TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/24 91/05/0070

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Veröffentlicht am 24.09.1991
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §99 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der P in N, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Februar 1991, Zl. R/1-V-9015/1, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) S,

2) M, 3) K, 4) R, 5) P, 6) N, 7) E und 8) Stadtgemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Durchführung einer Bauverhandlung, von deren Anberaumung die Beschwerdeführerin nicht persönlich verständigt worden war, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 13. August 1990 den Erst- bis Siebentmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung "zur Errichtung eines Parkplatzes für 52 PKW und Herstellung der Kanalhausleitung für die Entsorgung der Oberflächenwässer" auf der Liegenschaft N, erteilt. Ferner wurde im Spruch dieses Bescheides über die im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. Juli 1990 gestellten Anträge "wie folgt entschieden:

1)

Die Parteienstellung im gegenständlichen Bauverfahren wird gewährt.

2)

Der Baubewilligungsbescheid sowie die Niederschrift über die am 2. August 1990 stattgefundene Bauverhandlung, betreffend dieses Bauvorhaben, werden zugestellt. Ein mündlich verkündeter Bescheid über die Aberkennung der Parteienstellung im gegenständlichen Bauverfahren existiert nicht, es kann daher auch keine schriftliche Ausfertigung zugestellt werden.

3)

Der Antrag auf Ablehnung des gegenständlichen Baubewilligungsantrages wird zurückgewiesen, da keine subjektiv öffentl. Rechte verletzt werden.

4)

Die Auskunft darüber, um welche Flächen es sich beim gegenständlichen Parkplatz handelt und welche Nutzungsart bzw. Flächenwidmung festgelegt ist, wurde bei der Bauverhandlung mündlich erteilt und ist in der abgefaßten Niederschrift ersichtlich.

5)

Die Anfrage, wo der Warenzulieferungsverkehr für die anschließenden Geschäfte abgewickelt werden soll, hat mit dem gegenständlichen Projekt nichts zu tun und wird daher zurückgewiesen."

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Oktober 1990 wurde die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

In der Begründung ihres Bescheides vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, daß das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin abzuweisen gewesen sei, da weder sachliche noch rechtliche Gründe in dem auf die Bedenken der Beschwerdeführerin eingehenden Verfahren hervorgekommen seien, die einer Bewilligung des vorliegenden Ansuchens entgegenstünden. Die in der Bauverhandlung unter Bezugnahme auf die im Schreiben vom 30. Juli 1990 erhobenen Einwendungen und Befürchtungen seien in der Verhandlung eingehend erörtert und widerlegt worden, wobei auf die diesbezüglichen Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen sowie auf den erstinstanzlichen Bescheid hingewiesen werde. Ferner meinte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, daß nur jene Einwendungen berücksichtigt werden dürften, welche spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden seien, weshalb die in der Berufung der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwendungen unbeachtlich seien.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 8. Februar 1991 wurde die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach einer kurzen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß nur auf die mit dem Verhandlungsgegenstand zusammenhängenden Einwendungen der Beschwerdeführerin eingegangen werde, weshalb das darüber hinausgehende Vorbringen nicht behandelt werde. Die Berufungsbehörde habe zu Recht nur jene Einwendungen behandelt, welche die Beschwerdeführerin spätestens in der Verhandlung vorgebracht habe. Einwendungen, die erstmals in der Berufung erhoben worden seien, habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde sohin zu Recht gemäß § 42 AVG wegen Eintrittes der Präklusionsfolgen abgewiesen. Der umweltschutztechnische Sachverständige habe in seinem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten dargelegt, daß auf Grund der geringen Intensität der Immissionen mit keiner das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Lärm- und Geruchsimmission zu rechnen sei. Die Stadtärztin habe in ihrem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten ausgeführt, daß aus medizinischer Sicht mit keiner Gesundheitsgefährdung zu rechnen sei. Wenn die Beschwerdeführerin ausführe, daß ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu den Gutachten Stellung zu nehmen, so muß ihr entgegengehalten werden, daß ihr Sohn als ihr Vertreter diese Situation selbst verschuldet habe, da er sich von der Bauverhandlung nach der Erhebung von Einwendungen und vor der Erstattung des Gutachtens mit der Erklärung entfernt habe, die Bauverhandlung sei eine Farce. Es sei daher völlig absurd, dieses Verhalten der Baubehörde als Mangelhaftigkeit des Verfahrens anzulasten. Zum Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. Juli 1990 werde von der Aufsichtsbehörde auf die im erstinstanzlichen Bescheid erfolgte Behandlung dieser Einwendungen verwiesen, welcher sich die Berufungsbehörde zu Recht angeschlossen habe. Zusammenfassend stelle die Aufsichtsbehörde fest, daß durch die Errichtung des in Rede stehenden Parkplatzes die Beschwerdeführerin in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werde, weshalb die Vorstellung als unbegründet abgewiesen werden müsse.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Erst- bis Siebentmitbeteiligten erwogen:

Gemäß § 40 Abs. 1 AVG sind mündliche Verhandlungen unter Zuziehung aller bekannten Beteiligten sowie der erforderlichen Zeugen und Sachverständigen vorzunehmen.

Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat zufolge § 41 Abs. 1 leg. cit. (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen und wird nach Bedarf überdies noch durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekanntgemacht.

Die Beschwerdeführerin war in dem vorliegenden Verfahren schon im Hinblick darauf als "bekannte Beteiligte" im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Bestimmungen anzusehen, daß die Frage ihrer Parteistellung in jenem Baubewilligungsverfahren, welches das unmittelbar neben dem im Beschwerdefall geplanten Parkplatz gelegene Bauvorhaben betrifft, Gegenstand einer Entscheidung des am 7. März 1990 mündlich verkündeten Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde war (vgl. das zu diesem Verfahren ergangene hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 91/05/0071), weshalb die Baubehörde erster Instanz jedenfalls in Anbetracht des Umstandes, daß der geplante Parkplatz zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin näher liegt als das dem erwähnten Bescheid des Bürgermeisters vom 7. März 1990 zugrunde liegende Bauvorhaben, nicht von vornherein ausschließen durfte, daß die Beschwerdeführerin durch den geplanten Parkplatz nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne des § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 berührt sein könnte (vgl. zum Begriff des "bekannten Beteiligten" die Ausführungen bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Prugg-Verlag Eisenstadt, 4. Aufl., Anm. 3 auf S. 270 f). Daraus folgt, daß die Beschwerdeführerin von der Anberaumung der im Gegenstand abgehaltenen Bauverhandlung persönlich zu verständigen gewesen wäre, woran die Regelung des § 99 Abs. 1 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976, wonach zur Bauverhandlung Anrainer persönlich zu laden sind, deren Grundstücke mit dem vom Bauvorhaben betroffenen eine gemeinsame Grenze haben, nichts ändern kann, weil diese Vorschrift bei verfassungskonformer Interpretation nicht so ausgelegt werden darf, daß damit dem § 41 Abs. 1 AVG derogiert worden ist, also nur so verstanden werden darf, daß die unmittelbaren Anrainer jedenfalls persönlich zu laden sind.

Da die Beschwerdeführerin, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses ausgeführt worden ist, von der Anberaumung der in Rede stehenden Bauverhandlung nicht persönlich verständigt worden ist, sind ihr gegenüber die Präklusionsfolgen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG nicht eingetreten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., auf S. 276 unter Punkt 10.a. wiedergegebene hg. Judikatur). Der belangten Aufsichtsbehörde kann somit nicht gefolgt werden, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die in der Berufung der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen zu Recht wegen Eintrittes der Präklusionsfolgen abgewiesen hat. Die Beschwerdeführerin hat daher zutreffend geltend gemacht, daß die Berufungsbehörde verpflichtet gewesen wäre, sich mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin meritorisch auseinanderzusetzen, sodaß die belangte Behörde den Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde aufzuheben gehabt hätte. Durch die Abweisung ihrer Vorstellung ist die Beschwerdeführerin daher in ihren Rechten verletzt worden, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war, ohne noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050070.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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