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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der Brigitte F in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. August 1990, Zl. MA 62-III/371/90, betreffend Bereitstellung eines Kraftfahrzeuges nach dem Militärleistungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bereitstellungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. August 1990 wurde ein näher bezeichneter, für die Beschwerdeführerin zugelassener PKW gemäß § 12 des Militärleistungsgesetzes, BGBl. Nr. 174/1968, angefordert. Der Leistungsgegenstand sei dem angegebenen Leistungsempfänger samt Zubehör und Ersatzteilen betriebsbereit mit Zulassungsschein unter Vorweis dieses Bescheides zu übergeben oder übergeben zu lassen. Sofern es notwendig sei, habe die Beschwerdeführerin den Leistungsempfänger in die Bedienung des Leistungsgegenstandes einzuweisen. Die Bestimmung des Zeitpunktes der Übergabe erfolge gesondert.
In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Tabaktrafik der Beschwerdeführerin sei kein gemäß § 6 Abs. 1 lit. e des Militärleistungsgesetzes von der Leistungspflicht ausgenommenes Unternehmen, da Tabakwaren nicht zu den lebenswichtigen Erfordernissen im Sinne des § 6 Abs. 2 leg. cit. zählen würden. Darunter seien nur solche zu verstehen, die unmittelbar lebensnotwendig seien, wie z.B. Lebensmittel, Medikamente und die notwendigsten Kleidungsstücke. Im übrigen würden Leistungsgegenstände der im Spruch angeführten Art immer nur beruflichen Zwecken dienen. Es erscheine somit aussichtslos, solche Gegenstände aus nichtberuflichen Verwendungsbereichen anzufordern. Auch stünden den besonders gewichtigen militärischen Interessen im Mobilmachungsfalle auf seiten der Beschwerdeführerin keine gleichgewichtigen privaten Interessen gegenüber.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 2 des Militärleistungsgesetzes könne sich der Leistungspflichtige bei der gegebenenfalls notwendigen Einweisung des Leistungsempfängers in die Bedienung des Leistungsgegenstandes auch vertreten lassen. Dem gegenüber verpflichte der angefochtene Bescheid die Beschwerdeführerin zur PERSÖNLICHEN Einweisung des Leistungsempfängers. Das Fehlen eines Hinweises auf die gesetzlich vorgesehene Vertretungsmöglichkeit bei der Einweisung belaste den angefochtenen Bescheid mit einem Rechtsmangel.
Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 des Militärleistungsgesetzes hat, sofern es notwendig ist, der Leistungspflichtige oder sein Vertreter den Leistungsempfänger in die Bedienung des Leistungsgegenstandes einzuweisen. Dabei handelt es sich um eine Verpflichtung, die mit einem rechtswirksamen Leistungsbescheid nach § 11 oder einem Bereitstellungsbescheid nach § 12 des Militärleistungsgesetzes ex lege verbunden ist. Zu ihrer Begründung bedarf es keiner gesonderten bescheidmäßigen Vorschreibung, weshalb der hier bemängelte Spruchteil überflüssig ist. Er wiederholt lediglich, was ohnedies bereits auf Grund des Gesetzes gilt. Dafür spricht auch, daß das Militärleistungsgesetz in § 11 Abs. 1 und in § 12 den notwendigen Inhalt des Spruches von Leistungs- und Bereitstellungbescheiden ausdrücklich festlegt, dabei aber die Einweisungspflicht mit keinem Wort erwähnt. Davon abgesehen ist der Umstand, daß die belangte Behörde den Inhalt des zweiten Satzes des § 16 Abs. 1 des Militärleistungsgesetzes, statt darauf bloß in der Begründung hinzuweisen, verfehlterweise in den Spruch aufgenommen und überdies unvollständig wiedergegeben hat, für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin deshalb ohne Belang, weil ihr - mangels einer dahingehenden ausdrücklichen Anordnung - eine Verpflichtung, die allenfalls erforderliche Einweisung PERSÖNLICH vorzunehmen, nicht auferlegt wurde. Ihre Rechtsstellung erfuhr daher durch den bemängelten Spruchteil keine Änderung gegenüber jener, wie sie insoweit bereits auf Grund des Gesetzes in Verbindung mit dem übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheides bestand.
Die Beschwerdeführerin hält die Auslegung des § 6 Abs. 2 des Militärleistungsgesetzes durch die belangte Behörde für verfehlt. Sie sei aus dem Gesetz nicht ableitbar und widerspreche der herrschenden Praxis und sogar der Judikatur zum Begriff "notwendig". So handle es sich etwa beim "notwendigen Unterhalt" im Sinne des § 63 ZPO und des § 79 AVG, anders als beim "notdürftigen Unterhalt", um das zu einer einfachen Lebensführung Notwendige, dazu würden jedenfalls auch Tabakwaren zählen. Erfahrungsgemäß bedeute für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die Nichtversorgung mit Tabakwaren eine Einschränkung der einfachen Lebensführung, darüberhinaus würden bei langjährigen Rauchern auch Entzugserscheinungen auftreten. Aus diesem Grunde werde in allen Heeren der Welt die Truppe mit Tabakwaren versorgt. Auch zeige die Erfahrung vergangener Notzeiten, daß von Rauchern sogar Lebensmittelkarten gegen die von ihnen so dringend benötigten Rauchwaren eingetauscht würden.
Auch dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Gemäß § 6 Abs. 1 lit. e des Militärleistungsgesetzes sind andere als von lit. c und d erfaßte Unternehmen (unter diese beiden Buchstaben fallen Unternehmen, die der Versorgung mit Elektrizität, Gas oder Wasser oder der öffentlichen Nachrichtenübermittlung oder dem öffentlichen Verkehr dienen), soweit diese lebenswichtige Aufgaben erfüllen, hinsichtlich der zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendigen Leistungsgegenstände von der Leistungspflicht ausgenommen. Lebenswichtig im Sinne dieser Bestimmung sind nach Abs. 2 dieses Paragraphen jene Erfordernisse, die der Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens dienen. Daß es sich hinsichtlich Tabakwaren um Erfordernisse handelt, die bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung der Befriedigung eines Bedürfnisses des täglichen Lebens dienen, liegt auf der Hand und braucht daher nicht näher begründet zu werden. Die gesetzliche Definition des Begriffes lebenswichtig erfaßt aber nicht alle Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern nur die NOTWENDIGEN. Dabei handelt es sich der eigentümlichen Bedeutung dieses Wortes ("Not wendend") entsprechend um jene elementaren Lebensbedürfnisse, deren Befriedigung für die Erhaltung des Lebens und der Gesundheit von Menschen unerläßlich ist, wie dies insbesondere bei den Bedürfnissen nach Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Beheizung der Fall ist. Der Gerichtshof verkennt nicht, daß das Bedürfnis nach dem Konsum von Tabakwaren je nach dem Ausmaß der Süchtigkeit gegebenenfalls als außerordentlich dringlich empfunden werden kann und daß dessen Nichterfüllung insbesondere bei langjährigen Rauchern geradezu Entzugserscheinungen hervorzurufen vermag. Daraus folgt aber nur, daß es sich in diesen Fällen um ein subjektiv sehr intensiv empfundenes (wie gerade auch die von der Beschwerdeführerin erwähnten Beispiele zeigen), nicht jedoch, daß es sich um ein notwendiges Bedürfnis des täglichen Lebens im aufgezeigten Sinne handelt. Im Hinblick auf die besagte Definition in § 6 Abs. 2 des Militärleistungsgesetzes und angesichts der unterschiedlichen Regelungszwecke der betreffenden Gesetze vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin ferner darin nicht zu folgen, daß zur Auslegung des Begriffes "notwendig" die Rechtsprechung zum Begriff "notwendiger Unterhalt" in den Verfahrensgesetzen heranzuziehen sei.
Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde die Tabaktrafik der Beschwerdeführerin mit Recht nicht als ein gemäß § 6 Abs. 1 lit. e des Militärleistungsgesetzes von der Leistungspflicht ausgenommenes Unternehmen angesehen hat. Die insoweit behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
Auch mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe, obwohl sie dazu gemäß § 5 letzter Satz des Militärleistungsgesetzes verpflichtet sei, nicht einmal den Versuch unternommen, primär ein Fahrzeug anzufordern, das nicht beruflichen Zwecken dient, vermag die Beschwerdeführerin keine Verletzung eines subjektiven Rechtes durch den angefochtenen Bescheid darzutun. Gemäß § 5 leg. cit. sind, wenn der die Anforderung von Leistungen begründende Bedarf durch die Inanspruchnahme von Leistungen verschiedener Personen befriedigt werden kann, die Personen heranzuziehen, durch deren Leistung den militärischen Interessen unter möglichst geringer Verletzung berücksichtigungswürdiger anderer Interessen am zweckmäßigsten entsprochen wird. Für die militärischen Interessen sind insbesondere der vorgesehene militärische Verwendungszweck sowie die rasche Einsatzmöglichkeit des Leistungsgegenstandes, für die berücksichtigungswürdigen anderen Interessen insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse und der sonstige Lebensbedarf des Leistungspflichtigen sowie anderer durch die Anforderung betroffener Personen maßgeblich (erster Satz). Leistungsgegenstände, die der Berufsausübung dienen, dürfen nur dann angefordert werden, wenn der Bedarf nicht durch die Anforderung von Leistungsgegenständen gedeckt werden kann, die keinen beruflichen Zwecken dienen (zweiter Satz). § 5 des Militärleistungsgesetzes begründet - anders als sein § 6, der bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen ausdrücklich die Ausnahme von der Leistungspflicht vorsieht - keinen Rechtsanspruch der durch die Anforderung betroffenen Personen auf Leistungsfreiheit. Bei der hier vorgesehenen Interessenabwägung steht die Wahrung militärischer Rücksichten, sohin die Zweckmäßigkeit der getroffenen Anordnung, im Vordergrund. Daraus, daß die Behörde hiebei auch auf die Interessen der von der Anforderung betroffenen Personen tunlichst Bedacht zu nehmen hat, läßt sich mangels einer ausdrücklichen, dem § 6 des Militärleistungsgesetzes vergleichbaren Regelung kein subjektives Recht dieser Personen ableiten. Die Rechtslage ist daher insoweit mit jener bei der Auswahl von Wehrpflichtigen für Kaderübungen gemäß § 29 Abs. 7 des Wehrgesetzes 1990 vergleichbar, wonach die Militärbehörde die Auswahl der Wehrpflichtigen nach den jeweiligen militärischen Bedürfnissen vorzunehmen und dabei auf deren persönliche Verhältnisse angemessen Rücksicht zu nehmen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seinem Erkenntnis vom 8. März 1991, Zl. 90/11/0188, ausgesprochen, daß hiebei die Wahrung militärischer Rücksichten im Vordergrund steht und subjektive Rechte des Wehrpflichtigen durch einen Auswahlbescheid nicht berührt werden. Begründet demnach § 5 des Militärleistungsgesetzes kein subjektives Recht der durch die Anforderung betroffenen Personen, kann die Beschwerdeführerin durch das Unterbleiben der von ihr vermißten Ermittlungen auch insoweit in ihren Rechten nicht verletzt sein.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 lebenswichtig Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110199.X00Im RIS seit
11.07.2001