hat, auf die entsprechende Qualitätsauszeichnung den Bestimmungen des Qualitätsklassenbestimmungen entsprechend vornehmen und die gesetzlichen Bestimmungen einhalten werde.
Es liegt daher kein Verschulden des Beschuldigten vor, insbesondere nicht im Sinne einer groben Fahrlässigkeit oder eines vom Gesetz verlangten vorsätzlichen Verhaltens."
Dazu hat sich der Beschwerdeführer ausdrücklich auf den Zeugen W, Angestellter p.A. L reg. Gen. m.b.H., Wien berufen (vgl. OZl. 26 verso der Verwaltungsakten).
Im Lichte der obzitierten Judikatur wäre es daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, sich mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers zur Schuldfrage auseinanderzusetzen, den angebotenen Beweis aufzunehmen oder darzulegen, warum dies unterblieben ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Artikel III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den angesprochenen Umsatzsteuerbetrag, dessen Zuerkennung mit Rücksicht darauf, daß es sich beim Schriftsatzaufwand um eine Pauschalsumme handelt, im Gesetz nicht vorgesehen ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010121.X00Im RIS seit
18.09.1991