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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AgrBehG 1950 §5 Abs2 idF 1974/476;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des Friedrich und der Johanna St in S, beide vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 11. Jänner 1991, Zl. LAS-2/4-1990, betreffend Zusammenlegung S, Zusammenlegungsplan, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von S 10.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Im Zusammenlegungsverfahren S hat das Amt der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz durch Auflage zur allgemeinen Einsicht in der Zeit vom 6. November bis 20. November 1989 den Zusammenlegungsplan (Bescheid vom 6. Oktober 1989) erlassen.
2. Die dagegen von den nunmehrigen Beschwerdeführern erhobene Berufung (vom 22. November 1989) hat der Landesagrarsenat beim Amt der Burgenländischen Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 11. Jänner 1991 gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 20, 21 und 25 des Flurverfassungs-Landesgesetzes, LBGl. für das Burgenland Nr. 40/1970 in der Fassung LGBl. Nr. 1/1990, als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt werden.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, daß über "unsere Rechte" deshalb eine unzuständige Behörde entschieden habe, weil die Mitglieder des Landesagrarsenates mit Beschluß der Burgenländischen Landesregierung vom 23. Jänner 1990 rückwirkend mit 1. Jänner 1990 bestellt worden seien, was eine Verletzung des Grundsatzes der "festen Geschäftsverteilung" bedeute.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Zum einen bedürfen Agrarsenate keiner festen Geschäftsverteilung (so die ständige Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1991, Zl. 87/07/0170, und die dort angeführte Rechtsprechung), weshalb schon aus diesem Grund ein Verstoß gegen diesen Grundsatz nicht in Betracht kommt. Zum anderen ist - jedenfalls aus der Sicht des Beschwerdefalles - nicht zu erkennen, inwiefern die mit dem erwähnten Beschluß der Landesregierung vorgenommene Neu- bzw. Wiederbestellung von Mitgliedern der belangten Behörde für die Funktionsperiode 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1994 die Unzuständigkeit dieser Behörde bewirkt haben könnte, ist doch diese im Beschwerdefall den Beschwerdeführern gegenüber erstmals mit der Abhaltung der mündlichen Verhandlung am 1. März 1990, also nach der in Rede stehenden Beschlußfassung durch die Landesregierung, tätig geworden.
Unbeschadet dessen ist die belangte Behörde vorliegend als unzuständige Behörde eingeschritten.
2.1. Die Landesagrarsenate bestehen aus acht Mitgliedern, unter denen sich drei Richter befinden müssen (§ 5 Abs. 2 AgrBehG 1950). Alle Mitglieder des Kollegiums, also nicht nur jene aus dem Richterstand, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden; die Erkenntnisse der Senate können im Verwaltungsweg weder aufgehoben noch abgeändert werden, die Anrufung des Verwaltungsgerichtfhofes ist jedoch zulässig (§ 8 leg. cit.). Sie sind demnach Kollegialbehörden im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1988, Zl. 87/07/0169, und vom 19. April 1988, Zl. 87/07/0164).
2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG (auch) durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt. Des weiteren hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß Kollegialbehörden im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG (Art. 20 Abs. 2 B-VG) angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte unterworfen sind; ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls in diesem Verfahrensstadium - ohne formelle Neudurchführung des Verfahrens - nicht mehr ausgewechselt werden. (Vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1986, Slg. Nr. 11.108, und die dort zitierten Entscheidungen dieses Gerichtshofes.)
3.1. Nach Ausweis der Akten hat die belangte Behörde in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren zwei mündliche Verhandlungen unter Zuziehung der Parteien (§ 9 AgrVG 1950) durchgeführt (am 1. März 1990 und am 4. Oktober 1990), wobei die zweite als Fortsetzung der ersten zu werten ist.
Zwar ist die Verhandlung vom 1. März 1990 vom Vorsitzenden unter Hinweis darauf, daß "alle rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig geklärt wurden", geschlossen worden (Verhandlungsschrift vom 1. März 1990), doch handelte es sich hiebei im Ergebnis nicht um eine Schließung der Verhandlung im Sinne des § 10 Abs. 3 erster Satz AgrVG 1950. Denn daß der Gegenstand noch nicht genügend geklärt war, ergibt sich ohne Zweifel aus dem im Anschluß an die Verhandlung gefaßten Beschluß des Senates, wonach der Antrag des Berichterstatters, "auf Erhebung des Sachverhalts an Ort und Stelle und Durchführung eines Lokalaugenscheines durch eine Amtsabordnung des Landesagrarsenates, bestehend aus dem Berichterstatter sowie den forst- und agrartechnischen und landwirtschaftlichen Sachverständigen", einstimmig angenommen worden ist (Beratungsprotokoll vom 1. März 1990). Daß aber ungeachtet dieses Beschlusses auf Vornahme ergänzender Erhebungen durch Abgeordnete des Senates auch nicht von einer Schließung der Verhandlung vom 1. März 1990 unter Gebrauchnahme des § 10 Abs. 3 dritter Satz AgrVG 1950 ausgegangen werden kann, ergibt sich daraus, daß die hiefür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind: Abgesehen davon, daß weder ein Verzicht der Parteien auf ihre Zuziehung zur Verhandlung über das Ergebnis dieser Erhebung vorliegt noch der Senat zum Ausdruck gebracht hat, er halte die Zuziehung für entbehrlich, hat keine Verhandlung - ausschließlich - über das Ergebnis der (am 29. März 1990 vorgenommenen) ergänzenden Erhebung stattgefunden. Vielmehr läßt sich der Verhandlungsschrift vom 4. Oktober 1990 eindeutig entnehmen, daß Gegenstand auch der an diesem Tag stattgefundenen Verhandlung "die Berufung" der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Oktober 1989 betreffend Grundzusammenlegung S, Auflage des Zusammenlegungsplanes, war.
Die vorstehenden Überlegungen weisen somit die Verhandlung vom 4. Oktober 1990 als fortgesetzte Verhandlung im Sinne des § 10 Abs. 4 AgrVG 1950 aus.
3.2. Die Verhandlungsschriften vom 1. März 1990 und vom 4. Oktober 1990 zeigen, daß die belangte Behörde die an diesen Tagen stattgefundenen Verhandlungen in (stark) unterschiedlicher Besetzung durchgeführt hat, wobei aus der Niederschrift vom 4. Oktober 1990 nicht ersichtlich ist, daß es in der fortgesetzten Berufungsverhandlung vor dem geändert zusammengesetzten Senat zu einer formellen Neudurchführung des Verfahrens gekommen wäre.
4. Die in der fortgesetzten Verhandlung gegenüber der ersten Verhandlung abweichende personelle Besetzung der belangten Behörde ohne Neudurchführung des Verfahrens in der späteren Verhandlung vor dem dort aufgetretenen geänderten Senat hatte im Hinblick auf das unter II. 2.2. Gesagte die unrichtige Zusammensetzung der belangten Behörde, sohin - am Maßstab des einfachgesetzlichen Rechtes gemessen - deren Unzuständigkeit zur Folge. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter RechteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991070029.X00Im RIS seit
24.09.1991Zuletzt aktualisiert am
22.01.2015