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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AÜG §10 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/09/0116Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat, über die Beschwerden des Stefan
Z und des Helmut S, beide in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. November 1990, Zl. MA 14 - BEG 125/90, und
2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15. Februar 1991, Zl. 5 - 214 Z 7/3-1991, beide betreffend die Vorschreibung der Ausgleichstaxe gemäß § 9 des Behinderteneinstellungsgesetzes für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerden und der angeschlossenen Unterlagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführer sind Inhaber eines in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes geführten Unternehmens, das Arbeitskräfte gemäß dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz Dritten zur Verfügung stellt (Personalbereitstellungsunternehmen).
Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. November 1990 (Beschwerde protokolliert unter ZL. 91/09/0115) wies der LANDESHAUPTMANN VON WIEN eine von den Beschwerdeführern erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Oktober 1990, mit dem den Beschwerdeführern gemäß § 9 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) eine Ausgleichstaxe für das Jahr 1989 in der Höhe von S 48.360,-- vorgeschrieben worden war.
In diesem Verwaltungsverfahren war ausschließlich die Frage strittig, von welcher Pflichtzahl bei der Berechnung der Ausgleichstaxe auszugehen sei. In ihrer Berufung haben die Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, Wesen der Personalbereitstellung sei es, Arbeitskräfte an Dritte zur Verfügung zu stellen. Der administrative Teil ihres Betriebes, die tatsächliche Wirtschaftsart Personalbereitstellung, sei klein, beschäftigt würden vielmehr überwiegend Arbeitnehmer aus den Bereichen Baugewerbe, Bauhilfsgewerbe und Installationen. Für alle diese Arbeitnehmer gebe es Verordnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hinsichtlich der Pflichtzahl (die für sie als Dienstgeber günstiger als die allgemeine Regelung des § 1 Abs. 1 BEinstG sei, wonach je 25 Dienstnehmer mindestens ein begünstigter Behinderter einzustellen sei), die angewendet werden müßten.
Hiezu führte die belangte Behörde aus, strittig sei, nach welchen Kriterien im Beschwerdefall die Wirtschaftsart des Betriebes zu beurteilen sei. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführer einen Personalbereitstellungsbetrieb führten, dessen Hauptaufgabe und Zweck es sei, Personal verschiedener Gruppen Dritten zur Verfügung zu stellen, die von Fall zu Fall verschiedene Arbeitskräfte der angebotenen Berufsarten benötigten. Dies bedeute jedoch, daß es bei der rechtlichen Beurteilung, welcher Wirtschaftsart der gegenständliche Betrieb zugehöre, nicht darauf ankomme, welche Arbeitskräfte für die Weitergabe an dritte Arbeitgeber bereitgehalten würden, sondern daß einzig und allein der Grundzweck des Betriebes, eben die Bereitstellung diversen Personals unabhängig von dessen erlerntem Beruf, maßgeblich sei. Wollte man den Vorstellungen der Beschwerdeführer folgen, die Pflichtzahl entsprechend der unterschiedlichen Verordnungen für jeden einzelnen Dienstnehmer festzustellen, wäre im gegebenen Fall für den Betrieb selbst die Wirtschaftsart nicht eindeutig zu bestimmen und damit verbunden die Pflichtzahl nicht eindeutig zu ermitteln; diese Vorgangsweise würde nicht dem Gesetzesauftrag des Behinderteneinstellungsgesetzes entsprechen. Zutreffend habe daher die Behörde erster Instanz sich bei der Bestimmung der Pflichtzahl am Betriebsgegenstand Personalbereitstellung orientiert; da für die Personalbereitstellungsunternehmen keine entsprechende Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Pflichtzahl existiere, sei zutreffend von der Regelung des § 1 Abs. 1 BEinstG ausgegangen worden.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen gleichfalls angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 1991 (Beschwerde protokolliert unter ZL. 91/09/0116) wies der LANDESHAUPTMANN VON STEIERMARK eine von den Beschwerdeführern erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid des Landesinvalidenamtes für Steiermark vom 6. November 1990, mit dem den Beschwerdeführern für das Kalenderjahr 1989 gemäß § 9 BEinstG eine Ausgleichstaxe in der Höhe von S 12.480,-- vorgeschrieben worden war. Das Berufungsvorbringen sowie die Begründung dieses angefochtenen Bescheides entsprechen im Ergebnis dem im Verfahren vor dem Landeshauptmann von Wien. Gestützt auf eine im Verfahren vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geäußerte Rechtsauffassung vertrat auch in diesem Fall der Landeshauptmann von Steiermark die Auffassung, für die Zuordnung eines bestimmten Unternehmens zu einem Wirtschaftszweig sei ausschließlich die überwiegende Tätigkeit des Betriebes maßgebend. Der Geschäftsgegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführer betreffe ausnahmslos das Überlassen von Arbeitskräften an Dritte. In welchen Branchen die überlassenen Dienstnehmer eingesetzt würden, sei für die Beurteilung der Zugehörigkeit einer Firma zu einem Wirtschaftszweig unerheblich. Ausschlaggebend sei hiefür der Betriebsgegenstand (hier: Personalbereitstellung). Der Geschäftszweig der Personalbereitstellung sei nicht in einer nach § 1 Abs. 2 BEinStG erlassenen Verordnung erfaßt. Auch nach Auffassung der (zweit)belangten Behörde sei der Betrieb des Beschwerdeführers unzweifelhaft dem Wirtschaftszweig "sonstige Wirtschaftsdienste, Personalbereitstellung" zuzuordnen, da der Betriebsgegenstand nicht irgendwelche Bauarbeiten, sondern die Bereitstellung von Personal- und Dienstleistungen umfasse. In diesem Bereich bestünden keine abweichenden Verordnungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Eine allfällige Gleichheitswidrigkeit könne die (zweit)belangte Behörde darin nicht erkennen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 11. Juni 1991, B 346/91, B 371/91, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerden antragsgemäß nach Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, die beiden vorliegenden Beschwerden wegen ihres engen persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und danach erwogen:
§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinStG), BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung zuletzt BGBl. Nr. 721/1988, lauten:
"(1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf internationale Organisationen im Sinne des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1977 über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977.
(2) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann nach Anhörung des Beirates (§ 10 Abs. 2) die Zahl der nach Abs. 1 zu beschäftigenden Dienstnehmer (Pflichtzahl) für bestimmte Gebiete oder Wirtschaftszweige durch Verordnung derart abändern, daß, wenn nicht genügend für Behinderte geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, schon auf je
20 Dienstnehmer, oder wenn bestimmte Wirtschaftszweige aus technischen Gründen der Beschäftigungspflicht nicht nachkommen können, nur auf je höchstens 50 Dienstnehmer mindestens ein Behinderter zu beschäftigen ist. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann ferner nach Anhörung des Beirates durch Verordnung bestimmen, daß Dienstgeber Arbeitsplätze, die sich für die Beschäftigung von Behinderten besonders eignen, diesen Behinderten oder bestimmten Gruppen von Behinderten vorzubehalten haben."
§ 1 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 17. September 1976, BGBl. Nr. 546, über die Änderung der Pflichtzahl nach dem Invalideneinstellungsgesetz 1969 für einstellungspflichtige Dienstgeber des Baugewerbes und der Bauindustrie lautet:
"§ 1. Für die nach der Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten (Betriebssystematik 1968) der Wirtschaftsklasse 61, 62, 63, Wirtschaftsart bzw. Wirtschaftsgruppe:
611 Hochbau mit den Wirtschaftsarten 611.1, 611.2, 611.9
612 Tiefbau mit den Wirtschaftsarten 612.1, 612.2, 612.9
621.0 Zimmerei und Holzkonstruktionsbau
622.0 Dach- und Schwarzdeckerei
623.0 Glaserei
624.0 Malerei und Anstreicherei
625 Fußboden-, Platten- und Fliesenlegerei, Ofensetzerei
mit den Wirtschaftsarten 625.1, 625.2, 625.3
626.0 Bauspenglerei
629 Übriges Ausbau- und Bauhilfsgewerbe mit den Wirtschaftsarten 629.1, 629.2, 629.3, 629.4, 629.9
631.0 Gas-, Wasser- und Sanitärinstallation
632.0 Heizungs- und Lüftungsinstallation
633.0 Elektroinstallation
zuzuordnenden Unternehmungen, welche die angeführten Wirtschaftstätigkeiten ausschließlich oder überwiegend betreiben, wird die gemäß § 1 Abs. 1 des Invalideneinstellungsgesetzes 1969 festgesetzte Beschäftigungspflicht insoweit abgeändert, als nur auf je 35 Dienstnehmer mindestens ein Invalider zu beschäftigen ist."
In ihren wörtlich gleichlautenden Beschwerdeergänzungen bringen die Beschwerdeführer gegen die angefochtenen Bescheide unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, auf Grund der bloß formellen Einordnung ihres Unternehmens unter die Position 9359 (der Betriebssystematik 1968) seien die belangten Behörden zum Ergebnis gekommen, die Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 17. September 1976, BGBl. Nr. 546, sei in den Beschwerdefällen nicht anzuwenden. Der Betriebssystematik 1968 komme weder Verordnungs- geschweige denn Gesetzesrang zu. Die genannte Verordnung komme daher nach Ansicht der Beschwerdeführer auch ihnen zugute, da sie mit der Vermittlung von Bau- und Bauhilfsarbeitern beschäftigt seien. Aus § 10 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (Geltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften des im Beschäftigungsbetrieb auf vergleichbare Arbeitnehmer anzuwendenden Kollektivvertrages für die überlassenen Arbeitskräfte) sowie aus der Entlohnung der Leiharbeiter nach dem Kollektivvertrag vergleichbarer Arbeitnehmer schließen die Beschwerdeführer, daß weder der Gesetzgeber noch die Interessenvertretung das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung als selbständige Wirtschaftsart ansehen wollten. Auch widerspreche es dem Gleichheitssatz, auf einen Arbeitgeber eine Verordnung anzuwenden und auf einen anderen Arbeitgeber nicht, obwohl er die gleichen Dienstnehmer beschäftige. Da die Beschwerdeführer fast ausschließlich Personen beschäftigten, die aus Branchen kämen, für die Verordnungen im Sinne des § 1 Abs. 2 BEinStG erlassen worden seien, sei diese Norm auch zugunsten der Beschwerdeführer anzuwenden und ihnen der Pflichtzahlschlüssel mit 35 bei Berechnung der Ausgleichstaxe zuzuerkennen.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Unbestritten sind die Beschwerdeführer Inhaber eines Personalbereitstellungsunternehmens (Überlassung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte). Sie gehen selbst in ihrer Beschwerde davon aus, daß nach der Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten (Betriebssystematik 1968) diese Tätigkeit unter die Position 9359 fällt und daher bei einer "formellen" Einordnung die Verordnung, BGBl. Nr. 546/1976, in den Beschwerdefällen keine Anwendung findet. Den Beschwerdeführern ist einzuräumen, daß der Betriebssystematik 1968 für sich allein weder Gesetzes- noch Verordnungsrang zukommt. Sie übersehen aber, daß die auf § 1 Abs. 2 BEinStG gestützten Verordnungen, insbesondere die im Beschwerdefall von ihnen genannte Verordnung, BGBl. Nr. 546/1976, an die Betriebssystematik 1968 anknüpfen und für bestimmte dort genannte Tätigkeiten eine von der grundsätzlichen Regelung nach § 1 Abs. 1 BEinstG abweichende Pflichtzahl bestimmen. Insoweit kommt den zitierten Bestimmungen der Betriebssystematik 1968 normative Bedeutung zu, weil damit der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnungen im Wege der Verweisung umschrieben wird. Darüber hinaus ist wegen des Sachzusammenhanges bei der Ermittlung des Sinngehaltes dieser normativ bedeutsamen Teile der Betriebssystematik 1968 auf deren Gesamtsystem zurückzugreifen, es sei denn, der Verordnungsgeber würde erkennbar von dem Regelungssystem, an dem er anknüpft, abweichen. Dies ist bei der im Beschwerdefall in Betracht kommenden Verordnung, BGBl. Nr. 546/1976, indessen nicht der Fall. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes stellt diese Verordnung - unter Hinweis auf die Betriebssystematik - auf die unmittelbare Erbringung der dort aufgezählten Tätigkeiten ab und läßt keine sinngemäße Anwendung auf die Vermittlung von Arbeitskräften zu, die Unternehmern überlassen werden, die die von der Verordnung erfaßten Tätigkeiten (unmittelbar) ausüben.
An diesem Auslegungsergebnis vermag auch nichts der Hinweis auf § 10 Abs. 3 AÜG bzw. die Entlohnung von überlassenen Arbeitskräften zu ändern. Aus der Gleichstellung überlassener Arbeitskräfte mit vergleichbaren Arbeitnehmern in jenen Betrieben, in denen jene eingesetzt werden, in Teilbereichen des Arbeitsrechtes läßt sich nämlich nichts für die Auslegung des Behinderteneinstellungsgesetzes bzw. der auf § 1 Abs. 2 BEinstG gestützten Verordnungen gewinnen.
Dieses Auslegungsergebnis steht auch nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz im Widerspruch, bestehen doch - worauf der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluß vom 11. Juni 1991, B 346/91, B 371/91, bereits hingewiesen hat - unbeschränkte Einsatzmöglichkeiten für Arbeitnehmer von Personalbereitstellungsunternehmen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführer de facto einen Großteil ihrer Arbeitskräfte Unternehmen bestimmter Branchen überlassen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Mangels rechtlicher Erheblichkeit stellt es auch keinen Verfahrensmangel dar, wenn es die belangten Behörden in den Beschwerdefällen unterlassen haben, Erhebungen darüber anzustellen, welche Arbeitskräfte tatsächlich im Unternehmen der Beschwerdeführer beschäftigt seien.
Da die Beschwerden ihrem Inhalt nach erkennen lassen, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren sie - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991090115.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
31.07.2009