TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/19 88/06/0222

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Veröffentlicht am 19.09.1991
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;

Norm

ROG Tir 1984 §16b;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1) des NN und 2) der MN in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. März 1988, Zl. Ve-550-1427/1, betreffend die Abweisung eines nachträglichen Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 23. März 1988 die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Februar 1988 erhobene Vorstellung ab und führte in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten nach mehreren baupolizeilichen Interventionen mit dem Bauansuchen vom 15. Mai 1987 die nachträgliche baubehördliche Bewilligung für den Anbau eines Verkaufslagers an der Südwestseite des bestehenden Einkaufszentrums beantragt. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde habe als Baubehörde erster Instanz dieses Bauansuchen mit Bescheid vom 23. Juli 1987 gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung (TBO) wegen Widerspruchs zum geltenden Bebaungsplan (Überschreitung der festgelegten Baufluchtlinie sowie der Baumassendichte) und wegen Widerspruchs zum geltenden Flächenwidmungsplan (Nichtvorliegen einer Sonderfläche für Einkaufszentren) abgewiesen. Der dagegen von den Beschwerdeführern eingebrachten Berufung habe der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle sowie nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit dem Bescheid vom 10. Februar 1988 keine Folge gegeben und in seiner Entscheidung das Vorliegen der bereits von der Erstinstanz relevierten Abweisungsgründe bestätigt und als weiteren Abweisungsgrund im Sinne des § 42 Abs. 4 lit. d TBO die nachteilige Beeinflussung des Orts- und Straßenbildes durch das beantragte Bauvorhaben hinzugefügt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hätten die Beschwerdeführer zunächst einen Verfahrensmangel in der Tatsache erblickt, daß die Baubehörde erster Instanz einen ablehnenden Bescheid ohne Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung erlassen habe. Außerdem hätte nach Meinung der Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Bereich des Vermessungswesens eingeholt werden müssen. Zum Vorwurf der "Bebauungswidrigkeit" des Projektes werde geltend gemacht, daß die Normierungen betreffend die Baumassendichte und die Baufluchtlinie im Bebauungsplan nicht richtig erfolgt seien, da auf bereits vor der Erstellung des Bebauungsplanes genehmigte Bauwerke bei der Festlegung der Baufluchtlinie und der Baumassendichte für den fraglichen Bereich nicht Rücksicht genommen und eine dem Bestand widersprechende Planung ausgewiesen worden wäre. Dazu, daß das Einkaufszentrum ohne Vorliegen einer entsprechenden Sonderflächenwidmung durch die beantragte Bauführung vergrößert werde, hätten die Beschwerdeführer vorgebracht, daß im verfahrensgegenständlichen Zubau nicht Waren des täglichen Bedarfes oder Lebensmittel, sondern beispielsweise Campingartikel, Kinderwägen etc. angeboten würden, ein separater Eingang von außen für diesen Gebäudeteil vorhanden sei und außerdem eine eigene Kundenkasse aufgestellt werde. Was schließlich die behauptete erhebliche nachteilige Beeinflussung des Orts- und Straßenbildes anlange, so sei es nicht erfindlich, warum durch eine zurückgesetzte Verglasung der bisher offenen Flugdächer ein nachteiliger Eindruck für das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild entstehen solle; außerdem sei ein entsprechendes Sachverständigengutachten den Beschwerdeführern nicht rechtzeitig zur Stellungnahme vorgelegt worden.

Dazu führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß in der Tatsache, daß die Baubehörde erster Instanz ohne mündliche Verhandlung einen ablehnenden Bescheid in der Sache erlassen habe, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken sei, da § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung diese Vorgangsweise ausdrücklich vorsehe. Ein Bauansuchen sei nämlich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen, wenn sich - wie beim vorliegenden Projekt - bereits aus dem Ansuchen bzw. den Unterlagen ergibt, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan und/oder dem Bebauungsplan widerspricht. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß diese beiden Kriterien nach Ansicht der Beschwerdeführer strittig seien, da für diesen Fall ja der übliche verwaltungsrechtliche Instanzenzug offen stehe. Außerdem habe der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde zweiter Instanz ohne Vorliegen einer gesetzlichen Verpflichtung ohnedies eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt. Die Notwendigkeit der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich des Vermessungswesens zusätzlich zum hochbautechnischen Sachverständigen, wie es von den Beschwerdeführern gefordert werde, habe sich in keiner Lage des Verfahrens gezeigt. Das Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen für das Bauwesen sei von hoher Fachkompetenz getragen, schlüssig und lasse keine Fragen offen. Die Beschwerdeführer seien den Ausführungen dieses Sachverständigen nie auf derselben fachlichen Ebene entgegengetreten, sondern hätten in der Vorstellung nur global deren "Richtigkeit" bestritten. Was allgemeine Andeutungen auf angebliche Unrichtigkeiten im Bereich bestimmter Meßpunkte anlage, so seien diese bereits in der Berufungsentscheidung widerlegt worden.

Auf Grund des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen stehe fest, daß in dem seit 10. Jänner 1986 rechtsgültigen Bebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sowohl für die Sonderfläche Einkaufszentrum als auch für die Mischgebietsfläche der Gp. 555 eine Baumassendichte von 3,0 normiert sei und diese Baumassendichte bereits durch das bestehende Einkaufszentrum erheblich, nämlich durch den Wert 4,5, überschritten werde. Unter Einbeziehung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens erreiche die Baumassendichte sogar den Wert 5,03 gegenüber dem zulässigen Wert 3,0. Ferner stehe aufgrund des Gutachtens fest, daß im Bebauungsplan auf dem gegenständlichen Bauplatz eine Baufluchtlinie im Abstand von 5 m von der Straßenfluchtlinie bzw. Straßengrenzlinie, die an der Südostecke und 45o abgeschrägt sei und sodann mit den Außenkanten des Bestandes des Einkaufszentrums verlaufe, eingetragen sei. Diese Baufluchtlinie werde durch das Bauvorhaben um 2,96 m bis 2,86 m überschritten, an der Südostecke sogar um ca. 6,50 m. Wenn dem die Beschwerdeführer nur entgegenhalten, daß die Normierungen betreffend die Baumassendichte und die Baufluchtlinie im Bebauungsplan nicht richtig erfolgt seien, da auf bereits vor der Entstehung des Bebauungsplanes genehmigte Bauwerke bei der Festlegung der Baufluchtlinie und der Baumassendichte nicht Rücksicht genommen und eine dem Bestand widersprechende Planung ausgewiesen worden sei, so verkennen sie dabei, daß sich die Baubehörden im Baubewilligungsverfahren an rechtsgültige Normierungen des Bebauungsplanes zu halten haben, ohne deren rechtliche Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen, und daß eine Bebauungsplanung keineswegs allein schon deshalb ortsplanerisch verfehlt sei, weil sie nicht den Bestand fortschreibe. Die Bebauungsplanung so wie jede Planungsmaßnahme sei ein in die Zukunft gerichtetes Entwicklungsinstrumentarium, das erkannte Fehlentwicklungen zu stoppen habe. So betrachtet ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß dem Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde bei der Erlassung des Bebauungsplanes, insbesondere bei der Festlegung der Baufluchtlinien und Baumassendichten, ein Versehen unterlaufen ist, sondern daß der Verordnungsgeber durchaus fachlich richtigen Überlegungen gefolgt ist. Daß dies im Einzelfall den Betroffenen unter Umständen Beschränkungen zugunsten der Ortsgemeinschaft auferlege, liege in der Natur des Planungsrechtes, so insbesondere auch bei der Festlegung von Baufluchtlinien und Baumassendichten. Zusammenfassend sei zu diesem Punkt festzuhalten, daß sowohl das Baubewilligungsverfahrens der Gemeindeinstanzen als auch das aufsichtsbehördliche Verfahren der belangten Behörde ergeben haben, daß mit dem Bauvorhaben die im Bebauungsplan festgelegte Baufluchtlinie und die Baumassendichte erheblich überschritten wurden und das Bauvorhaben allein schon aus diesem Grunde wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan im Sinne des § 31 Abs. 3 TBO abgewiesen werden mußte.

Zur Frage des Widerspruches des Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß gemäß § 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums nur erteilt werden darf, wenn dieses Gebäude auf einer Grundfläche, die als Sonderfläche für Einkaufszentren gewidmet ist, errichtet wird. Der im Jahre 1980 erlassene Flächenwidmungsplan der Gemeinde sehe nun aber nur für das bereits bestehende Einkaufszentrum auf der Gp. 555 die Widmung Sonderfläche Einkaufszentrum vor, während die Restfläche, also auch der Bereich des verfahrensgegenständlichen Anbaues, als Mischgebiet ausgewiesen sei. Die belangte Behörde schließe sich der Rechtsansicht der Gemeindeinstanzen an, daß das beantragte Projekt als der Versuch einer Vergrößerung des bestehenden Einkaufszentrums ohne Vorliegen der geforderten Sonderflächenwidmung anzusehen sei. Die Argumentation der Beschwerdeführer, daß im Zubaubereich nicht Waren des täglichen Bedarfes oder Lebensmittel angeboten würden sowie daß ein separater Zugang und eine eigene Kundenkassa vorgesehen wären und deshalb eine Sonderflächenwidmung nicht erforderlich sei, könne sich nicht auf das Tiroler Raumordnungsgesetz stützen, da der Gebäudekomplex als Gesamtheit zu beurteilen sei und das Einkaufszentrum unbestrittenermaßen auch Waren des täglichen Bedarfes und Lebensmittel anbiete. Mit der Begründung, daß im beantragten Zubaubereich lediglich Campingartikel, Kinderwägen etc. zum Verkauf gebracht würden, sei keineswegs ein taugliches juristisches Argument dafür geliefert, daß dieser Teil des Einkaufszentrums lediglich einer Flächenwidmung als Mischgebiet bedürfe. Es hätten daher die Gemeindeinstanzen den Anbau des Verkaufslagers an der Südwestseite des bestehenden Einkauftszentraums mangels Vorliegens einer Sonderflächenwidmung nicht genehmigen können.

Im übrigen sei gemäß § 31 Abs. 4 lit. d TBO ein Bauvorhaben ferner abzuweisen, wenn es das Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild erheblich nachteilig beeinflußt. Vom Gemeindevorstand sei bei seiner Entscheidung auch dieser Abweisungsgrunde releviert worden, wogegen die Beschwerdeführer fachliche und verfahrensrechtliche Bedenken in der Vorstellung vorgebracht hätten. Im Hinblick auf die bereits erwähnten Abweisungsgründe, komme diesem Abweisungsgrund zwar keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu, doch werde der Vollständigkeit halber dazu bemerkt, daß die Beschwerdeführer im Gutachten des Sachverständigen sehr wohl mit diesem Problemkreis konfroniert worden seien und dazu in ihrem Schriftsatz vom 2. Dezember 1987 Stellung beziehen konnten. Wenn es für die Beschwerdeführer "nicht erfindlich" sei, warum durch eine zurückversetzte Verglasung der bisher offenen Flugdächer eine nachteiliger Eindruck für das Orts- und Landschaftsbild entstehen solle, so könne sich die belangte Behörde unter Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen dieser Meinung nicht anschließen, da das beantragte Bauvorhaben sehr wohl das überdimensionierte großvolumige Erscheinungsbild des Einkaufszentrums auf äußerst störende Weise zusätzlich verstärke.

Die Überprüfung des angefochtenen Bescheides habe ergeben, daß die von den Gemeindeinstanzen angeführten Gründen für die Abweisung des Bauansuchens tatsächlich vorliegen und die Beschwerdeführer durch die Gemeindeentscheidung in keinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt worden seien. Es sei die Vorstellung daher als unbegründet abzuweisen. Die Baubehörde werde bei dieser Sach- und Rechtslage nunmehr gemäß § 44 Abs. 3 lit. a letzter Satzteil der Tiroler Bauordnung den Abbruch der konsenslosen baulichen Anlage anzuordnen haben.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 26. September 1988, B 1057/88-8, die Behandlung der von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid vorerst vor ihm erhobenen Beschwerde unter gleichzeitiger Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ab. Aus der ergänzten Beschwerde ist zu erkennen, daß die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer selbst bringen vor, daß sie die Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums anstreben, müssen aber zugeben, daß auf Grund "eines Planungsfehlers" der Gemeinde das hiefür in Aussicht genommene Grundstück die dazu nach § 16 b TROG 1984 erforderliche Sonderflächenwidmung "Einkaufszentrum" nicht aufweist, sondern daß dieses Grundstück als "Mischgebiet" ausgewiesen ist. Da die Verwaltungsbehörden und die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde jedoch an den jeweils gültigen Flächenwidmungsplan gebunden sind, gehen die Beschwerdeausführungen hinsichtlich der angeblich unrichtigen Anwendung des Flächenwidmungsplanes, der Baufluchtlinie, der Straßenfluchtlinie und der Baumassendichte ins Leere. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes keine Bedenken und es haben auch die Beschwerdeführer in der ergänzten Beschwerde keine neuen Gesichtspunkte zur Frage der Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes aufgezeigt. Da ohne die erforderliche Widmung ein Einkaufszentrum aber rechtens nicht erweitert werden kann, liegt diesbezüglich auch die behauptete Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer nicht vor.

Auf Grund gegebener Sach- und Rechtslage kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid, den sie - wie oben wiedergegeben - ausführlich und zutreffend begründet hat, Rechte der Beschwerdeführer verletzt hat, wenn sie die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 10. Februar 1988 erhobene Vorstellung mit der von ihr gegebenen Begründung abgewiesen hat. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei auf das Vorbringen, das sich mit der Verletzung von verfassungsrechtlch gewährleisteten der Beschwerdeführer befaßt, mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988060222.X00

Im RIS seit

19.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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