TE Vfgh Erkenntnis 1988/12/7 B1369/88

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Veröffentlicht am 07.12.1988
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Index

L3 Finanzrecht
L3706 Kurzparkzonenabgabe, Parkabgabe

Norm

Wr ParkometerG §1a
FAG-Nov 1986 ArtII

Leitsatz

Wr. ParkometerG; §1a idF BGBl. 24/1987 betreffend Lenkerauskunft durch Verfassungsbestimmung des ArtII der FAG-Nov. BGBl. 384/1986 verfassungsrechtlich gedeckt

Spruch

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Wiener Landesregierung erkannte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Mai 1988 die Bf. schuldig, dadurch Verwaltungsübertretungen nach §1a des (Wiener) Parkometergesetzes, LGBl. Nr. 47/1974 idF der Nov. LGBl. Nr. 24/1987 (künftig: Wr. ParkometerG) begangen zu haben, daß sie den Verlangen des Magistrats vom 1. und vom 2. Juli 1987, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu geben, wem sie das Lenken eines bestimmten PKW (dessen Zulassungsbesitzerin die Bf. ist) überlassen hat, welches zu bestimmten Zeitpunkten in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone Wien 1, Stallburggasse 4 abgestellt war, nicht entsprochen habe. Über die Bf. wurden gemäß §4 Abs2 Wr. ParkometerG Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §1a Wr. ParkometerG) behauptet wird. Die Bf. regt an, von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser landesgesetzlichen Vorschrift einzuleiten. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die Wiener Landesregierung als bel. Beh. legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Bf. begründet ihre Behauptung, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden zu sein, ausschließlich damit, daß §1a Wr. ParkometerG (idF der Nov. 1987) verfassungswidrig sei, dies aus den gleichen Gründen, die dazu geführt hätten, daß der VfGH mit dem Erkenntnis vom 27. Juni 1985 G154/84 u.a. Zlen. (= VfSlg. 10 505/1985) die Vorgängerbestimmung als verfassungswidrig aufhob.

2. Dieser Vorwurf trifft nicht zu:

a) aa) Seit dem soeben zitierten Erkenntnis hat sich die maßgebende Rechtslage geändert:

Der als Verfassungsbestimmung erlassene ArtII des BG vom 26. Juni 1986, BGBl. Nr. 384, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1985 geändert wird, (FAG-Nov. 1986), lautet:

"Wenn die Länder bei der Regelung der Erhebung von Abgaben für das Abstellen von Fahrzeugen und Kraftfahrzeugen den (die) Zulassungsbesitzer und weiters jeden, der einer dritten Person die Verwendung eines Fahrzeuges oder das Lenken eines Kraftfahrzeuges überläßt, verpflichten, über Verlangen der Behörde darüber Auskunft zu geben, wem er (sie) das Fahrzeug oder Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat (haben), so treten Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, zurück."

Diese Vorschrift ist der Verfassungsbestimmung des ArtIII Abs2 FAG-Nov. 1986 zufolge (rückwirkend) mit 1. Juni 1986 in Kraft getreten.

Die Regierungsvorlage zur nachmaligen FAG-Nov. 1986 (998 BlgNR 16. GP) führt zu ArtII in den Erläuterungen - nach einem Hinweis auf das den seinerzeitigen §1a des Wr. ParkometerG aufhebende, oben erwähnte hg. Erkenntnis G154/84 - aus:

"Ohne die Möglichkeit, Lenkererhebungen durchführen zu können, wäre das Wiener Parkometergesetz nicht vollziehbar.

Da gleichlautende Bestimmungen in Abgabengesetzen (Parkgebührengesetze, Kurzparkzonenabgabegesetze) anderer Länder ebenfalls von der Aufhebung durch den VfGH bedroht sind, soll für alle Länder generell durch eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung die Möglichkeit geschaffen werden, die erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen über die Lenkererhebungen, die im Zusammenhang mit den Parkgebührengesetzen erforderlich sind, zu erlassen."

Im Ausschußbericht (1025 BlgNR 16. GP) wird die Absicht geäußert, "die erforderlichen Lenkererhebungen im Zusammenhang mit den Parkgebührengesetzen der Länder rechtlich abzusichern".

bb) Mit der Nov. zum Wr. ParkometerG vom 27. März 1987, LGBl. Nr. 24, erhielt §1a folgende Fassung:

"§1a. (1) Der Zulassungsbesitzer und jeder, der einem Dritten das Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges oder die Verwendung eines mehrspurigen Fahrzeuges überläßt, für deren Abstellen Parkometerabgabe zu entrichten war, hat, falls das Kraftfahrzeug oder das Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt war, dem Magistrat darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug oder das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen gehabt hat.

(2) Die Auskunft, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten muß, ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen."

b) aa) Der als Verfassungsbestimmung erlassene ArtII FAG-Nov. 1986 wendet sich - wie sich schon aus dem Wortlaut, aber auch aus seinem Zweck, der systematischen Stellung in einer Nov. zum FAG und der Entstehungsgeschichte ergibt - an den Landesgesetzgeber und ermächtigt ihn, in den Parkgebührengesetzen die Verpflichtung zur Erteilung von Lenkerauskünften vorzusehen.

Mit dieser Ermächtigung wollte der Verfassungsgesetzgeber die Realisierung eines bestimmten rechtspolitischen Anliegens ermöglichen, von dem er - ob zu Recht oder zu Unrecht hat der VfGH nicht zu beurteilen - annahm, daß ihm nicht anders als durch das Institut der sogenannten Lenkerauskunft entsprochen werden könne. Der Verfassungsgesetzgeber hat mit dieser Ermächtigung auch die Einschränkung des aus dem Anklageprinzip des Art90 Abs2 B-VG - auch für Verwaltungsstrafverfahren - erfließenden Grundsatzes in Kauf genommen, daß niemand unter Strafsanktion gezwungen werden darf, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen (vgl. VfSlg. 9950/1984, 10394/1985). Auf eine Verpflichtung zur Selbstbeschuldigung läuft §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1987 ebenso hinaus wie die durch das zitierte Erkenntnis aufgehobene Vorgängerbestimmung des §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983; daß der neue §1a Wr. ParkometerG mit der alten Regelung in Zielrichtung und allen wesentlichen Bestimmungen übereinstimmt, ist evident.

bb) Der VfGH bleibt bei seinem in der bisherigen Judikatur (vgl. zB VfGH v. 29.9.1988 G72/88 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) eingenommenen Standpunkt, daß einer Verfassungsbestimmung im Zweifel kein Inhalt beizumessen ist, der sie in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art44 Abs3 B-VG) stellen würde (baugesetzkonforme Interpretation - vgl. etwa VfSlg.11403/1987). Zu einem solchen Widerspruch könnten Eingriffe in die Grundprinzipien der Bundesverfassung, wie etwa eine Einschränkung der Gesetzesprüfungskompetenz des VfGH oder eine Durchbrechung der Grundrechtsordnung, nicht nur führen, wenn schwerwiegende und umfassende Eingriffe in die Grundprinzipien vorgenommen werden; vielmehr können auch bloß partiell wirkende Maßnahmen - gehäuft vorgenommen - im Effekt zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führen (vgl. VfSlg. 11756/1988).

Der VfGH sieht sich aber im vorliegenden Fall angesichts der - der Sache und des Anwendungsbereichs der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung nach - eng begrenzten Ermächtigung des ArtII FAG-Nov. 1986 und angesichts der Tatsache, daß die Erlassung dieser Verfassungsbestimmung noch keineswegs zu einer (baugesetzwidrigen) Häufung von die leitenden Grundsätze des Bundesverfassungsrechts berührenden Maßnahmen führt, nicht veranlaßt, den durch die Entstehungsgeschichte und die Bedachtnahme auf die Notwendigkeit einer systematischen und teleologischen Interpretation des ArtII FAG-Nov. 1986 unter sublit. aa) dargelegten Inhalt dieser Bestimmung im Hinblick auf das Erfordernis einer baugesetzkonformen Auslegung von Verfassungsnormen in Zweifel zu ziehen (vgl. auch hiezu VfGH 29.9.1988 G72/88).

cc) Aus dem Gesagten folgt, daß §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1987 durch die Verfassungsbestimmung des ArtII FAG-Nov. 1986 verfassungsrechtlich gedeckt ist, weshalb gegen §1a Wr. ParkometerG unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

3. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Parkometerabgabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1369.1988

Dokumentnummer

JFT_10118793_88B01369_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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