TE Vfgh Erkenntnis 1988/12/5 G82/88, G83/88, G85/88, G86/88, G87/88, G88/88, G90/88, G207/88

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Veröffentlicht am 05.12.1988
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Index

L3 Finanzrecht
L3701 Getränkeabgabe, Speiseeissteuer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Wr GetränkesteuerG 1971 §5 Abs2
Wr VergnügungssteuerG 1963 §34 Abs3
Wr VergnügungssteuerG 1963 §36 Abs4

Leitsatz

Wr. GetränkesteuerG 1971 §5 Abs2; Wr. VergnügungssteuerG 1963 §36 Abs4 zweiter Satz idF LGBl. 37/1976, §34 Abs3 zweiter Satz idF LGBl. 16/1981 - gleichheitswidrige, weil der Höhe nach unzureichend limitierte Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des früheren Pächters

Spruch

I. §5 Abs2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. 2/1971, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1989 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. §36 Abs4 zweiter Satz des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. 11/1963 idF LGBl. 37/1976, und §34 Abs3 zweiter Satz des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. 11/1963 idF LGBl. 16/1981, waren verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VwGH sind Verfahren zur Prüfung mehrerer im Instanzenzug ergangener Bescheide der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien anhängig, mit denen die jeweiligen Bf. als Haftpflichtige zur Zahlung von teils Getränkesteuerschulden, teils Vergnügungssteuerschulden ihrer ehemaligen Pächter herangezogen wurden. Die Bescheide stützen sich, soweit mit ihnen Getränkesteuer vorgeschrieben wurde, explizit auf §5 Abs2 Wr. GetränkesteuerG, soweit mit ihnen Vergnügungssteuer vorgeschrieben wurde, je nach dem Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung explizit auf §36 Abs4 bzw. §34 Abs 3 Wr. VergnügungssteuerG 1963 jeweils in der geltenden Fassung.

2. Aus Anlaß dieser Verfahren stellte der VwGH beim VfGH mehrere Anträge, §5 Abs2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. 2/1971, (diese Anträge sind beim VfGH zu G82/88, 87/88, 90/88 und 207/88 protokolliert) als verfassungswidrig aufzuheben sowie auszusprechen, daß §36 Abs4 zweiter Satz des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. 11/1963 idF der Nov. LGBl. 37/1976, (dieses Verfahren ist zu G88/88 protokolliert) und §34 Abs3 zweiter Satz des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. 11/1963 idF der Vergnügungssteuergesetznovelle 1981, LGBl. 16/1981, der gemäß § 21 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes 1987, LGBl. 43/1987, mit 1. 1. 1988 außer Kraft getreten ist, (diese Anträge sind hg. zu G83/88, 85/88 und 86/88 protokolliert) verfassungswidrig waren. Er führte aus, daß er die genannten Bestimmungen bei der Prüfung der bei ihm angefochtenen Bescheide anzuwenden habe und äußerte in allen Fällen das Bedenken, daß die in diesen Bestimmungen normierten Haftungsregelungen sachlich nicht zu rechtfertigen seien und daher dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz widersprächen.

3. Die angefochtenen Bestimmungen stehen in folgendem normativen Zusammenhang:

a) Zur Entrichtung der Getränkesteuer ist gemäß §5 Abs1 Wr. GetränkesteuerG verpflichtet, wer steuerpflichtige Getränke entgeltlich abgibt. Der vom VwGH angefochtene Abs2 des §5 lautet sodann:

"Erfolgte die Abgabe steuerpflichtiger Getränke in einem Pachtbetriebe, so haftet der Verpächter (Haftpflichtiger) neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen. Die Heranziehung des Haftpflichtigen zur Zahlung hat mittels Haftungsbescheides zu geschehen."

b) Bei der Vergnügungssteuer trifft gemäß §37 Abs1 Wr. VergnügungssteuerG 1963, LGBl. 11/1963, die Steuerpflicht den Unternehmer der Veranstaltung. Diese Vorschrift erhielt durch die Nov. LGBl. 37/1976 die Paragraphenbezeichnung 36, durch die Nov. LGBl. 16/1981 die Bezeichnung §34. Abs4 des §37 des Gesetzes in der Stammfassung, Abs4 des §36 idF der Nov. 1976 bzw. §34 Abs3 idF der Nov. 1981 bestimmten sodann (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"Wer zur Anmeldung der Veranstaltung verpflichtet ist, ohne selbst Unternehmer zu sein, haftet neben dem Unternehmer als Gesamtschuldner. Trifft die Vergnügungssteuer einen Pachtbetrieb, so haftet der Verpächter neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen. Die Heranziehung des Haftpflichtigen zur Zahlung hat mittels Haftungsbescheides zu geschehen."

Gemäß §21 des Wr. Vergnügungssteuergesetzes 1987 ist das Wr. Vergnügungssteuergesetz 1963 mit 1. Jänner 1988 außer Kraft getreten, doch ist aus §3 WAO das Gebot abzuleiten, daß bei Gesetzesänderungen - mangels anders lautender gesetzlicher Anordnungen - jene Bestimmungen auf den Besteuerungsfall anzuwenden sind, die im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung Geltung hatten.

3. Seine Bedenken führte der VwGH in seinem zu G86/88 protokollierten Antrag (auf den insofern in den übrigen Anträgen, in denen die Bedenken jeweils nur kurz zusammengefaßt vorgebracht werden, verwiesen wird) wie folgt aus:

"Der VwGH geht . . . zunächst von der grundsätzlichen Erwägung aus, daß eine Regelung unsachlich erscheint, durch die jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, also für Umstände, die außerhalb seiner Interessenund Einflußsphäre liegen (vgl. VfSlg. Nr. 5318/1966, Seite 416). Ein solcher Zusammenhang, der eine Haftung für Abgabenschuldigkeiten eines anderen grundsätzlich rechtfertigt, kann beispielsweise durch ein Verschulden (vgl. die Bestimmungen der §§9 BAO, 7 WAO; 10 BAO, 8 WAO - culpa in eligendo -; und 11 BAO, 9 WAO) begründet werden.

Die Haftungsbestimmungen der §§12 BAO bzw. 10 WAO in der geltenden Fassung (BGBl. Nr. 151/1980, LGBl. für Wien Nr. 38/1983) wiederum lehnen sich an jene der §§128, 161 HGB betreffend die OHG bzw. die KG (vgl. hiezu Ellinger-Wetzel, BAO, Seite 24) an, wenngleich Inhalt und Art der Haftung selbständig geregelt sind (vgl. Kopecky, Die Haftung im österreichischen Steuerrecht, Seite 48 f). Die zuletzt genannten Bestimmungen beruhen ihrerseits offenbar darauf, daß die Gesellschafter selbst in ihrer Gesamtheit Eigentümer des Gesellschaftsvermögens sind (Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 II, Seite 51, 147), wobei überdies die persönliche Haftung der Gesellschafter die Grundlage des Kredites bildet, die solche Unternehmen im Geschäftsleben finden (HGB Groß-Komm.3 II/1, Seite 286).

Die Haftung der Organgesellschaft nach §13 BAO (§11 WAO) ist dadurch gerechtfertigt, daß die Steuerschulden des übergeordneten Unternehmens (Organträger) im Grunde Steuerschulden des untergeordneten Unternehmens (Organ) sind; denn das Organ ist wirtschaftlich ein unselbständiger Teil des Organträgers (vgl. Kopecky, aaO Seite 39). Der Bestimmung des §14 BAO (§12 WAO) wiederum liegt der Gedanke zu Grunde, daß die in dem einzelnen lebendigen Betrieb steckenden Werte (nicht nur die Sachen und Rechte, sondern auch die wirtschaftliche Kraft des lebendigen Betriebes, seine Ertragsfähigkeit) im Regelfall in der Lage sind, die Steuerbeträge abzuwerfen (Kopecky, aaO Seite 41). Im Falle des §16 BAO (§14 WAO) liegt der Grund der Haftung schließlich darin, daß der Eigentümer der dem Betrieb dienenden Gegenstände wirtschaftlich als am Unternehmen beteiligt anzusehen ist (Kopecky, aaO Seite 45).

Im Bereich des bürgerlichen Rechts bestimmt §1409 Abs1 ABGB:

'Übernimmt jemand ein Vermögen oder ein Unternehmen, so ist er unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.'

Zweck dieser Bestimmung ist es, zu verhüten, daß den Gläubigern durch die Übertragung des (ganzen) Vermögens ihres Schuldners im Wege eines schuldrechtlichen Vertrages unter Lebenden auf eine andere Person ihre bisherige Haftungsgrundlage entzogen wird (vgl. Ertl in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, II, Seite 2655 f).

Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet gemäß §25 Abs1 HGB für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Nach Abs2 dieser Gesetzesstelle ist eine abweichende Vereinbarung einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist. Die Haftung nach §25 HGB ist also zum Unterschied von jenem nach §1409 ABGB betragsmäßig unbeschränkt, doch kann sie unter den Voraussetzungen des Abs2 ausgeschlossen werden, wobei allerdings die Haftung im Rahmen des §1409 ABGB jedenfalls bestehen bleibt (Hämmerle-Wünsch, aaO I, Seite 185). Überdies ist die Haftung des Nachfolgers durch die §§1409a ABGB und 25 Abs4 und 5 HGB, beide in der Fassung des IRÄG, BGBl. Nr. 370/1982, für denjenigen ausgeschlossen, der ein Vermögen, ein Unternehmen oder ein Handelsgeschäft im Wege der Zwangsvollstreckung, des Konkurses, des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger erwirbt.

Im Falle der Verpächterhaftung nach §34 Abs3 zweiter Satz des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 ist ein solcher sachlicher Zusammenhang nicht zu erkennen. Eine analoge Situation zu §1409 ABGB liegt nicht vor, weil im Fall der Rückstellung eines verpachteten Unternehmens kein Vermögen veräußert bzw. übernommen wird, das für den Gläubiger den Deckungsfonds für seine Forderung und damit die Grundlage seines Vertrauens gebildet hatte (vgl. Ertl, aaO, Seite 2655).

Aber auch der vom Verpächter eingenommene Pachtzins als solcher rechtfertigt die Haftungsregelung nicht, weil die Leistung des Pachtzinses mit der Verletzung öffentlich-rechtlicher Abgabenvorschriften durch den Pächter in keinem Zusammenhang steht. Selbst wenn man aber ungeachtet dessen einen derartigen Sachzusammenhang bejahen wollte, wäre doch die der Höhe nach unbeschränkte Haftungsregelung exzessiv. Der Verpächter hat nämlich auf die Betriebsführung seines Pächters keinerlei Einfluß. Er kann auch nicht etwa auf die Möglichkeit verwiesen werden, sich bei Abschluß des Pachtvertrages eine Kaution auszubedingen, weil im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unvorhersehbar ist, welche Vergnügungssteuerverpflichtungen der Pächter im letzten Jahr vor Beendigung des Pachtverhältnisses eingehen wird. Auch kann angesichts der im Vergnügungssteuergesetz für Wien 1963 vorgesehenen, relativ hohen Steuersätze nicht ausgeschlossen werden, daß der aufgelaufene Rückstand den Pachtschilling bei weitem übersteigt.

Das im §34 Abs3 dritter Satz des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 vorgesehene Ausmaß der betraglich unbeschränkten persönlichen Haftung ist somit exzessiv und verstößt gegen den auch den Gesetzgeber bindende, dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot (Übermaßverbot).

Im übrigen wird auf den Beschluß des VfGH vom 7. Dezember 1987, B15/87-9, verwiesen, wonach der VfGH u.a. die Verfassungsmäßigkeit der Worte 'oder verpachtet', 'bzw. Pächter' und 'bzw. Verpachtung' in §3 Abs4 des Steiermärkischen Getränkeabgabengesetzes, LGBl. Nr. 23/1950, von Amts wegen zu prüfen beschlossen hat. Den dort aufgezeigten Bedenken schließt sich auch der VwGH im vorliegenden Verfahren mutatis mutandis an."

Diese Bedenken werden in dem zu G88/88 protokollierten Antrag auf die wortgleiche Vorschrift des §36 Abs4 des Wr. VergnügungssteuerG 1963 idF vor der Nov. 16/1981 und in den auf §5 Abs2 Wr. GetränkesteuerG bezogenen Anträgen auch auf diese "rechtsähnliche" Vorschrift bezogen.

4. Die Wiener Landesregierung betont in ihrer Äußerung vom 2. 8. 1988, daß die zu lösende Rechtsfrage in allen Verfahren die gleiche sei und stellt außer Streit, daß der VwGH die angefochtenen Bestimmungen bei seinen Entscheidungen anzuwenden hat, diese für ihn somit präjudiziell seien. Zu den Bedenken führt die Regierung sodann aus:

"Nach Meinung des VwGH fehlt den angefochtenen Bestimmungen die sachliche Rechtfertigung. Darüber hinaus seien sie exzessiv. Schließlich erklärt er die beim VfGH im Verfahren B15/87 entstandenen Bedenken für die gegenständlichen Verfahren auch zu den seinen.

1.) Die sachliche Rechtfertigung

Der VwGH beleuchtet zunächst einige Haftungstatbestände, bei denen er eine sachliche Rechtfertigung als gegeben erachtet. Überleitend zur Verpächterhaftung führt er sodann aus, daß er hier einen solchen sachlichen Zusammenhang nicht zu erkennen vermöge. Eine analoge Situation zur Nachfolgerhaftung liege nach seiner Auffassung nicht vor, weil im Fall der Rückstellung eines verpachteten Unternehmens kein Vermögen veräußert bzw. übernommen wird, das für den Gläubiger den Deckungsfonds für seine Forderung und damit die Grundlage seines Vertrauens gebildet hatte.

Darauf ist zunächst zu erwidern, daß es für die Verfassungsmäßigkeit der Verpächterhaftung nicht erforderlich ist, daß sie als Analogie zur Nachfolgerhaftung gesehen werden kann. Die sachliche Rechtfertigung kann durchaus eigenständig begründbar sein. Tatsächlich besteht auch zwischen Verpächter und Pächter ein derart starkes Naheverhältnis in Bezug auf den Betrieb, daß eine darauf gestützte Haftung als sachgerecht bezeichnet werden muß. Der Verpächter kann sich anläßlich des Vertragsabschlusses alle ihm erforderlich erscheinenden Einflußund Einschaurechte sichern. Er kann sich eine bestimmte Art der Betriebsführung ausbedingen, er kann z.B. Verträge mit Getränkelieferanten (Brauereien) überbinden, er kann zu seiner Sicherung eine Kaution und volles Einschaurecht in die steuerliche Gebarung des Pächters verlangen. Solche Vertragsklauseln sind nicht nur bloß möglich, sondern je nach Vorsicht der Verpächter auch durchaus üblich. Auf Grund seiner Kenntnis des Betriebes kann der Verpächter auch mit einiger Sicherheit beurteilen, ob die steuerliche Gestion des Verpächters sachlich richtig ist (ob die Steuern in richtiger Höhe einbekannt und festgesetzt werden). Dazu kommt noch, daß der Verpächter ja Eigentümer des Betriebes bleibt, also ungeachtet des Umstandes, daß er den Betrieb nicht selbst führt, durch ein festes Band mit dem Betrieb verbunden ist, der früher oder später wieder an ihn ins unbeschränkte Eigentum zurückfallen muß. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß der Verpächter durch den Pachtzins am Ertrag des Betriebes partizipiert (gleichgültig, ob der Pachtzins mit einem fixen Betrag oder umsatzorientiert festgelegt wird) und aber durch diesen Abfluß von Geldmitteln die Ertragslage des Betriebes schmälert, somit unter Umständen gerade diese finanziellen Schwierigkeiten auslöst, die in nicht mehr abdeckbare Rückstände münden.

Nun könnte man gegen die Belastung durch den Pachtzins als Argument für die sachliche Rechtfertigung der Verpächterhaftung anführen, daß der Übernehmer eines Betriebes auch dann Aufwendungen für den Betrieb zu leisten hat, wenn er ihn nicht pachtet, sondern kauft. Dies ist wohl richtig, doch wäre der Abgabepflichtige dann Eigentümer des Betriebes, sodaß der Deckungsfonds zur Verfügung stünde. Hiedurch wird aber auch deutlich, daß die Verpächterhaftung von der Seite der Rechtfertigung her durchaus mit der Nachfolgerhaftung vergleichbar ist. Die Nachfolgerhaftung wird ja unstrittig damit begründet, daß die Sicherheit für den Gläubiger, die im Betrieb selbst gelegen ist, ihm nicht dadurch verloren gehen soll, daß das Eigentum auf eine von dem Schuldner verschiedene Person übertragen wird. Gerade einen solchen Zustand führt aber der Verpächter herbei, indem er sich das Eigentum vorbehält, das zwar zunächst in der Ausübungsmöglichkeit durch das Pachtverhältnis beschränkt ist, aber bei Pachtende in seiner Vollform wiederhergestellt wird. Es erscheint also auch aus diesem Vergleich heraus nur konsequent, wenn der Verpächter in gleicher Weise wie ein Nachfolger haftet. Wie gerechtfertigt dies ist, erhellt auch daraus, daß die Nachfolgerhaftung nicht davon abhängig ist, daß der Nachfolger den Betrieb vom Abgabenschuldner erwirbt (siehe Erkenntnis des VwGH vom 14. Oktober 1981, Zl. 81/13/0081). Wenn also der Verpächter nach Beendigung des Pachtverhältnisses den Betrieb nicht mehr neuerlich verpachtet, sondern verkauft (ein durchaus nicht ungewöhnlicher Fall), so haftet der Käufer für die Steuerschulden des früheren Pächters. Hier ist nun aber nicht einzusehen, warum der Verkäufer, der in gleicher Weise Eigentümer des Deckungsfonds ist wie der Käufer, nicht auch für diese Schulden haften soll, wo er doch unzweifelhaft zum Steuerschuldner und damit zur Steuerschuld ein wesentlich engeres Naheverhältnis hat als der Käufer (der nämlich zum früheren Pächter überhaupt keine Rechtsbeziehung hat).

Im übrigen dürfte dem VwGH entgangen sein, daß sich der VfGH bereits mit der Verpächterhaftung beschäftigt hat; jedenfalls gibt er in seinem Antrag nicht zu erkennen, warum er die seinerzeitige Entscheidung des VfGH für unrichtig hält. Im Erkenntnis vom 15. Oktober 1955, B96/55, Slg. Nr. 2896, hat der VfGH nämlich ausgesprochen, daß eine Haftung dem Gleichheitsgebot widersprechen würde und damit verfassungswidrig wäre, wenn sie nicht sachlich begründet ist; eben unter diesem Aspekt hat der VfGH aber die Verpächterhaftung im Getränkesteuergesetz für Wien für verfassungsrechtlich unbedenklich befunden.

2.) Zum Übermaßverbot

Der VwGH findet die seiner Meinung nach der Höhe nach unbeschränkte Haftungsregelung auch exzessiv. Der Verpächter habe auf die Betriebsführung seines Pächters keinerlei Einfluß. Es versage auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer Kaution, weil die Steuerverbindlichkeiten aus dem Haftungszeitraum im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar seien. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, daß der aufgelaufene Rückstand den Pachtschilling bei weitem übersteigt.

Hier ist dem VwGH zu entgegnen, daß die Verpächterhaftung durchaus nicht der Höhe nach unbeschränkt ist. Sie ist vielmehr in gleicher Weise wie die Nachfolgerhaftung auf das Kalenderjahr des Betriebsendes und das vorangegangene Kalenderjahr beschränkt. Dieses Ausmaß bzw. diese Beschränkung wird aber vom VwGH selbst als verfassungskonform angesehen, wie aus seinen Ausführungen zur Nachfolgerhaftung im Anfechtungsantrag unzweifelhaft hervorgeht. Auch der VfGH hegt diesbezüglich keine Bedenken (vgl. Erkenntnis vom 29. Juni 1988, G249/87, V151/87, in dem die Nachfolgerhaftung auch dem Ausmaß nach als sachlich gerechtfertigt dargestellt wird).

Daß der Verpächter keine Einflußmöglichkeit auf die Betriebsführung seines Pächters habe, ist unrichtig. Wie bereits dargelegt wurde, hat der Verpächter vielmehr jede Einflußmöglichkeit, die er sich vertraglich (also nach seiner freien Willensbildung) sichert. Von diesen Sicherungsmöglichkeiten - auch dies sei hier wiederholt - wird auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Hegt ein Verpächter also Befürchtungen, daß ihn die Haftung für Vergnügungssteuerrückstände treffen könnte, so kann er die Abhaltung vergnügungssteuerpflichtiger Veranstaltungen vertraglich ausschließen. Welche Beträge an Vergnügungssteuer anfallen könnten, kann der Verpächter auf Grund seiner Kenntnis des Betriebes und im Rahmen der Bedingungen des Pachtvertrages durchaus annähernd abschätzen. Der nicht näher ausgeführte Hinweis des VwGH auf die 'relativ hohen' Steuersätze im Vergnügungssteuergesetz bezieht sich vermutlich auf die Steuersätze für Spielapparate. Diese Steuersätze hat jedoch der VfGH bereits im Erkenntnis vom 1. Juli 1983, B385/82, geprüft und für verfassungskonform befunden; es ist nicht gut vorstellbar, warum diese verfassungskonformen Steuersätze zur Verfassungswidrigkeit einer Haftungsbestimmung führen sollten, zumal die Verpächterhaftung im Vergnügungssteuergesetz für alle vergnügungssteuerpflichtigen Tatbestände gilt und das Halten von Spielapparaten nur einer von vielen Steuertatbeständen ist.

Die Wortwahl im Anfechtungsantrag läßt es auch als möglich erscheinen, daß dem VwGH das Erfordernis der Einschränkung der Haftung auf einen bestimmten Schillingbetrag vorschwebt ('Ausmaß der betraglich unbeschränkten persönlichen Haftung'). Eine solche betragsmäßige Grenze könnte jedoch nie der unterschiedlichen Größe der Betriebe gerecht werden und wäre viel eher unsachlich als die geltende Regelung. Sie findet sich auch nicht bei anderen Haftungstatbeständen, deren Verfassungsmäßigkeit von beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht in Zweifel gezogen wird.

Schließlich ist auch im Bezug auf das Übermaßverbot wiederum auf das bereits erwähnte Erkenntnis des VfGH ex 1955 hinzuweisen. Bei der Prüfung der Verpächterhaftung im Getränkesteuergesetz für Wien unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes hat der VfGH auch auf das Ausmaß der Haftung Bedacht genommen ('in einem bestimmten Umfange'), aber keinen Grund zur Aufhebung der Verpächterhaftung gefunden.

3.) Die angeblichen Bedenken des VfGH

Der VwGH stützt letztlich seine Anfechtungen auch auf die Bedenken, die den VfGH im Zuge seines Verfahrens B15/87 zur Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens veranlaßt haben.

Diese Bedenken richten sich jedoch gegen Bestimmungen, die eine Haftung des Pächters vorsahen. Mit keinem Wort äußerte der VfGH Bedenken gegen Bestimmungen, die eine Haftung des Verpächters vorsehen. Ganz im Gegenteil: In dem das Normenprüfungsverfahren abschließenden bereits erwähnten Erkenntnis ex 1988 führt der VfGH unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis ex 1955 die Verpächterhaftung als ein Beispiel für eine verfassungsgemäße Regelung an. Es ist nicht erkennbar, wie durch die Äußerungen des VfGH in diesem Verfahren die Meinung des VwGH gestützt werden könnte."

Abschließend beantragt die Wiener Landesregierung, "die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht für verfassungswidrig zu erklären", in eventu für das Außerkrafttreten "eine Frist von einem Jahr zu setzen, damit die Rechtslage der Auffassung des VfGH angepaßt werden kann".

5. Der Bf. im verwaltungsgerichtlichen Anlaßverfahren, das zu dem Prüfungsantrag G207/88 geführt hat, hat eine Äußerung erstattet, in der er den Bedenken des antragstellenden Gerichts beitritt.

II. Der VfGH hat über die - zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:

1. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, was gegen die Annahme des VwGH sprechen würde, er habe bei Beurteilung der angefochtenen Bescheide jene Gesetzesbestimmungen anzuwenden, die Gegenstand seiner Anträge sind. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Anträge zulässig.

2.a) Der VfGH hat schon in VfSlg. 2896/1955 erkannt, daß dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz bei Umschreibung des Kreises der für eine Steuer haftenden Personen ungeachtet der zivilrechtlichen Verhältnisse "insofern eine Grenze gezogen ist, als er nur solche Personen als haftpflichtig erklären kann, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist". In seiner Entscheidung VfSlg. 5318/1966 hat er es in diesem Sinn als unsachlich angesehen, "wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, hier also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen".

Eine ausreichende sachliche Begründung für die normative Festlegung einer Haftpflicht für Abgabenschulden sah der Gerichtshof in VfSlg. 2896/1955 "im Hinblick auf die besondere Konstellation des Verhältnisses zwischen Verpächter und Pächter im Bereich des Getränkesteuerrechts für eine Vorschrift als gegeben an, die den Verpächter eines Gewerbebetriebs in einem bestimmten Umfang für die Abgabenrückstände des Pächters haftbar gemacht hatte".

Von dieser Sicht der Dinge ging der VfGH auch in seiner Entscheidung vom 29. Juni 1988, G249/87 = VfSlg. 11771/1988, betreffend die umfassende Pächterhaftung nach §3 Abs4 des Steiermärkischen Getränkeabgabegesetzes, LGBl. 23/1950, aus. Von ihr abzuweichen sieht der Gerichtshof auch aus Anlaß der nun zur Beurteilung stehenden Anträge keinen Anlaß.

Entgegen der vom VwGH vertretenen Auffassung besteht aber für eine Haftung des Verpächters für die Abgabenschulden eines früheren Pächters an sich schon eine sachliche Rechtfertigung. Diese ergibt sich - wie die Wiener Landesregierung zutreffend ausführt - u.a. aus der Möglichkeit der spezifischen Gestaltung des Pachtvertrages (z.B. durch Ausbedingen von Einschaurechten allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung o.ä.) sowie aus dem Umstand, daß der Verpächter durch den Pachtzins am Ertrag des Betriebes partizipiert. Auch ist von Bedeutung, daß der Verpächter eines Betriebes insofern mit diesem verbunden bleibt, als ja der Betrieb nach Ende des Pachtverhältnisses an ihn zurückfällt. Dies alles sind Umstände, die eine Haftung des Verpächters für Abgabenschulden eines früheren Pächters zwar nicht erfordern, eine solche aber doch rechtfertigen:

der Gesetzgeber bleibt also im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, wenn er eine Haftungsregelung der in Rede stehenden Art erläßt und verletzt dadurch nicht das sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebende Sachlichkeitsgebot.

b) Eine derartige Regelung unterscheidet sich wesentlich von einer Regelung, die eine umfassende Haftung des Pächters für Abgabenschulden des früheren Unternehmers (und damit auch eines früheren Pächters) begründet, wie sie die - inzwischen mit Erk. VfSlg. 11771/1988, aufgehobene - Bestimmung des §3 Abs4 des Steiermärkischen Getränkeabgabegesetzes, LGBl. 23/1950, vorsah. Es ist daher - entgegen der Auffassung des antragstellenden VwGH - nicht möglich, die gegen die Sachlichkeit dieser Regelung vom VfGH aufgezeigten (und inzwischen mit dem zit. Erkenntnis bestätigten) Bedenken auf die gänzlich anders geartete Konstellation im Wr. VergnügungssteuerG und im Wr. GetränkesteuerG "mutatis mutandis" zu übertragen.

c) Obwohl somit das Sachlichkeitsgebot der Normierung einer Haftung des Verpächters für Abgabenschulden eines früheren Pächters an sich nicht im Wege steht, ist die konkrete Regelung des Wr. GetränkesteuerG und des Wr. VergnügungssteuerG doch verfassungswidrig. Es trifft nämlich das vom VwGH quasi in eventu vorgebrachte Bedenken zu, daß die der Höhe nach unbegrenzte Haftungsregelung exzessiv sei.

In der Tat ist es - was der Gerichtshof in VfSlg. 2896/1955 nicht erwogen hat - sachlich nicht zu rechtfertigen, die an sich zulässige Haftung des Verpächters in derart weitem Umfang vorzusehen. Die angefochtenen Regelungen begrenzen die Haftung lediglich in zeitlicher Hinsicht, schränken sie aber im übrigen ihrem Inhalt nach nicht ein: sie beziehen sich auf Abgabenschulden jeglicher Höhe und das selbst bei strafbaren Handlungen des Pächters. Mit dieser unzureichenden Eingrenzung der Haftung wird es dem Verpächter einerseits unmöglich gemacht, mit Hilfe jener Vertragsgestaltung (zB durch Vereinbarung von Einschaurechten verbunden mit Kündigungsmöglichkeiten oder durch Vereinbarung einer Kaution) für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen, die der VfGH als für die sachliche Rechtfertigung der Haftungsregelung an sich bedeutsam erkannt hat; andererseits wird durch die Überbürdung einer ihrer Höhe nach kaum begrenzten Haftung an den Verpächter auch der - ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung einer Verpächterhaftung relevante - Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Verpächters am Unternehmensertrag zur Gänze außer Acht gelassen.

Wenn die Wiener Landesregierung darauf hinweist, daß eine Einschränkung der Haftung auf einen bestimmten Höchstbetrag der unterschiedlichen Größe und Struktur der Betriebe nicht gerecht werden könnte, so ist sie nur im Recht, wenn sie eine absolute betragliche Begrenzung vor Augen hat. Eine Regelung, die die Haftung stärker zeitlich eingrenzt und so das Ausmaß der Haftung besser vorhersehbar erscheinen ließe, oder die etwa an die Höhe des Pachtschillings oder an das frühere oder betriebsdurchschnittliche (tatsächliche oder prognostizierte) Aufkommen der jeweiligen Steuer oder an andere betriebsspezifische Bezugsgrößen anknüpft, könnte der unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes zu fordernden limitierenden Funktion sehr wohl gerecht werden, ohne aus den von der Regierung vorgebrachten Erwägungen unpraktikabel oder sachwidrig zu sein.

Die der Höhe nach unzureichend (nur durch eine relativ lange zeitliche Begrenzung) limitierte Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des früheren Pächters entbehrt somit der sachlichen Rechtfertigung.

3. Diese Feststellung führt zur Aufhebung der vom VwGH angefochtenen Bestimmung des §5 Abs2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, und - angesichts der Aufhebung des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 durch §21 des Wr. Vergnügungssteuergesetzes 1987, LGBl. 43/1987, - zur Feststellung, daß der jeweils zweite Satz des §36 Abs4 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 idF LGBl. 37/1976 und des §34 Abs3 dieses Gesetzes idF LGBl. 16/1981 verfassungswidrig war.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung des Wr. GetränkesteuerG gründet sich auf Art140 Abs5 B-VG. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG.

Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung sowie der Feststellung der Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus Art140 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Zivilrecht, Haftung, Getränkesteuer Wien, Vergnügungssteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G82.1988

Dokumentnummer

JFT_10118795_88G00082_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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