Index
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des Franz M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Juni 1990, Zl. R/1-V-8791, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde U), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 5. August 1983 beantragte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau die Erteilung der Baubewilligung für einen Zubau eines Vorraumes zum bestehenden Wohnhaus in U, Parzelle Nr. nn1, KG U. In der über dieses Ansuchen am 12. August 1983 durchgeführten Bauverhandlung wurde vereinbart, daß die im Einreichplan vorgesehene Reiche anstelle der 25 cm starken Brandwand mit einer 12 cm starken Vollziegelmauer, beidseitig verputzt, ausgeführt werde. Der Abstand von der bestehenden Brandwand des Anrainers wurde mit 70 cm festgelegt (von Putzaußenkante zu Putzaußenkante). Die Restfläche des bestehenden Daches (Altbestand im Bereich der Reiche von 70 cm) sollte mit einer Hängerinne versehen werden, die in die bestehende Rinne des Anrainers einmünden sollte. Die Ableitung des Regenwassers vom neu zu errichtenden Dach sollte über eine Hängerinne und ein Abfallrohr im Bereich des Pfeilers am anderen Ende der Reiche auf eigenem Grund des Beschwerdeführers erfolgen. Die Reiche sollte dachseitig nicht abgedeckt werden. Mit Bescheid vom 16. August 1983 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau die beantragte Baubewilligung, wobei im Spruch ausgeführt wurde, daß das Protokoll über die Bauverhandlung in Abschrift beiliege und einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilde.
Auf Grund einer Anzeige der Anrainer wurde am 22. Mai 1985 eine besondere Beschau zum Zweck der Bauüberwachung und Feststellung von Baugebrechen auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers durchgeführt. Anläßlich dieser Verhandlung wurde festgestellt, daß anstelle des 12 cm starken Vollziegelmauerwerkes eine 10 cm starke DÜWA-Wand (Hohlziegelmauerwerk) errichtet wurde, das Dach über diese Wand zur Reiche hin 25 bis 40 cm vorspringt und der Dachsparren über die Brandwand ragt. Nach Ansicht des Amtssachverständigen sollte die Hohlziegelwand abgetragen und durch eine 12 cm starke Vollziegelmauer ersetzt werden, da nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung die Brandbeständigkeit der DÜWA-Wand nicht gegeben sei. Diese Brandwand müßte bis zur Dacheindeckung brandbeständig ausgeführt werden. Über diese Brandwand dürften keine Holzteile ragen, der bestehende Dachvorsprung sei daher zu entfernen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers weigerte sich, diese Niederschrift zu unterfertigen, da sie diese zuerst ihrem Ehemann zeigen wollte, der nicht an der Verhandlung teilgenommen hatte. In der Folge legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der "Baustoffirma Wienerberger" vor, in dem diese mitteilte, daß eine 10 cm starke DÜWA-Wand bei sach- und fachgerechter Verarbeitung der Brandschutzklasse F 90 entspreche.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1985 erhob der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau Widerspruch gegen die Niederschrift vom 22. Mai 1985 und führte aus, daß das neu errichtete Hohlziegelmauerwerk aus 10 cm starken DÜWA-Ziegeln im Sinne der Brandbeständigkeit ausreiche, somit der seinerzeitigen Auflage der Baubehörde entspreche und in der ausgeführten Form bestehen zu bleiben habe. Der Abstand von 70 cm zwischen den beiden Brandwänden sei eingehalten worden. Der über die Brandwand hinausreichende Dachvorsprung könne ebenfalls in der bestehenden Form verbleiben, dies mit Rücksicht auf die beim Altbestand der Einfahrt vorhandenen Holzteile und auf das im Bereich der neu geschaffenen Reiche in der Brandwand der Anrainer angebrachte Fenster im Ausmaß von etwa 80 x 80 cm. Dem Schreiben wurde eine Bestätigung der G-Baugesellschaft m.b.H. beigelegt, wonach die Standsicherheit der äußeren Brandwand nur dann gegeben sei, wenn die maximal zulässige Schlankheit (h:d = 25:1) nicht überschritten würde. Laut Naturmaß betrage nach dieser Bestätigung die mittlere Höhe der Wand 4,25 m, aus diesem Grund müsse die Wandstärke inklusive Verputz mindestens 17 cm betragen. Um die Mindestwandstärke zu erreichen, sollte eine weitere Verputzlage von 4 cm Dicke im Durchfahrtbereich aufgetragen werden.
Am 23. Oktober 1985 wurde eine neuerliche "besondere Beschau" an Ort und Stelle durchgeführt, wobei festgestellt wurde, daß die Seitenwand an der Grundgrenze zum Anrainer aus 10 cm starken DÜWA-Steinen, beidseitig verputzt, ausgeführt wurde. Weiters wurde festgestellt, daß nach vorliegenden Attesten eine 10 cm starke Wand aus DÜWA-Steinen der Brandwiderstandsklasse F 90 entspreche, dies treffe allerdings nur zu, wenn die Schlankheit der Wand (h:d = 25:1) betrage. Bei einer Wandhöhe von 4,25 m müßte laut Gutachten, das der Bausachverständige während der Verhandlung erstellte, in dieser Ausführung die DÜWA-Wand inklusive beiderseitigem Verputz eine Stärke von mindestens 17 cm haben. Das Dach rage etwa 20 cm seitlich über die beschriebene Brandwand hinaus. Der Dachvorsprung sei an der Untersicht mit einer Holzschalung versehen und der zugehörige Sparren sei ebenfalls unverkleidet. Der Dachvorsprung, der über der Reiche angebracht sei, sei in nicht brennbaren Materialien auszuführen. Es würde auch genügen, die Verschalung bzw. den Sparren derart auszuführen, daß diese Dachteile der Brandwiderstandsklasse F 90 entsprechen. Dies könnte durch entsprechende Verkleidung bzw. Imprägnierung erreicht werden. Die Verkleidung der Abschlußwand am Ende der Reiche sei ebenfalls aus nicht brennbaren Materialien herzustellen. Diese Verkleidung müsse den Bestimmungen des § 35 der NÖ Bauordnung (BO) genügen. Die Arbeiten seien bis spätestens August 1986 auszuführen.
Mit Bescheid vom 11. November 1985, Zl. BA 46/83 und GZ 557/85, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer und dessen Ehefrau gemäß § 109 Abs. 1 BO den Auftrag, die im Beschauprotokoll angeführten Maßnahmen bis längstens 31. August 1986 durchzuführen. Die Niederschrift über die Beschau vom 23. Oktober 1985 bilde einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides.
Gegen diesen Bescheid hat offensichtlich der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau die Berufung eingebracht, die jedoch nicht im Akt einliegt. Im Akt befindet sich lediglich eine Berufung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau vom 10. Jänner 1986, die sich jedoch gegen einen anderen Bescheid (GZ BA 103/73 bzw. 76/78 und GZ 648/85, mit dem den Anrainern ein baupolizeilicher Auftrag erteilt wurde) richtete.
Mit Bescheid vom 29. April 1987 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung des Beschwerdeführers und dessen Ehefrau gegen den an sie gerichteten Bescheid des Bürgermeisters vom 11. November 1985 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die errichtete Brandwand erreiche nicht die erforderliche Brandwiderstandsklasse F 90. Darüber hinaus habe der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, daß der Dachvorsprung, der über der Reiche angebracht sei, aus nicht brennbarem Material auszuführen sei. Ebenso sei die Verkleidung an der Anschlußwand der Reiche aus nicht brennbaren Materialien herzustellen. Zustellnachweise dieses Bescheides waren in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten.
Mit einem am 11. Juni 1987 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangten Schreiben vom 9. Juni 1987 beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung des Bescheides des Gemeinderates vom 29. April 1987. Er begründete diesen Antrag damit, daß der Bescheid seiner Ehefrau am 12. Mai 1987 zugestellt worden sei. Da der Bescheid nur einfach zugestellt worden sei und die Ehefrau das Kuvert überdies irrtümlich nicht geöffnet habe, habe der Beschwerdeführer bis zum 7. Juni 1987 keine Möglichkeit gehabt, vom Inhalt des im Betreff näher bezeichneten Bescheides Kenntnis zu erlangen. Erst an diesem Tag sei die Verwechslung mit einem Bescheid vom 9. April 1987 offenbar geworden. Da der Beschwerdeführer durch die beschriebenen Umstände nicht in der Lage gewesen sei, fristgerecht Vorstellung an die NÖ Landesregierung einzubringen, stelle er nach Wegfall des Hinderungsgrundes fristgerecht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhebe gleichzeitig Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates wegen Verletzung seiner Rechte und verweise diesbezüglich auf seine Berufung vom 24. Juni 1985.
Mit Schreiben vom 26. Juni 1987, eingelangt bei der mitbeteiligten Marktgemeinde am 29. Juni 1987, erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. April 1987, der ihm am 16. Juni 1987 zugestellt worden sei, Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde unter Punkt 1 die Vorstellung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau vom 26. Juni 1987 gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. April 1987 als verspätet zurückgewiesen. Unter Punkt 2 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers vom 9. Juni 1987 gegen den Bescheid des Gemeinderates als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, gemäß § 7 des Zustellgesetzes 1982 gelte eine Zustellung, bei der Mängel unterlaufen seien, dann als vollzogen, wenn das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen sei. Dem Beschwerdeführer sei der Berufungsbescheid nach seinen eigenen Angaben am 7. Juni 1987 zugestellt worden. Folglich sei die Vorstellung vom 26. Juni 1987 als verspätet zurückzuweisen gewesen. Die am 11. Juni 1987 bei der Gemeinde eingelangte Vorstellung des Beschwerdeführers sei jedoch rechtzeitig. Aus diesem Grund werde auch auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht näher eingegangen.
Da sich die Berufung des Beschwerdeführers nur gegen jenen Teil des baupolizeilichen Auftrages gerichtet habe, in dem die Verkleidung der Abschlußwand am Ende der Reiche aus nicht brennbaren Materialien vorgeschrieben worden sei, sei der übrige Teil des Bescheides des Bürgermeisters in Rechtskraft erwachsen. Auf alle Ausführungen, die sich nicht auf diese Abschlußwand bezögen, sei daher nicht näher einzugehen. Zur Abschlußwand wurde ausgeführt, daß es sich dabei zwar um einen Altbestand handle, daß aber auf Grund des schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachtens die Verkleidung derselben mit nicht brennbaren Materialien bzw. so auszuführen sei, daß sie der Brandklasse F 90 entspreche. Durch die neu errichtete Mauer entstehe nämlich aus brandtechnischer Sicht für diesen Teil des Altbestandes eine neue Situation, sodaß er in die Beurteilung des neuen Projektes einbezogen werden müsse. Im übrigen müßte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entkräftung eines Sachverständigengutachtens ein Gegengutachten vorgelegt werden. Reine Behauptungen der Parteien vermögen ein schlüssiges und widerspruchsfreies Sachverständigengutachten nicht zu entkräften.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte Teile des Verwaltungsaktes mit einer Gegenschrift vor, und beantragte, ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde geht der Begründung ihres Bescheides zufolge davon aus, daß der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. April 1987 dem Beschwerdeführer und dessen Ehefrau mit einem Rückscheinbrief zugestellt wurde. Dieser sei jedoch nur von der Ehefrau des Beschwerdeführers am 12. Mai 1987 übernommen worden. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Vorstellung leitet die belangte Behörde ab, daß der Bescheid des Gemeinderates dem Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben am 7. Juni 1987 zugestellt worden sei. In seiner Eingabe vom 9. Juni 1987 (Antrag auf Zustellung, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Vorstellung) hat der Beschwerdeführer jedoch lediglich vorgebracht, daß er bis zum 7. Juni 1987 keine Möglichkeit gehabt habe, vom Inhalt des im Betreff näher bezeichneten Bescheides Kenntnis zu erlangen, erst an diesem Tag sei die Verwechslung mit einem Bescheid vom 9. April 1987 offenbar geworden. Er habe nur durch Zufall am 7. Juni 1987 von der Erlassung des gegenständlichen Bescheides Kenntnis erlangt. Ungeachtet der Tatsache, daß der Beschwerdeführer Partei im gegenständlichen Verwaltungsverfahren sei, sei ihm keine Ausfertigung des bezughabenden Bescheides zugestellt worden. Aus diesem Vorbringen kann entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht geschlossen werden, daß dem Beschwerdeführer der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde tatsächlich zugekommen sei, vielmehr läßt sich daraus lediglich ableiten, daß er am 7. Juni 1987 vom Inhalt des Bescheides Kenntnis erlangt hatte.
Gemäß § 7 des Zustellgesetzes 1982 gilt dann, wenn bei der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß die bloße Kenntnis des Bescheidinhaltes keinen die Zustellung bewirkenden Tatbestand darstellt und die Rechtsmittelfrist grundsätzlich erst mit der erfolgten Zustellung zu laufen beginnt. Dennoch kann eine Partei bei Kenntnis des Bescheidinhaltes bereits vor der Zustellung des Bescheides an sie Berufung erheben, wenn der Bescheid durch die Zustellung an eine andere Partei bereits dem Rechtsbestand angehört. In einem solchen Fall ist ein Rechtsmittel jedenfalls als rechtzeitig erhoben zu betrachten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 1176, zitierte Judikatur). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Vorstellung des Beschwerdeführers vom 9. Juni 1987 im Hinblick auf die Zustellung des Bescheides des Gemeinderates an seine Ehefrau zulässig, und mangels Zustellung des Bescheides an ihn selbst, jedenfalls rechtzeitig war. Zu Unrecht hat daher die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers vom 26. Juni 1987 als verspätet zurückgewiesen. Dennoch ist der Beschwerdeführer im Beschwerdefall durch diese Zurückweisung in keinem Recht verletzt, weil sich die belangte Behörde mit der - wohl vorsichtsweise - gleichzeitig bereits am 9. Juni 1987 erhobenen Vorstellung inhaltlich auseinandergesetzt, diese als unbegründet abgewiesen und damit im Ergebnis dem Beschwerdeführer keine materielle Entscheidung verweigert hat.
Bei der inhaltlichen Erledigung der Vorstellung des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde zunächst davon aus, daß sich die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde lediglich gegen den Auftrag betreffend die Verkleidung der Abschlußwand am Ende der Reiche gerichtet habe. Diese Ansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde findet in den vorgelegten Verwaltungsakten wegen des Fehlens der Berufung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau keine Deckung. Aber auch aus dem Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. April 1987 läßt sich nicht ableiten, daß sich die Berufung nur gegen einen Teil des Auftrages gerichtet habe, da sich die Berufungsbehörde nicht nur mit der Ausführung der Abschlußwand am Ende der Reiche, sondern auch mit dem Dachvorsprung, der über der Reiche angebracht ist, sowie mit der neu errichteten Brandwand, die die erforderliche Brandwiderstandsklasse F 90 nicht erreicht habe, auseinandergesetzt hat. Da die belangte Behörde mit hg. Verfügungen vom 28. August 1990 und vom 30. November 1990 jeweils unter Hinweis auf § 38 Abs. 2 und 3 VwGG zur Aktenvorlage aufgefordert wurde und die Verwaltungsakten trotz zweimaliger Aufforderung nur unvollständig vorgelegt wurden (es fehlt außer Rückscheinen jedenfalls die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 11. November 1985), konnte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen. Danach kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer nur eine eingeschränkte Berufung eingebracht hätte.
Der Auftrag des Bürgermeisters vom 11. November 1985, den die Berufungsbehörde mit ihrem Bescheid vom 29. April 1987 vollinhaltlich bestätigt hat, war auf § 109 Abs. 1 BO, LGBl. 8200, gestützt. Ein auf diese Bestimmung gestützter Auftrag entspricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur dann der Rechtslage, wenn die Bauführung noch nicht beendet ist, also die Fortsetzung der Bauarbeiten verhindert werden soll (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1980, Zl. 1147/80).
Der vorgelegte Verwaltungsakt bietet jedoch keinen Hinweis dafür, daß die Arbeiten, die der Verwirklichung der mit 16. August 1983 erteilten Baubewilligung dienten, zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters vom 11. November 1985 noch nicht abgeschlossen waren. In der Niederschrift vom 23. Oktober 1985 findet sich der Hinweis, daß die Seitenwand an der Grundgrenze zum Anrainer entlang der Durchfahrt aus 10 cm starken DÜWA-Steinen der Firma Wienerberger, beidseitig verputzt, ausgeführt wurde. Der Dachvorsprung war an der Untersicht mit einer Holzschalung, der vertikale Abschluß des Zubaues im Bereich der Reiche war durch eine Holzschalung ausgeführt.
Aus dieser Beschreibung kann nun aber nicht abgeleitet werden, daß das Bauvorhaben des Beschwerdeführers noch nicht abgeschlossen gewesen wäre. Vielmehr ist aus dem Anbringen eines beiderseitigen Verputzes und der Verkleidung des Dachvorsprunges mit Holzschalung zu ersehen, daß das Bauvorhaben abgeschlossen war. Die Baubehörde hätte daher einen allfälligen baupolizeilichen Auftrag zur Behebung der Konsenswidrigkeit an der bestehenden Baulichkeit nur auf § 112 BO stützen dürfen. Da die Gemeindeaufsichtsbehörde diesen Mangel nicht erkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Entgegen der in der Gegenschrift der mitbeteiligten Marktgemeinde vertretenen Ansicht, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten der Baubehörde gemäß § 110 BO die Vollendung des Vorhabens anzuzeigen gehabt, eine solche Anzeige sei aber nicht erfolgt, findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten ein Schreiben des Beschwerdeführers und dessen Ehefrau vom 5. Juni 1985, eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 8. Juli 1985, in der um die "Kolaudierung" des Zubaues ersucht wurde. Abgesehen davon, daß das Vorhandensein einer Anzeige über die Vollendung eines Bauvorhabens nichts darüber aussagt, ob das Vorhaben tatsächlich abgeschlossen ist, steht das Vorbringen der mitbeteiligten Gemeinde somit im Widerspruch zur Aktenlage. Aus der in der Niederschrift vom 23. Oktober 1985 festgehaltenen Baubeschreibung geht aber, wie bereits oben ausgeführt, hervor, daß das Bauvorhaben abgeschlossen war.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3Voraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren BescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990050154.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
22.08.2010