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L10008 Sonstiges Gemeinderecht Vorarlberg;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Eugen Z in R, vertreten durch Dr. S in W, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. März 1991, Zl. Ia 909-63/1990, betreffend Übertretung des Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. März 1991 wurde der Beschwerdeführer (durch Bestätigung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 19. Oktober 1990) schuldig erkannt, am 30. Dezember 1989 um 03.00 Uhr in Nüziders bei der "AVIA-Tankstelle" während einer Amtshandlung die Beamten Bezirksinspektor E und Inspektor K durch vorsätzliche Beschimpfung mit dem Ausdruck "Ihr Affen" in ihrer Ehre gekränkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit § 12 lit. c des Sittenpolizeigesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 6/1976, begangen zu haben. Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden).
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt der Beschwerdeführer dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil entgegen der Vorschrift des § 13 des Sittenpolizeigesetzes kein Sühneversuch unternommen worden sei. Diese Ansicht ist nicht berechtigt.
Nach § 13 des Sittenpolizeigesetzes finden die Bestimmungen über die Vornahme von Sühneversuchen im Gesetz über die Gemeindevermittlungsämter, ebenso wie in den Fällen gerichtlich strafbarer Handlungen gegen die Ehre (§§ 111, 113 und 115 des Strafgesetzbuches), auch auf Ehrenkränkungen im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. g Anwendung. Eine solche, eine Verwaltungsübertretung bildende Ehrenkränkung begeht, wer einen anderen vorsätzlich durch eine im § 12 genannte Handlung in seiner Ehre kränkt (darunter fällt nach lit. c dieser Bestimmung die Beschimpfung eines anderen), sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt. Im vorliegenden Fall geht es unbestrittenermaßen um eine solche Ehrenkränkung.
Bei dem im § 13 des Sittenpolizeigesetzes verwiesenen Gesetz handelt es sich um jenes vom 15. September 1909, wirksam für das Land Vorarlberg, über die Gemeindevermittlungsämter (Gesetz- und Verordnungsblatt für die gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg, Nr. 158 - vgl. dazu die Regierungsvorlage betreffend ein Sittenpolizeigesetz,
27. Beilage im Jahre 1975 zu den Sitzungsberichten des XII. Vorarlberger Landtages, Seite 814). § 26 dieses Gesetzes lautet:
"Das aus Vertrauensmännern der Gemeinden gebildete Vermittlungsamt ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zur Vornahme von Sühneversuchen in Ehrenbeleidigungssachen zuständig.
Wenn der Privatankläger und der Beschuldigte in dem Sprengel desselben Vermittlungsamtes ihren Wohnsitz haben, kann das Verfahren wegen Übertretungen gegen die Sicherheit der Ehre nach §§ 487 bis 497 a. St.-G. erst dann bei Gericht eingeleitet werden, wenn der Sühneversuch vor dem Vermittlungsamte erfolglos geblieben ist. Wenn die Bescheinigung hierüber nicht bei Einbringung der Privatanklage vorgelegt wird, ist die Klage von Amts wegen dem zuständigen Vermittlungsamte zur Vornahme des Sühneversuches abzutreten.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung:
1. wenn die strafbare Handlung durch den Inhalt einer Druckschrift begangen worden ist;
2. wenn der Beleidigte oder der Beleidiger eine aktive Militär-, Landwehr-, Gendarmerieperson ist (Artikel II, § 1 des Gesetzes vom 27. Februar 1907, R.-G.-Bl. Nr. 59)."
Die belangte Behörde hatte aufgrund der Verweisungsnorm des § 13 des Sittenpolizeigesetzes diese Bestimmung des Landesgesetzes über die Gemeindevermittlungsämter in dem vorliegenden Verfahren betreffend eine Ehrenkränkung anzuwenden. Da § 13 des Sittenpolizeigesetzes die Bestimmungen über die Vornahme von Sühneversuchen in Ehrenkränkungssachen schlechthin für anwendbar erklärt, kommt in diesen Fällen auch § 26 Abs. 3 Z. 2 des Landesgesetzes über die Gemeindevermittlungsämter zum Tragen. Die Meinung des Beschwerdeführers, dieser Bestimmung sei durch § 13 des Sittenpolizeigesetzes derogiert worden, findet im Gesetz keine Stütze. Ohne Belang ist im gegebenen Zusammenhang die in den Fällen gerichtlich strafbarer Handlungen gegen die Ehre geltende gesetzliche Regelung über die Vornahme von Sühneversuchen. Daher erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zu jener Regelung (nämlich Art. II § 1 des Gesetzes RGBl. Nr. 59/1907; bei der Anführung dieser Gesetzesstelle in der Begründung des angefochtenen Bescheides handelt es sich um ein Fehlzitat). Das Unterbleiben eines Sühneversuches im vorliegenden Fall entspricht im Hinblick darauf, daß es sich bei den Beleidigten um in Ausübung des Dienstes befindliche Gendarmeriebeamte handelt, der nach dem Gesagten hier anzuwendenden Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 3 Z. 2 des Landesgesetzes über die Gemeindevermittlungsämter.
Was das Vorbringen anlangt, diese "Privilegierung" von Gendarmeriebeamten würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, hat der Beschwerdeführer seine diesbezüglichen Bedenken nicht ausgeführt. Dazu findet sich in der Beschwerde lediglich die Bemerkung "vgl. diesbezüglich die Beseitigung der strafgerichtlich zu ahndenden Deliktsnorm der Amtsehrenbeleidigung durch den Gesetzgeber im Jahre 1974". Hiezu ist der Beschwerdeführer auf die Ausnahmeregelung des § 117 Abs. 2 StGB über die Verfolgung strafbarer Handlungen gegen die Ehre wider einen Beamten in Ausübung seines Amtes oder Dienstes (Ermächtigungsdelikt) hinzuweisen. Im übrigen hegt der Verwaltungsgerichtshof aus der Sicht des vorliegenden Falles unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes keine Bedenken gegen die Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 3 Z. 2 des Landesgesetzes über die Gemeindevermittlungsämter.
Der Beschwerdeführer meint, daß ein Strafantrag gemäß § 56 VStG 1950 innerhalb der Frist von sechs Wochen nicht gestellt worden sei, obwohl § 18 Abs. 2 des Sittenpolizeigesetzes einen solchen Antrag ausdrücklich verlange. Aus der Strafanzeige, die auf einem für Strafanzeigen üblichen Formblatt geschrieben worden sei, ergebe sich nicht, daß die angeblich beleidigten Gendarmeriebeamten einen Strafantrag im Sinne des § 56 VStG stellen wollten. Die Ermächtigung zur Strafverfolgung vom 3. Februar 1990 stelle keinen Strafantrag dar.
Der Beschwerdeführer ist auch damit nicht im Recht. Richtig ist, daß gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 des Sittenpolizeigesetzes Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. g nur zu verfolgen sind, wenn ein Strafantrag gemäß § 56 des Verwaltungsstrafgesetzes gestellt wird. Bei seinem diesbezüglichen Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer aber offenbar, daß es in der Anzeige vom 31. Jänner 1990 ausdrücklich heißt: "Auf Grund der Beschimpfung von Eugen Z am 30. Dezember 1989 ... stellen die Beamten E und K Antrag auf Strafverfolgung, da sie in ihrer Ehre beleidigt wurden." In diesem Satz ist der in § 18 Abs. 2 Satz 2 des Sittenpolizeigesetzes und in § 56 Abs. 1 VStG (in der gemäß Anlage 2 zu BGBl. Nr. 52/1991 hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) vorgesehene Strafantrag zu erblicken. Daß dieser Antrag auf dem üblicherweise für Strafanzeigen verwendeten Formular aufscheint, vermag - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkt - daran nichts zu ändern, daß die beiden Gendarmeriebeamten damit ihr subjektives Recht auf Strafverfolgung geltend machten. Ebensowenig ist rechtlich von Belang, daß von ihnen - für das Verwaltungsverfahren überflüssigerweise - auch noch eine gesonderte "Ermächtigung" zur Strafverfolgung (Schreiben vom 3. Februar 1990) erteilt wurde.
Der Beschwerdeführer bemängelt, daß der bei Erlassung des Straferkenntnisses der Erstbehörde bestandene Formmangel des Fehlens der Unterschrift des zweiten Privatanklägers auf der Anzeige erst im Berufungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG (in der Fassung VOR der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) behoben wurde. Dies sei unzulässig. Ein allen Formerfordernissen entsprechender Antrag müsse bereits bei Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz vorliegen, die Berufungsbehörde sei nämlich "gemäß § 51 Abs. 6 VStG" auf die Ahndung der dem Beschuldigten darin zur Last gelegten Tat beschränkt.
Auch diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Es besteht keine gesetzliche Regelung, daß ein Formgebrechen eines Strafantrages gemäß § 56 VStG im Berufungsverfahren nicht mehr behoben werden kann. Da der auch im Strafverfahren anzuwendende § 13 Abs. 3 AVG (in der genannten wie auch in der nunmehrigen Fassung) die Möglichkeit der Behebung von Formgebrechen nicht auf das Verfahren der ersten Instanz beschränkt, ist die Berufungsbehörde berechtigt, Formgebrechen, deren Vorliegen die Verwaltungsbehörde erster Instanz übersehen hatte, aufzugreifen und deren Behebung in Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG anzuordnen, wenn ohne eine solche Mängelbehebung eine Entscheidung über das Anbringen nicht möglich wäre (vgl. das ein Bauansuchen betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1974, Slg. 8622 A). Mit dem an sich zuteffreffenden Hinweis auf die Beschränkung der Berufungsbehörde auf die dem Beschuldigten von der Erstbehörde zur Last gelegte Tat ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil mit dem angefochtenen Bescheid das erstinstanzliche Straferkenntnis unverändert bestätigt wurde und daher keine Rede davon sein kann, daß sich die belangte Behörde nicht auf die Ahndung der in jenem Bescheid dem Beschwerdeführer angelasteten Tat beschränkt hätte.
Die Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren Verbesserungsauftrag Bejahung BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991100110.X00Im RIS seit
06.11.2000