TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/25 90/02/0217

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Veröffentlicht am 25.09.1991
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Günther K in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. November 1990, Zl. VerkR-12.825/7-1990-II/Zo, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "am 30.9.1989 um ca.1.30 Uhr den PKW .... auf der Lichtenberger Gemeindestraße aus Richtung Linz in Richtung Lichtenberg 1.) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, 2.) ca. 150 m vor dem Anwesen Altlichtenberg Nr. 24 nicht entsprechend dem Rechtsfahrgebot gelenkt ..., da er soweit links fuhr, daß er nach links von der Fahrbahn abkam, Flurschaden verursachte, einen Baum beschädigte und der PKW total beschädigt wurde und 3.) es nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden

unterlassen ...., die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl es auch mit dem Geschädigten zu keiner gegenseitigen Namens- und Anschriftsnachweisung gekommen war". Er habe dadurch Übertretungen nach 1.) § 5 Abs. 1 StVO 1960,

2.) § 7 Abs. 1 StVO 1960, 3.) § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde zu 1.) eine Geldstrafe von S 12.000,-- (288 Stunden Ersatzarrest) sowie zu 2.) und 3.) je S 1.000,-- (je 24 Stunden Ersatzarrest) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1.1. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 ist vorweg festzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 1991, G 274/90 u.a. Teile des Abs. 4a sowie des Abs. 4b des § 5 der StVO 1960 als verfassungswidrig aufgehoben hat. Obwohl der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiters ausgesprochen hat, daß die aufgehobenen Bestimmungen (auch) in allen jenen Fällen nicht anzuwenden sind, in denen vor einem näher genannten Zeitpunkt des 27. Februar 1991 eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden ist, kommt diese Aufhebung im vorliegenden Beschwerdefall ungeachtet der Einbringung der Beschwerde vor dem genannten Zeitpunkt nicht zum Tragen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren die Richtigkeit des Ergebnisses der mit einem Gerät nach § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 durchgeführten Atemluftuntersuchung nicht in Zweifel gezogen. Er behauptete vielmehr - wie auch in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof -, daß er sich zur Tatzeit nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, sondern die entsprechenden Alkoholmengen zwischen der Tatzeit und der Atemluftuntersuchung zu sich genommen habe. Die Anwendung der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Gesetzesbestimmungen durch die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens war daher für den Beschwerdeführer nicht nachteilig (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1991, Zl. 90/02/0199).

1.2. Zu der nicht näher begründeten Behauptung des Beschwerdeführers, der Spruch des mit dem angefochtenen Bescheides bestätigten Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung sei in Ansehung der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 nicht hinreichend konkretisiert, ist auf den eingangs wiedergegeben Wortlaut des Spruches zu verweisen. Dieser entspricht durchaus dem § 44a lit. a VStG, insbesondere sind Tatzeit und - bei einer Gesamtbetrachtung - auch der Tatort eindeutig konkretisiert. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer keinerlei Angaben darüber macht, daß er infolge einer unzulänglichen Fassung des Spruches der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt oder daß er deswegen in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt gewesen wäre.

1.3. Der Beschwerdeführer bestreitet auch, die Tat begangen zu haben; er habe sich zur Tatzeit nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Der um 8.56 Uhr festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft (0,50 mg/l) sei auf den Genuß von alkoholischen Getränken nach der Tat zurückzuführen. Vor der Tat habe er nur so wenig Alkohol zu sich genommen, daß daraus eine Alkoholbeeinträchtigung nicht habe resultieren können.

Vorauszuschicken ist, daß das Beschwerdeargument, die Atemluftprobe sei über sieben Stunden nach der Tat durchgeführt worden und könne daher kein brauchbares Resultat erbracht haben, ins Leere geht. Der Hinweis auf die zwischen Tat und Atemluftprobe verstrichene Zeit kann nur bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Atemluftprobe von Bedeutung sein. Wenn im vorliegenden Beschwerdefall aber beim Beschwerdeführer ca. 7 1/2 Stunden nach der Tatzeit ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,5 mg/l gemessen und die Richtigkeit der Messung - wie bereits ausgeführt - nicht in Zweifel gezogen wird (auf eine Blutabnahme wurde der Aktenlage nach verzichtet), so ist das ein bei der Beurteilung der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zur Tatzeit durchaus verwertbares Ergebnis. Der ärztliche Amtssachverständige hat daraus in einer zu keinen Zweifeln Anlaß gebenden Weise auf eine schwere Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zur Tatzeit (1,75 Promille Blutalkoholgehalt) geschlossen. Er hat auch dargelegt, daß der vom Beschwerdeführer angegebene Alkoholkonsum vor der Tatzeit (drei Seidel Bier) zu keiner relevanten Alkoholbeeinträchtigung zur Tatzeit habe führen können.

Es ist daher entscheidend, ob die belangte Behörde als erwiesen annehmen durfte, daß der Beschwerdeführer zwischen der Tatzeit und der Atemluftprobe keinen Alkohol zu sich genommen hat, ober ob der Verantwortung des Beschwerdeführers zu folgen ist. Nach letzterer habe er sich nach dem um 1.30 Uhr erlittenen Unfall nach Hause begeben, habe dort in einem unfallbedingten Zustand der Zurechnungsunfähigkeit eine große Menge eines alkoholischen Getränkes (eines "Jagatee"-Konzentrates) getrunken und sich anschließend schlafen gelegt; in der Früh sei er durch den Besuch eines Gendarmeriebeamten aufgeweckt worden und habe zunächst auf dessen Fragen geantwortet, daß er nach dem Unfall keinen Alkohol zu sich genommen habe. Erst später, nach der Durchführung der Atemluftprobe, habe ihn seine Ehefrau auf das Fehlen einer größeren Menge ("ca. 10 cm") aus einer mit der genannten Flüssigkeit gefüllten Flasche aufmerksam gemacht, die nur er hätte getrunken haben können.

Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe nach dem Unfall keinen Alkohol zu sich genommen, im wesentlichen auf die Angaben des Gendarmeriebeamten, der den Beschwerdeführer am Morgen in seiner Wohnung aufgesucht hat. Dessen Wahrnehmungen stehen in allen wesentlichen Einzelheiten mit der Verantwortung des Beschwerdeführers nicht in Widerspruch. Die belangte Behörde hat aber die Verantwortung des Beschwerdeführers, die auch mit den übrigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht unvereinbar ist, als unglaubwürdig qualifiziert. So hat der Beschwerdeführer behauptet, nach dem Unfall, bei dem er eine Gehirnerschütterung erlitten habe, offenbar unter Bewußtseinsstörungen gelitten zu haben; in diesem Zustand müsse er den in Rede stehenen Alkohol genossen haben. Zum Verhalten des Beschwerdeführers zwischen dem Unfall und dem Einschlafen gibt es keine Wahrnehmungen von Zeugen. Der Amtsarzt der Erstbehörde hat in seinem (Akten-)Gutachten vom 30. Oktober 1989 ausgeführt, daß Gehirnerschütterungen zu Bewußtseinsstörungen von unterschiedlicher Dauer, und zwar von wenigen Minuten bis zu einer Stunde, führen können. Bei einer Untersuchung im Unfallkrankenhaus Linz am 1. Oktober 1989 wurde als Unfallfolge u.a. eine "Commotio cerebri" diagnostiziert.

Hinsichtlich der Beweiswürdigung beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob der Sachverhalt vollständig erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen schlüssig sind. Ob der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinn ist, daß eine den Beschwerdeführer belastende Version und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht prüfen (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im Lichte dieser eingeschränkten Prüfungsbefugnis erweist sich die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keinen Nachtrunk zu sich genommen, nicht als rechtswidrig. Dies vor allem im Hinblick darauf, daß sie als erwiesen annehmen durfte, der Beschwerdeführer habe sich zwischen dem Unfall und dem Einschlafen nicht in einem Zustand befunden, in dem er nicht wußte, was er tat. Er ist vielmehr - ungeachtet allfälliger Unfallfolgen - nach verhältnismäßig kurzer Zeit zu Hause eingelangt; auf welche Weise, kann dahinstehen. Sein Verhalten war offenbar zielgerichtet und in diesem Sinne auch erfolgreich. Die im Unfallkrankenhaus festgestellte Gehirnerschütterung ist nicht notwendigerweise mit derart schwerwiegenden Bewußtseinsstörungen verbunden. Der Genuß eines Alkoholkonzentrates in einem Zustand, in dem der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben nach erbrochen hat, ist eher ungewöhnlich. Durfte die belangte Behörde aber davon ausgehen, daß sich der Beschwerdeführer jedenfalls nach seinem Eintreffen zu Hause seiner Handlungsweise bewußt gewesen ist, ist es auch nicht unschlüssig, wenn sie den Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem ermittelnden Gendarmeriebeamten, er habe nach dem Unfall keinen Alkohol zu sich genommen, Glauben geschenkt hat und nicht der erst im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens erstmals zwei Monate nach der Tat aufgestellten Nachtrunkversion. Auch die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig zu qualifizieren, hat sie doch unbestrittenermaßen in der Küche, in der die Flasche mit dem erwähnten Alkoholkonzentrat - nebst einem "Häferl" und Zucker - "heraußen stand", für den Beschwerdeführer vor der Atemluftprobe Kaffee gekocht; dabei hat sie keinerlei Wahrnehmung betreffend Fehlen der in Rede stehenden Alkoholmenge gemacht. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer, der nach seinen eigenen Angaben als Polizeibeamter in einschlägigen Zusammenhängen erfahren ist, die Nachtrunkversion nicht sofort aufgestellt hat, nachdem er davon durch seine Ehefrau erfahren haben will.

Die Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 ist daher mit keiner vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit belastet.

2. Zur Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach auch ein geringfügiger Schaden die Meldepflicht auslöst. Dies trifft insbesondere auf das Abschürfen der Rinde eines Baumes zu (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1986, Zl. 85/02/0283).

3. Gegen die ihm angelastete Übertretung nach § 7 Abs. 1 StVO 1960 bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nichts mehr vor.

4. Davon, daß die belangte Behörde von dem bei der Strafbemessung zu handhabenden Ermessen rechtswidrig Gebrauch gemacht hätte, kann schon deswegen nicht die Rede sein, weil die verhängten Strafen jeweils im untersten Bereich des Strafrahmes festgesetzt wurden. Von den Angaben des Beschwerdeführers über seine Einkommens- und Familienverhältnisse ist die belangte Behörde bei der Strafbemessung ausgegangen. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Eigentumswohnung Schulden in der Höhe von S 200.000,-- hat, ist keineswegs als so ungewöhnlich anzusehen, daß dem Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) nur geringere Strafen entsprochen hätten.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990020217.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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