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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FinStrG §196a;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): AW 90/18/0037Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge des Dr. F in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, der gegen die Bescheide des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Juli 1991, Zl. Vs 1727/90, sowie vom 4. September 1990, Zl. Vs 1968/90, betreffend Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 41 Abs. 3 StPO, erhobenen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 30 Abs.2 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen W vom 1. Juni 1990, Zl. 6b Vr 10471/85-Hv609/87, war dem Antragsteller in der gegen ihn wegen § 33 Finanzstrafgesetz anhängigen Strafsache gemäß § 41 Abs. 3 StPO für die vor dem Schöffengericht anberaumte Verhandlung ein Verteidiger beigegeben worden (sogenannter Amtsverteidiger).
Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Februar 1987 wurde Dr. M, Rechtsanwalt in W, zum Verteidiger bestellt. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0087, aufgehoben.
Daraufhin wurde für den Beschwerdeführer mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Juni 1990 Rechtsanwalt Dr. H bestellt. Da der Antragsteller im obgenannten Strafverfahren Rechtsanwalt Dr. H als Zeugen beantragt hatte, erfolgte mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer W vom 12. Juli 1990 dessen Enthebung unter gleichzeitiger Bestellung von Rechtsanwalt Dr. W.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller die zu hg. Zahl 90/18/0172 protokollierte Beschwerde, verbunden mit dem Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. hg. Zl. AW 90/18/0019). In der Begründung dieses Antrages wird ausgeführt, daß der angefochtene Bescheid offenbar von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde und daß das Einschreiten eines derart bestellten Amtsverteidigers dann einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 281 Abs. 1 Z. 1 a StPO darstellen würde, wenn in weiterer Folge mit Wirkung ex tun, dessen Bestellung aufgehoben werden sollte; die dadurch bewirkte Verfahrensverzögerung würde für den Antragsteller einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen.
Infolge Enthebungsantrages wegen Befangenheit durch Rechtsanwalt Dr. W vom 6. August 1990 bestellte die Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer W mit Bescheid vom 8. August 1990 an dessen Stelle Rechtsanwalt Dr. E zum Verteidiger des Antragstellers. Der gegen diese Umbestellung vom Antragsteller erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer W vom 4. September 1990, Zl. Vs 1968/90, keine Folge gegeben. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller die zu
hg. Zl. 90/18/0230, protokollierte Beschwerde, ebenfalls verbunden mit dem Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. hg. Zl. AW 90/18/0037). Diesen Antrag begründete er damit, daß die Nominierung eines Amtsverteidigers unzulässigerweise durch die Rechtsanwaltskammer und nicht durch das Gericht erfolgt sei, sohin eine unzuständige Behörde entschieden habe; ein unverhältnismäßiger Nachteil sei für ihn dadurch begründet, daß bei Verwirklichung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 1 a StPO die dadurch bewirkte Verfahrensverzögerung sein Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzen würde.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Die Staatsanwaltschaft W als mitbeteiligte Partei hat zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgeführt, daß im gegenständlichen Finanzstrafverfahren die Hauptverhandlung und Urteilsfällung gemäß § 196 a FinStrG dem Schöffengericht obliege. Für die Durchführung einer Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht sei die Beigebung eines Verteidigers zwingend vorgeschrieben. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre daher die Durchführung der Hauptverhandlung bis zur Erledigung der vorliegenden Beschwerde nicht möglich (zumal der Antragsteller schon bisher nicht bereit gewesen sei, einen Wahlverteidiger zu bestellen), wobei auf die absolute Verjährungsfrist im Dezember 1992 hingewiesen wurde.
In den vorliegenden Fällen ist unbestritten, daß im gegenständlichen Finanzstrafverfahren die Bestellung eines Amtsverteidigers nach § 41 Abs. 3 StPO erforderlich war, da der Antragsteller trotz Anwaltszwanges weder einen Verteidiger namhaft gemacht noch die Beigebung eines Verfahrenshelfers nach § 41 Abs. 2 StPO beantragt hat. Dies läßt die Bedenken der Staatsanwaltschaft, daß im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Antragsteller auch für die Hauptverhandlung weder einen Verteidiger namhaft machen noch Verfahrenshilfe beantragen werde und daher für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Hauptverhandlung nicht durchführbar sei, schlüssig erscheinen. Dies umsomehr, als der Antragsteller in seiner zur hg. Zl. 90/18/0230, protokollierten Beschwerde ausdrücklich ausführt, vom "Recht auf Selbstverteidigung" Gebrauch machen zu wollen.
Damit würde genau jene Verfahrensverzögerung eintreten, die der Antragsteller selbst unter dem Blickwinkel des Art. 6 Abs. 1 MRK für rechtlich bedenklich erachtet hat.
Ob darin allein schon ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, der der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von vornherein entgegen stünde, gelegen ist, kann offen bleiben, da es auch an der zweiten Voraussetzung mangelt, daß dem Antragsteller hieraus ein unverhältnismäßiger Nachteil erwachsen würde. Ist doch sein Recht, in der Hauptverhandlung alles, was zu seiner Verteidigung dienlich ist, vorzubringen, durch die Beigebung eines Amtsverteidigers nicht beschränkt. Auch würde eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof nicht dazu führen, daß ein allenfalls zwischenzeitig durchgeführtes Strafverfahren als nichtig anzusehen wäre.
Da sohin nicht erkennbar ist, daß mit dem Vollzug der angefochtenen Bescheide für den Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, konnte den vorliegenden Anträgen daher nicht stattgegeben werden.
Schlagworte
Ausübung der Berechtigung durch einen Dritten Unverhältnismäßiger NachteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:AW1990180019.A00Im RIS seit
05.04.2001