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81/01 Wasserrechtsgesetz;Norm
WRG 1959 §77 Abs3 liti;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Dr. Peter S in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. August 1990, Zl. Wa-300588/1-1990/Fo/Mül, betreffend Umfang der wasserrechtlichen Bewilligung für eine Abwasserbeseitigungsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1.) Wassergenossenschaft P, vertreten durch den Obmann Heinz N,
2.) Heinz N und 3.) Margarete N), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. Mai 1973 hat die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (BH) 1.) die Bildung der erstmitbeteiligten Wassergenossenschaft (in der Folge kurz WG) anerkannt und deren Satzungen genehmigt sowie 2.) der WG die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer genossenschaftlichen Abwasserbeseitigungsanlage erteilt.
§ 19 der Satzungen der WG lautet wie folgt:
"Über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern untereinander oder zwischen diesen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstehen, entscheidet ein Schiedsgericht. In dieses Schiedsgericht wählt jeder Streitteil einen Vertrauensmann. Ein von der Genossenschaft zu entsendender Vertrauensmann wird vom Geschäftsführer bestimmt. Die beiden Vertrauensmänner bestimmen einen Dritten als Obmann. Die Entscheidung des Schiedsgerichtes erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Wenn sich die Streitteile dem Ausspruch des Schiedsgerichtes nicht unterwerfen, so ist die Angelegenheit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung vorzutragen."
Mit Bescheid vom 15. Jänner 1976 hat die BH gemäß § 121 WRG 1959 die Übereinstimmung der ausgeführten Anlage mit der erteilten Bewilligung festgestellt und geringfügige Abweichungen nachträglich bewilligt.
In der Folge kam es zwischen dem Beschwerdeführer (dem früheren Obmann der WG) einerseits und den Zweit- und Drittmitbeteiligten (in der Folge kurz mP; der Zweitmitbeteiligte ist der derzeitige Obmann der WG) zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob sich die erteilte wasserrechtliche Bewilligung auch auf die Kanalzuleitungen zur Faulgrube erstreckt. Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, die mP dürften den über sein Grundstück führenden Kanal nur dann benützen, wenn sie eine diesbezügliche privatrechtliche Vereinbarung mit ihm geschlossen hätten. Um diese Auffassung durchzusetzen, stellte der Beschwerdeführer am 13. Juni 1989 einen entsprechenden Feststellungsantrag an die Wasserrechtsbehörde.
Diesem Antrag gab die BH mit ihrem Bescheid vom 12. Oktober 1989 keine Folge; sie stellte vielmehr in diesem Bescheid fest, daß den mP bereits auf Grund der der WG erteilten wasserrechtlichen Bewilligung ein entsprechendes Kanalbenützungsrecht zustehe. Zur Frage ihrer Zuständigkeit führte die BH aus, grundsätzlich könne der von den mP vertretenen Auffassung, mit der Angelegenheit wäre zuerst ein Schiedsgericht der WG zu betrauen, nichts entgegengesetzt werden. Im konkreten Fall vertrete jedoch die BH die Auffassung, "daß eine schiedsgerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die Tatsache, daß der Antragsteller als Vertreter der Genossenschaft zugleich auch Eigentümer des betroffenen Grundstückes Nr. nn1, KG. Holzwiesen, ist, möglicherweise ein unrealistisches Bild erbracht hätte".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. August 1990 hat die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen, weil die zur Kläranlage führenden Transportkanäle von der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung umfaßt gewesen seien. Die Frage der Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörden zu einem Einschreiten in dieser Sache wurde im Berufungsverfahren nicht mehr aufgeworfen.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21. August 1990 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 27. November 1990, B 1159/90, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht "auf Feststellung, daß die ...
Abwasserbeseitigungsanlage sich nicht auf die über das Grundstück Nummer nn1, KG Holzwiesen, bestehende Kanalführung erstreckt", verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Auch die WG sowie die mP haben Gegenschriften erstattet und
beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auch im Beschwerdeverfahren wird die Frage der Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörden zu ihrem Einschreiten nicht mehr ausdrücklich aufgeworfen. Ungeachtet dessen stellt sich diese Frage für den Verwaltungsgerichtshof deshalb, weil es sich im Beschwerdefall - auch von den Parteien unbestritten - um eine zwischen Mitgliedern der WG entstandene Streitigkeit handelt, für deren Beilegung die Satzungen der WG in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des WRG 1959 ein genossenschaftsinternes Schlichtungsverfahren vorsehen.
Gemäß dem ersten Satz des § 85 Abs. 1 WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaften der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitigkeiten zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 beigelegt werden. Nach der zuletzt genannten Norm haben die Satzungen einer Wassergenossenschaft Bestimmungen über die Schlichtung der zwischen den Mitgliedern oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten zu enthalten.
Ungeachtet dessen, daß die Satzung der WG in ihrem § 19 solche Vorschriften über die Schlichtung von zwischen Genossenschaftsmitgliedern aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten enthält, haben die Beteiligten davon nach der Aktenlage keinen Gebrauch gemacht. Die im Beschwerdefall eingeschrittenen Wasserrechtsbehörden haben diesen Umstand nicht aufgegriffen, bzw. hat sich damit nur die BH in dem oben wiedergegebenen Teil der Begründung ihres Bescheides vom 12. Oktober 1989 befaßt, ohne ihre Unzuständigkeit zu erkennen.
Wird aber von der satzungsgemäßen Streitschlichtungs-Regelung aus welchen Gründen immer nicht Gebrauch gemacht, dann mangelt es nach der übereinstimmenden Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts der Wasserrechtsbehörde an einer Zuständigkeit im Sinne des § 85 Abs. 1 WRG 1959 (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1978, Slg. 8402, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1965, Zl. 1215/65, vom 15. Februar 1983, Zl. 82/07/0198, und vom 13. Februar 1990, Zl. 89/07/0173). § 85 Abs. 1 WRG 1959 kann danach allein dahin verstanden werden, daß die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde an die Voraussetzung des Mißlingens der Beilegung eines Streitfalles im Wege der Schlichtung geknüpft ist. Davon, daß eine Streitbeilegung im Wege der Schlichtung nicht gelungen ist, kann indes nur dann gesprochen werden, wenn ein darauf abzielender Versuch unternommen worden ist, also von der in der genehmigten Satzung verankerten Streitschlichtungs-Regelung Gebrauch gemacht wurde. Da dies im Beschwerdefall nicht geschehen ist, war die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörden zur Entscheidung nach § 85 Abs. 1 WRG 1959 nicht gegeben.
Da die im Instanzenzug angerufene belangte Behörde die Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen BH nicht erkannt und, statt deren Bescheid vom 12. Oktober 1989 ersatzlos aufzuheben, die dagegen erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen hat, leidet dieser an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Er war deshalb - ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991070010.X00Im RIS seit
12.11.2001