TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/8 91/07/0057

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Veröffentlicht am 08.10.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
VVG §10 Abs1;
VVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der Anna V in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Februar 1991, Zl. III/1-18.644/28-90, betreffend Verfügung der Ersatzvornahme und Auftrag zur Kostenvorauszahlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm ein Auftrag zur Kostenvorauszahlung erteilt worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 1984 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 zu nachstehenden Leistungen verpflichtet:

"1. Die vorhandenen Teile der Uferstützmauer, welche sich im Bereich der Gerinneparzelle befinden, sind zur Gänze zu entfernen.

2. Parallel zur vorhandenen Grundgrenze ist ein Böschungsfuß anzulegen, welcher gerinneaufwärts und gerinneabwärts an den vorhandenen Böschungsfuß der Nachbargrundstücke anzupassen ist.

3. Anschließend an diesen Böschungsfuß ist die Böschung in einem Verhältnis von nicht steiler als 2 : 3 (60 Grad) anzulegen.

4. Der neue Böschungsfuß ist durch einen Steinwurf zu sichern. Die Böschung selbst ist zu besämen oder zu bepflanzen.

5. Aus dem Gerinnebett sind sämtliche Reste der alten Mauer zu entfernen.

6. Die Aufstellung des Zaunes hat entlang der Grundgrenze zu erfolgen."

Begründend wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin auf den seinerzeit in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken 613/1 und 391/13 KG P eigenmächtig eine Ufermauer samt Stiege am linken Ufer des Wienflusses errichtet habe.

Diese Entscheidung wurde mit hg. Erkenntnis vom 29. November 1988, Zl. 84/07/0195, hinsichtlich Vorschreibungspunkt 6. aufgehoben, ansonsten aber aufrechterhalten.

Nach Androhung der Ersatzvornahme mit Schreiben vom 24. April 1989 erfolgte mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 5. Juni 1990 einerseits die Anordnung der Ersatzvornahme, andererseits der Auftrag zur Kostenvorauszahlung in Höhe von S 162.000,-. Der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und führte begründend aus, daß die bloße Absichtserklärung zur Erfüllung behördlicher Auflagen der tatsächlichen Erfüllung nicht gleichzuhalten sei, die Erfüllungsverpflichtung unabhängig von der Erklärung einer Gebietskörperschaft bestehe, im gegenständlichen Bereich ohnehin eine Ufersanierung künftig durchführen zu wollen, und im übrigen bei der Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages die wirtschaftliche Lage des Verpflichteten nicht zu berücksichtigen sei.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt erachtet, nicht zu der ihr aufgetragenenen Kostenvorauszahlung verpflichtet zu werden. Die Anordnung der Ersatzvornahme ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbekämpft geblieben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den Kostenvorauszahlungsauftrag (KVA) wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, da weder die Art der Ermittlung noch die Angemessenheit der Kosten überprüfbar wären. Zur Anfechtungsmöglichkeit eines KVA hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen: Der in Bescheidform ergehende KVA im Sinne des § 4 Abs. 2 VVG ist keine Vollstreckungsverfügung, sondern ein im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehender verfahrensrechtlicher Bescheid, auf den die Bestimmungen des AVG voll anzuwenden sind. Dieser Bescheid dient nicht mehr der Herstellung des bescheidgemäßen Zustandes, sondern nur der Schadloshaltung der Behörde. Wenn § 10 Abs. 1 VVG bestimmt, daß auf das Vollstreckungsverfahren, soweit sich aus dem gegenwärtigen Gesetze nichts anderes ergibt, die Vorschriften des I. und IV. Teiles des AVG sinngemäß Anwendung finden (woraus folgt, daß die Bestimmungen des II. Teiles über das Ermittlungsverfahren und somit auch über das Parteiengehör nicht anzuwenden sind), so gilt das nur für Verfahren nach § 10 VVG. Die Einschränkungen des § 10 VVG beziehen sich nämlich nur auf das Vollstreckungsverfahren im "engeren Sinn", das heißt auf das Verfahren, das auf die Erlassung der Vollstreckungsverfügung abzielt (vgl. hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/09/0077; vgl. weiters Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035).

Für den Beschwerdefall ergibt sich daher, daß die Behörden in diesem Verfahren hinsichtlich des Auftrages zur Kostenvorauszahlung den Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs zu beachten und ihre Bescheide zu begründen hatten.

Im gegenständlichen Verfahren trug der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin auf, binnen Monatsfrist S 162.000,- zu leisten. Diesem KVA ist aber weder zu entnehmen, wie die Behörde diesen Betrag ermittelt hat noch aus welchen Teilbeträgen (Arbeits- und Sachaufwand) sich dieser Endbetrag zusammensetzt. Daß dieser Kostenvorschreibung das Gutachten eines bautechnischen Sachverständigen zugrunde lag, war weder dem angefochtenen noch dem Bescheid der Behörde erster Instanz zu entnehmen; weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde räumten der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen, obwohl sie auf Grund der Rechtslage dazu verpflichtet gewesen wären.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die Notwendigkeit einer konkret BEGRÜNDETEN Kostenanfechtung hinweist, fordert sie von der Beschwerdeführerin gerade jene Begründungspflicht, die sie selbst unterlassen hat. Es war daher der Beschwerdeführerin mangels Wahrung des Parteiengehörs sowie mangels kostenmäßiger Aufgliederung nicht möglich, die Notwendigkeit der durchzuführenden Maßnahmen und deren Preisangemessenheit zu bekämpfen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher insofern mit einem Verfahrensmangel behaftet. Dieser ist deshalb von Relevanz, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher in diesem (bekämpften) Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilagen bzw. eine solche Beschwerdeausfertigung.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Besondere Rechtsgebiete VVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991070057.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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