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22 Zivilprozeß, außerstreitiges VerfahrenNorm
VfGG §33Leitsatz
Unrichtige Berechnung der Beschwerdefrist aufgrund einer unzutreffenden Auskunft des rechtsunkundigen Beschwerdeführers - bloß leichte Fahrlässigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten FallesSpruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird bewilligt.
Begründung
Begründung:
I. Mit der am 27. Mai 1988 zur Post gegebenen Beschwerde bekämpft der Bf. den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 23. März 1988, Z56.042/13-17/88, und beantragt unter einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung.
Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung wird im wesentlichen vorgebracht, dem Bf. sei erst anläßlich einer telefonischen Anfrage beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung am 14. April 1988 mitgeteilt worden, daß der (nunmehr angefochtene) Bescheid des Bundesministers vom 23. März 1988 bereits erlassen worden sei und dem Bf. schon zugekommen hätte sein müssen. Der Bf. habe am darauffolgenden Tag den beim zuständigen Postamt hinterlegten Bescheid behoben und in der Folge am 4. Mai 1988 die Servicestelle der Österreichischen Hochschülerschaft in Salzburg zur Einholung von Auskünften in der gegenständlichen Rechtssache aufgesucht. Auf die Frage des juristischen Beraters in der Servicestelle nach dem Tag der Zustellung des Bescheides habe der Bf. sinngemäß angegeben, daß sich das Zustellkuvert nicht mehr bei seinen Unterlagen befinde, er sich jedoch den Tag, an dem der Bescheid 'von der Post zugestellt' worden sei, mit 15. April 1988 notiert habe.
Die Servicestelle der Österreichischen Hochschülerschaft sei an jenem Tag stark frequentiert und der die Beratung vornehmende Jurist durch laufend zu führende Telefonate und Gespräche mit ratsuchenden Studenten größten Anforderungen ausgesetzt gewesen. Er habe es deswegen aufgrund eines Versehens unterlassen, nochmals nach dem genauen Hergang der Zustellung des Bescheides nachzufragen und in der Folge die diesbezüglichen Angaben des Bf., dem das Rechtsinstitut der "Zustellung durch Hinterlegung" nicht bekannt gewesen sei, der Berechnung des letztmöglichen Tages für das rechtzeitige Absenden der Beschwerde zugrundegelegt.
Der Bf. habe erst im Zuge einer Besprechung mit seinem nunmehrigen Rechtsvertreter am 19. Mai 1988 davon Kenntnis erlangt, daß die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt bereits am 31. März 1988 erfolgt sei.
Zur Bescheinigung der Richtigkeit dieses Vorbringens wurde eine vom Bf. und von dem in seiner Sache tätig gewordenen juristischen Berater in der Servicestelle der Österreichischen Hochschülerschaft in Salzburg unterfertigte eidesstattliche Erklärung vorgelegt.
II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist begründet:
1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des VfGH leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1981).
2. Nach dem glaubhaften Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, das in Zweifel zu ziehen der VfGH auch zufolge der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung vom 26. Mai 1988 keinen Anlaß sieht, berechnete der juristische Berater in der Servicestelle der Österreichischen Hochschülerschaft den letztmöglichen Tag für die Absendung einer Beschwerdeschrift an den VfGH deswegen unrichtig, weil er aufgrund einer unzutreffenden Auskunft des Bf. als Zustelldatum des Bescheides jenen Tag angenommen hatte, an dem der Bescheid vom Bf. beim zuständigen Postamt tatsächlich behoben wurde.
Es ist dem Bf. zuzugestehen, daß für ihn als (juristischen) Laien nicht ohne weiteres einzusehen ist, daß eine durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt vorgenommene Zustellung mit dem ersten Tag der Abholfrist als bewirkt gilt, obwohl die Sendung tatsächlich erst später übernommen wurde. Soweit aber das Versehen bei der Ermittlung des Zustelldatums im Zuge der Berechnung der Beschwerdefrist dem Berater in der Servicestelle der Österreichischen Hochschülerschaft, an den sich der Bf. wandte, zuzurechnen ist, kann sein Verschulden - unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles - noch als bloß leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Wenngleich nämlich bei Rechtskundigen ein strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. etwa VfSlg. 10489/1985), kann bei der besonderen Konstellation des vorliegenden Falles nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältigen Menschen ein derartiges Fehlverhalten gelegentlich unterlaufen kann.
III. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1120.1988Dokumentnummer
JFT_10118787_88B01120_2_00