TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/26 90/10/0166

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Veröffentlicht am 26.09.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
LebensmittelimportmeldeV §1 Abs1;
LMG 1975 §74 Abs4 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Leo S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, vom 31. Juli 1990, Zl. MA 63-Sch 51/89/Str., betreffend Übertretung der Lebensmittel-Importmeldeverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Komplementär und somit als zur Vertretung der Brüder X KG. nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, daß diese Gesellschaft als Warenempfänger im Sinne des § 52 Abs. 2 lit. b des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129, aus dem Zollausland, nämlich aus Ungarn, zu Erwerbszwecken eingeführte Waren, und zwar acht Stangen ungarische Salami (Zolltarif Nr. 1601 00) und fünf Stangen Karavan - ungarischer Räucherkäse (Zolltarif Nr. 0406) - nicht spätestens am 24. Jänner 1989 dem Landeshauptmann von Wien in zweifacher Ausfertigung gemeldet habe. Er habe dadurch § 74 Abs. 4 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975), BGBl. Nr. 86, in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 11. Oktober 1988, über die Bekanntgabe von importierten Waren (Lebensmittel-Importmeldeverordnung), BGBl. Nr. 575, verletzt. Die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen) wurde auf S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) herabgesetzt.

Nach der Begründung habe die Magistratsabteilung 59, Marktamtsabteilung für den 4. bis 7. Bezirk, die dem Beschwerdeführer im Spruch vorgeworfene Verwaltungsübertretung am 23. Februar 1989 zur Anzeige gebracht. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß die gegenständlichen Waren nicht zu Erwerbszwecken, sondern für den privaten Gebrauch bestimmt gewesen seien. Die als Zeugen vernommenen Angestellten des Beschwerdeführers, Heidemarie N und Alois K, hätten dies zwar bestätigt, doch werde die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen dadurch gemindert, daß sie Arbeitnehmer der Brüder X KG. seien und daher zumindest unbewußt bestrebt gewesen seien, für den Beschwerdeführer günstig auszussagen. Die belangte Behörde schließe sich der Meinung der Behörde erster Instanz an, daß schon die Menge der importierten Waren gegen deren Verwendung zum ausschließlich privaten Gebrauch spreche. Nach der Anzeige der Magistratsabteilung 59 sei anläßlich der vorgenommenen Betriebskontrolle am 25. Jänner 1989 auch in Erfahrung gebracht worden, daß die Waren zur Herstellung belegter Brötchen zum Preis von je S 15,-- verwendet würden. Schließlich spreche auch die Lagerung der Waren im betriebseigenen Kühlschrank dafür, daß sie zu Erwerbszwecken bestimmt gewesen seien.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. § 1 Abs. 1 der Lebensmittel-Importmeldeverordnung, BGBl. Nr. 575/1988, lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Empfänger im Sinne des § 52 Abs. 2 lit. b des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129, in der jeweils geltenden Fassung, haben die in der Anlage genannten und aus dem Zollausland zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung eingeführten Waren dem Landeshauptmann, in dessen Amtsbereich sich die Ware zum Zeitpunkt der Bekanntgabe befindet, in zweifacher Ausfertigung zu melden..."

2.2. Die belangte Behörde hat die dem Beschwerdeführer angelastete Übertetung der Lebensmittel-Importmeldeverordnung im wesentlichen auf Grund der Menge der importierten Waren, der "Erfahrung" anläßlich der Kontrolle, daß die Waren zur Herstellung belegter Brötchen verwendet würden, und der Lagerung der Waren im betriebseigenen Kühlschrank, als erwiesen angenommen. Die Glaubwürdigkeit der den Beschwerdeführer entlastenden Angaben der als Zeugen vernommenen Angestellten würden hingegen - nach Auffassung der belangten Behörde - dadurch gemindert, daß sie Arbeitnehmer der Brüder X KG. seien und daher zumindest unbewußt bestrebt gewesen seien, für den Beschwerdeführer günstig auszusagen.

Der als Zeuge vernommene Angestellte Alois K hat am 16. Juni 1989 im wesentlichen angegeben: "Die Salami und der Käse wurden von mir für Privatzwecke gekauft und im Kühlschrank gelagert... Die Ware wurde nicht für gewerbliche Zwecke benützt." Die als Zeugin vernommene Bedienstete Heidemarie N hat erklärt: "Die Salami und der Käse wurden für Privatzwecke gekauft und auch verwendet."

2.3. Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Grundsatz der freien Beweiswürdigung schließt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 88/04/0233).

2.3. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ist die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung nicht schlüssig. Wenn ihr auch zuzugestehen ist, daß die Menge der importierten Waren und deren Lagerung im betriebseigenen Kühlschrank gewichtige Indizien dafür sind, daß die Waren nicht für den privaten Gebrauch der Dienstnehmer bestimmt waren, so muß aus der Begründung eines Bescheides doch unter anderem hervorgehen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Die die Beweiswürdigung betreffenden Erwägungen haben schlüssig darzulegen, was die Behörde veranlaßt hat, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1989, Zl. 86/17/0201). Daraus ergibt sich, daß die von der belangten Behörde gebrauchte Wendung, die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen würde dadurch "gemindert", daß sie Arbeitnehmer und "daher zumindest unbewußt bestrebt waren", für den Beschwerdeführer "günstig auszusagen", diesem Erfordernis nicht gerecht wird, weil sie nicht eindeutig erkennen läßt, ob die belangte Behörde die entsprechenden Behauptungen als widerlegt ansieht oder nicht (vgl. das Erkenntnis vom 5. Juli 1991, Zl. 88/17/0108).

Um den Aussagen der Dienstnehmer die Glaubwürdigkeit absprechen zu können, hätte es auch einer eingehenderen Befragung hinsichtlich der näheren Umstände des behaupteten Warenimportes und der Lagerung im Betrieb bedurft. Im Beschwerdefall wäre auch aufzuklären gewesen, auf welche Weise anläßlich der Kontrolle am 25. Jänner 1989 "in Erfahrung gebracht" wurde, daß die Waren zur Herstellung belegter Brötchen verwendet würden. Sollte dies auf die Angaben der anwesenden Dienstnehmerin N zurückzuführen gewesen sein, so wäre diese anläßlich ihrer Vernehmung mit diesem Widerspruch zu konfrontieren gewesen.

2.4. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Unterlassung der Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.5. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß Art. III Abs. 2 anzuwenden war.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Zeugenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990100166.X00

Im RIS seit

26.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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