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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
ProstitutionsV Villach vom 4. September 1987; ortspolizeiliche V iS des Art118 Abs6 B-VG; in der Öffentlichkeit in Erscheinung tretende Formen der Prostitution gehören zur Materie Sittlichkeitspolizei (Art118 Abs3 Z8 B-VG); kein Verstoß gegen Art8 MRK; ausreichende Determinierung iS des Art18 B-VG; Beschränkung der Ausübung der Prostitution auf Betriebe unter Verbot des "Gassenstrichs" adäquates Mittel zur Abwehr von MißständenSpruch
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bf. suchte am 26. Mai 1987 um Genehmigung zur Ausübung der Prostitution in ihrer Wohnung im Haus Villach, ..., an. Der Stadtsenat der Stadt Villach wies mit dem im Gemeindeinstanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. Oktober 1987 gemäß §4 der V des Gemeinderates der Stadt Villach vom 14. Mai 1987, mit der sittenpolizeiliche Regelungen über die Prostitution erlassen werden (Prostitutionsverordnung), idF der V des Gemeinderates vom 4. September 1987 - im folgenden kurz: PrV Villach - diesen Antrag ab und trug der Bf. nach §8 der V die unverzügliche Schließung des Betriebes auf.
Dagegen erhob die Bf. Vorstellung, die mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. Mai 1988 abgewiesen wurde.
2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (der PrV Villach) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Die Beschwerde wird ausschließlich damit begründet, daß die PrV Villach rechtswidrig sei.
3. Die Kärntner Landesregierung als bel. Beh. legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der begehrt wird, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Der Gemeinderat der Stadt Villach übermittelte den die PrV Villach betreffenden Verordnungsakt.
II. 1. Die PrV Villach wird auf §9 des Villacher Stadtrechtes, LGBl. 2/1966, idF der Nov. LGBl. 51/1986 gestützt. Diese landesgesetzliche Bestimmung lautet:
"§9. (1) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Stadt das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
(2) Ortspolizeiliche Verordnungen hat der Bürgermeister zu erlassen, wenn sie der Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die körperliche Sicherheit von Menschen oder für das Eigentum dienen. Sonstige ortspolizeiliche Verordnungen hat der Gemeinderat zu erlassen."
2. Die vom Gemeinderat beschlossene PrV Villach hat folgenden Wortlaut:
"Auf Grund des §9 des Villacher Stadtrechtes, LGBl. Nr. 2/1966 in der derzeit geltenden Fassung, wird verordnet:
§1
Im Gemeindegebiet der Stadt Villach ist jede der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution, sowie alle der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tretenden Handlungen von Personen, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielen, sowie jegliche Werbung hiefür auf allen allgemein zugänglichen Straßen, Gassen, Wegen, Plätzen, Anlagen und dergleichen und in deren unmittelbarer Umgebung verboten.
§2
Von diesem Verbot abgesehen, ist die Ausübung der Prostitution nur in eigens dafür bestimmten Anlagen, Objekten, Räumlichkeiten oder sonstigen Einrichtungen zulässig, wenn dafür eine behördliche Genehmigung nach §3 vorliegt.
§3
1) Wer beabsichtigt, in von ihm genutzten Anlagen, Objekten, Räumlichkeiten oder sonstigen Einrichtungen die Ausübung der Prostitution zu ermöglichen (Bordell oder bordellähnlicher Betrieb), hat bei der Stadt Villach um die Genehmigung anzusuchen.
2) Der Genehmigung sind alle erforderlichen Unterlagen, wie insbesondere
a) ein Plan über die benützten Räumlichkeiten, die sanitären Anlagen, die Art und Zahl der Nebenräume und der Aufenthaltsräume für Besucher,
b) die Bekanntgabe der Öffnungszeiten und
c) der Nachweis des Eigentums an der Liegenschaft oder wenn der Bewilligungswerber nicht selbst Liegenschaftseigentümer ist dessen schriftliche Zustimmungserklärung anzuschließen.
3) Gleichzeitig ist eine ohne Schwierigkeiten ständig im Bordell oder bordellähnlichen Betrieb erreichbare Person namhaft zu machen, der die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften obliegt.
§4
1) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn
a) der Bewilligungswerber oder die ständig erreichbare Person den Nachweis der Verläßlichkeit und der Unbescholtenheit erbringen und vom Wahlrecht zum Gemeinderat nicht ausgeschlossen sind. Außerdem haben sie nachzuweisen, daß sie kein Vergehen nach dem Suchtgiftgesetz begangen haben;
b) im Hinblick auf die Räumlichkeiten und der Ausstattung bau- und sanitätspolizeilich keine Hinderungsgründe vorliegen;
c) im Hinblick auf die Lage zu erwarten ist, daß durch den Betrieb, insbesondere durch die Zu- und Abfahrten während der Öffnungszeiten keine unzumutbare, über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Lärmbelästigung der Nachbarschaft entsteht;
d) im Hinblick auf den dörflichen Charakter einer Ortschaft durch den Betrieb eines Bordells oder einer bordellähnlichen Einrichtung eine vollkommen untypische Verwendung eines Gebäudes nicht gegeben ist.
2) Die Genehmigung darf auch unter Auflagen erteilt werden, die geeignet sind, die öffentlichen Interessen gemäß §4 Abs1 litc und d zu wahren. Insbesondere kann durch Auflagen bestimmt werden, daß im Bordell oder in der bordellähnlichen Einrichtung keine Personen die Prostitution ausüben dürfen, die nicht den Anforderungen nach §4 Abs1 lita entsprechen.
3) Verboten ist jede Kennzeichnung des Gebäudes die unmittelbar auf dessen Verwendung als Bordell oder bordellähnlichen Betrieb hinweist (z.B. durch Leuchtreklamen und ähnliches).
§5
Der Stadt Villach ist unverzüglich jeder Wechsel in der verantwortlichen Person anzuzeigen.
§6
Die Stadt Villach hat die Schließung des Bordells oder der bordellähnlichen Einrichtung anzuordnen, wenn der Betrieb ohne Bewilligung oder gegen den Bewilligungsbescheid erfolgt oder wenn die verantwortliche Person auf Grund einer Anzeige in Hinkunft nicht die Voraussetzungen nach §4 Abs1 lita erfüllt.
§7
Der Bewilligungswerber oder die Person, die ständig anwesend ist, hat den mit der Überwachung betrauten Bediensteten der Stadt Villach und den Organen der Bundespolizeidirektion Villach zu jeder Zeit Eintritt in das Bordell oder den bordellähnlichen Betrieb zu gewähren.
§8
Die Stadt Villach hat bescheidmäßig die Schließung aufzutragen, wenn ein Bordell oder ein bordellähnlicher Betrieb ohne Bewilligung oder abweichend von einer Bewilligung betrieben wird.
§9
Übergangsbestimmungen
Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser V haben bestehende Bordelle oder bordellähnliche Betriebe binnen einem Monat um die Bewilligung anzusuchen. Wird um die Genehmigung innerhalb dieser Frist nicht angesucht, sind diese Betriebe nach Ablauf dieser Frist so zu behandeln, als ob sie ohne Genehmigung betrieben werden.
§10
Strafbestimmungen
1. Übertretungen dieser V und der darauf gegründeten behördlichen Anordnungen werden als Verwaltungsübertretung geahndet, und nach Artikel VII EGVG 1950 bestraft.
2. Der Versuch ist strafbar.
§11
Diese V tritt mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft. Gleichzeitig tritt die mit Gemeinderatsbeschluß vom 21. Oktober 1977 beschlossene Prostitutionsverordnung außer Kraft."
III. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Die PrV Villach ist keine Durchführungsverordnung iS des Art18 Abs2 B-VG, sondern eine - selbständige (verfassungsunmittelbare), gesetzesergänzende - ortspolizeiliche V nach Art118 Abs6 B-VG und der gleichlautenden Vorschrift des §9 des Villacher Stadtstatuts (s.o. II.1.).
Die Beschwerdeausführungen, die die PrV Villach als Durchführungsverordnung betrachten, gehen sohin ins Leere.
Ortspolizeiliche Verordnungen dürfen den zuletzt zitierten Rechtsvorschriften zufolge nach freier Selbstbestimmung der Gemeinde unter den folgenden drei Voraussetzungen erlassen werden:
aa) Zum ersten muß eine ortspolizeiliche V in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung der Gemeinde nach Art118 Abs2 und 3 B-VG im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet ist,
bb) zum zweiten darf die V nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen und
cc) zum dritten muß die V den Zweck verfolgen, die das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißstände abzuwehren oder zu beseitigen (s. zB VfSlg. 7960/1976, 9762/1983, 10274/1984).
b) Die Bf. bestreitet das Vorliegen dieser Voraussetzungen und begründet dies - zusammengefaßt - wie folgt:
Die PrV Villach erfasse jegliche Form der Prostitution (ob gewerblich oder nichtgewerblich, ob öffentlich oder nichtöffentlich), also auch solche Formen, die die Sittlichkeit nicht verletzen oder gefährden. Die Prostitution werde zu einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit und dürfe nur in behördlich bewilligten Räumen ausgeübt werden.
Damit aber greife die PrV Villach in eine Kompetenz ein, die dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Die V gehe über das Ziel, störende Mißstände abzuwehren hinaus und regle nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallende Agenden. So behandle sie auch Angelegenheiten des Gewerbes (Art10 Abs1 Z8 B-VG).
Die PrV Villach enthalte zahlreiche, dem Determinierungsgebot des Art18 B-VG widersprechende unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermächtigungen zur Ermessensübung (so etwa §4 Abs1 litc und §9).
§3 PrV Villach regle - kompetenzwidrigerweise - Fragen des Zivilrechtes.
Schließlich verletze die V auch Art8 MRK, da auch "die private Hingabe, um eines Entgeltes willen, außerhalb jeder Öffentlichkeit genehmigungspflichtig und strafbar" sei; damit werde in die Privatsphäre eingegriffen.
c) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles nicht das Bedenken, daß die PrV Villach (aus den von der Bf. vorgetragenen oder sonstigen Gründen) nicht allen in der vorstehenden lita aufgezählten Voraussetzungen für die Erlassung einer ortspolizeilichen V entsprochen hätte (wobei sich die folgenden Erörterungen, nur auf die präjudiziellen Verordnungsstellen beziehen):
aa) Die "Sittlichkeitspolizei" gehört dem Art118 Abs3 Z8 B-VG zufolge zu den den Gemeinden gewährleisteten Selbstverwaltungsaufgaben; die Ordnung und Überwachung der Prostitution zählt zur Sittlichkeitspolizei, sofern es darum geht, Gefahren abzuwehren, die der Sittlichkeit durch die Ausübung der Prostitution drohen; der Sittlichkeit drohende Gefahren können zumindest von einigen Erscheinungsformen der Prostitution (etwa vom sogenannten "Gassenstrich") ausgehen; insoweit gehört die Regelung der Prostitution zum Tatbestand "Sittlichkeitspolizei"; damit im Zusammenhang stehende behördliche Aufgaben sind gemäß Art118 Abs3 Z8 B-VG der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet; lediglich solche Formen der Prostitution, die der Öffentlichkeit gegenüber nicht in Erscheinung treten (die Sittlichkeit also nicht bedrohen), fallen nicht unter Art118 Abs3 Z8 B-VG (vgl. zB VfSlg. 10274/1984 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur, insbesondere VfSlg. 7960/1976 und 8734/1980).
§1 PrV verbietet den (der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tretenden) "Gassenstrich". Die Erlassung eines solchen Verbotes gehört nach dem Gesagten gemäß Art118 Abs3 Z8 B-VG zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
Die §§2 ff. knüpfen die "Ausübung der Prostitution", die nicht in Form des Gassenstriches erfolgt, (also die Prostitution in Bordellen oder die "Wohnungsprostitution") an bestimmte Voraussetzungen.
Nach dem Sprachgebrauch ist unter "Prostitution" nur die gewerbsmäßige Unzucht gemeint. Die V regelt also nur die gewerbsmäßige Unzucht. Auch das Postulat der verfassungskonformen Auslegung führt zu diesem Ergebnis. Die gewerbsmäßige Unzucht tritt nun aber - wie der VfGH etwa im Erkenntnis VfSlg. 8272/1978 dargetan hat - der Öffentlichkeit gegenüber notwendig in Erscheinung; daher zählt auch die Regelung der in den §§2 ff. PrV Villach angeführten Tätigkeiten zur Sittlichkeitspolizei und damit zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
Es bestehen also keine Bedenken ob der Zugehörigkeit der von der PrV Villach geregelten Materie zur Sittlichkeitspolizei (Art118 Abs3 Z8 B-VG) und damit zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
bb) Unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles ist auch die Annahme nicht begründet, daß die PrV Villach gegen bestehende generelle Bundes- oder Landesnormen verstoße:
a1) Zunächst ist festzuhalten, daß derzeit in Kärnten die Prostitution nicht durch Landesgesetz geregelt ist.
Zu untersuchen bleibt aber, ob die PrV Villach etwa wie die Bf. meint - gegen bundesverfassungsgesetzliche Vorschriften verstößt, die (in gleicher Weise wie für Gesetze auch für ortspolizeiliche Verordnungen) einen den Gestaltungsfreiraum des Normsetzers absteckende Grenze sind.
a2) So ist insbesondere Art8 MRK in Betracht zu ziehen. Es widerspräche tatsächlich - und hierin ist der Bf. beizupflichten - dem die Privatsphäre schützenden Art8 MRK, wenn die PrV Villach die in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung tretende geschlechtliche Hingabe (auch wenn sie um einer Entlohnung wegen erfolgt) regeln würde (vgl. VfSlg. 8272/1978). Wie in der vorstehenden sublit. aa dargetan wurde, erfaßt die PrV Villach aber nur den "Gassenstrich" (der von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt bleibt) und die in Häusern stattfindende gewerbsmäßige Prostitution (die der Öffentlichkeit gegenüber notwendig in Erscheinung tritt - vgl. zB VfSlg. 8272/1978).
a3) Das in Art18 B-VG für Gesetze postulierte Determinierungsgebot gilt auch für gesetzesergänzende Verordnungen (vgl. VfSlg. 4572/1963, 5637/1967). Der Inhalt der in der PrV Villach verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ist jeweils (allenfalls im Zusammenhalt mit den übrigen Verordnungsbestimmungen) im Auslegungsweg feststellbar; das hier der Behörde eingeräumte freie Ermessen widerspricht nicht den Anforderungen des Art130 Abs2 B-VG. So ist §4 Z1 PrV Villach dahin zu verstehen, daß die Behörde die Genehmigung zu erteilen hat, wenn die hier genannten Voraussetzungen vorliegen.
Die Lösung der Frage, was im speziellen unter dem in der litc dieser Verordnungsstelle erwähnten Lärm zu verstehen ist, bleibt keineswegs dem Belieben der Behörde überlassen, sondern kann schon anhand der reichhaltigen Judikatur zum Lärmbegriff auf eine für die Normunterworfenen vorhersehbare Weise gefunden werden.
§9 PrV ist eine Übergangsregel. Die hier vorgesehene Frist gilt nur für "bestehende Bordelle oder bordellähnliche Betriebe". Dem Wortlaut, Sinn und systematischen Zusammenhalt (insbesondere mit den §§1 und 2) zufolge ist darunter jede in einem Haus (iS des §2) ausgeübte gewerbsmäßige Unzucht zu verstehen, gleichgültig, ob mehrere Prostituierte im "Betrieb" tätig sind oder ob es sich um eine einzelne Prostituierte handelt; auch für sie gilt die im §9 erwähnte Frist. Diese Vorschrift ist also - entgegen der Meinung der Bf. - durchaus klar.
a4) Wie in der folgenden sublit. cc dargetan wird, dient die PrV Villach der Beseitigung und der Abwehr von Mißständen in der Bedeutung des Art118 Abs6 B-VG.
Aus dieser Verfassungsbestimmung ergibt sich, daß eine ortspolizeiliche V zur Zielerreichung tauglich und adäquat sein muß. Der Sache nach meint die Bf., daß die getroffene Regelung nicht adäquat sei.
Der VfGH teilt diese Bedenken nicht: Im Hinblick auf die bestehenden oder zu erwartenden Mißstände war es nicht unangemessen, den "Gassenstrich" überhaupt zu verbieten und die Prostitution auf Bordelle und "bordellähnliche Betriebe" zu beschränken. Dann aber ist es nahezu unvermeidlich, hiefür nähere Reglementierungen zu treffen, so über die "Betriebsstätte" und die persönlichen Voraussetzungen des Verantwortlichen. (Entgegen der Ansicht der Bf. gilt §4 Z1 lita PrV Villach über die persönlichen Voraussetzungen grundsätzlich nicht für die Prostituierte, sondern für den Betriebsverantwortlichen, es sei denn, sie ist selbst der Betriebsverantwortliche).
a5) Damit ist dargetan, daß die Regelung auch nicht dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht.
Bei diesem Ergebnis braucht auch auf den von der Bf. erhobenen Vorwurf einer Verletzung des durch Art6 StGG gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit nicht eingegangen zu werden.
cc) In dem die PrV Villach betreffenden Akt findet sich folgender, diese V motivierender, vom Magistrat dem Gemeinderat erstatteter Amtsvortrag vom 10. Feber 1987:
"In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden aus der Bevölkerung über die Ausübung der Prostitution in Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben. So haben sich in einigen Miteigentumswohnanlagen Prostituierte eingemietet, wobei es in diesen Häusern insbesonders in den Abend- und Nachtstunden, aber auch tagsüber, zu unhaltbaren Belästigungen der Mitbewohner kommt. Unterschriftenlisten dieser Mitbewohner um Abstellung dieser Zustände wurden vorgelegt. Aber auch die Ausübung der Prostitution in eigens hiefür angekauften oder gemieteten Häusern soll einer Bewilligungspflicht unterworfen werden.
. . . . . . .".
Der VfGH kann dem Gemeinderat nicht entgegentreten, wenn er davon ausgegangen ist, es sei durch die bisher geübten Formen der Prostitution ein Mißstand eingetreten oder zumindest zu erwarten, den es zu beseitigen oder abzuwehren gelte.
d) Der VfGH hegt also gegen die PrV Villach unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Da gegen die sonstigen, den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften gleichfalls keine derartigen Bedenken bestehen und dem bekämpften Bescheid keine in die Verfassungssphäre reichende Fehler anzulasten sind (solche macht die Bf. im übrigen gar nicht geltend), ist die Bf. durch den angefochtenen Bescheid weder in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm noch in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.
Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen, jedoch antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem VwGH abzutreten.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
4. Der obsiegenden bel. Beh. war nicht - wie beantragt - ein Kostenersatz zuzuerkennen, weil nach §88 VerfGG ersatzfähige Kosten (etwa Reisekosten) nicht entstanden sind.
Schlagworte
Gemeinderecht, Verordnung (Gemeinde-), Wirkungsbereich eigener, Sittlichkeitspolizei, Prostitution, Rechtsbegriffe unbestimmteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1289.1988Dokumentnummer
JFT_10118793_88B01289_00