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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §41 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde 1. des NN und 2. der MN, beide in Gerlos, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17. Juli 1991, Zl. 512.445/01-I 5/91, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Gerlos, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge wies die belangte Behörde in Spruchabschnitt I. dieses Bescheides die von den Beschwerdeführern gemeinsam erhobene Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. Oktober 1990, mit dem dieser der Gemeinde Gerlos die wasserrechtliche Bewilligung für deren Vorhaben "Gemeinde Gerlos - Erweiterung, Wasserversorgung Dezember 1989" erteilt hatte, gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 infolge Präklusion ab. Gleichzeitig wurden in Spruchabschnitt II. des angefochtenen Bescheides die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer hätten als durch das Vorhaben der genannten Gemeinde berührte Einforstungsberechtigte erst am 9. Mai 1991 die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides begehrt und nach dessen Übermittlung am 3. Juni 1991 dagegen Berufung erhoben. Die Kundmachung für die dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde gelegene, am 16. August 1990 durchgeführte wasserrechtliche Bewilligungsverhandlung sei ab 20. Juli 1990 an der Amtstafel der Gemeinde Gerlos angeschlagen gewesen, sodaß die Beschwerdeführer gemäß § 107 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 als ordnungsgemäß geladen anzusehen seien. Die Ansicht der Beschwerdeführer, sie seien persönlich zu laden gewesen, finde im Gesetz keine Deckung. Da die Beschwerdeführer zur mündlichen Bewilligungsverhandlung nicht erschienen seien, müßten sie mit ihrem Berufungsvorbringen als präkludiert gelten, was zur Folge habe, daß dieses keiner inhaltlichen Prüfung unterzogen werden dürfe. Der gleichzeitig mit der Berufung erhobene Antrag, der Gemeinde Gerlos durch einstweilige Verfügung die Inangriffnahme des Baues erst dann zu gestatten, wenn diese mit den Beschwerdeführern ein Übereinkommen erzielt habe oder wenn eine rechtskräftige Enteignung vorliege, sei abzuweisen gewesen, weil mit einstweiligen Verfügungen nur solche Maßnahmen angeordnet werden könnten, die Inhalt eines wasserpolizeilichen Auftrages sein könnten. Eine einstweilige Verfügung der von den Beschwerdeführern beantragten Art finde aber im WRG 1959 keine Deckung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf meritorische Entscheidung über die von ihnen erhobenen Einwendungen unter allfälliger Durchführung eines gesetzmäßigen Enteignungsverfahrens, auf Ausübung ihrer Realrechte, auf Abweisung des von der Gemeinde Gerlos eingebrachten Bewilligungsansuchens und auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hatte im Beschwerdefall das WRG 1959 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 anzuwenden.
Gemäß § 107 Abs. 1 zweiter Satz und folgende leg. cit. sind zur mündlichen Verhandlung der Antragsteller und die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen, persönlich zu laden; dies gilt auch für jene im Wasserbuch eingetragenen Wasserberechtigten und Fischereiberechtigten, in deren Rechte durch das Vorhaben eingegriffen werden soll. Die anderen Parteien sowie die sonstigen Beteiligten sind durch Anschlag in den Gemeinden, in denen das Vorhaben ausgeführt werden soll, zu laden. Soll durch das Vorhaben in Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, eingegriffen werden, ist die zuständige Agrarbehörde von der Verhandlung zu verständigen.
Diese durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 erfolgte Neufassung des § 107 Abs. 1 WRG 1959 stellt sich inhaltlich als eine durch eine Spezialnorm getroffene, von § 41 Abs. 1 AVG 1950 abweichenden Regelung des Kreises der zwingend von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung persönlich zu Verständigenden dar.
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführer durch das bewilligte Vorhaben insofern in ihren Rechten betroffen sind, als dadurch eine nicht in ihrem Eigentum stehende Grundparzelle in Anspruch genommen werden soll, auf der ihnen grundbücherlich einverleibte Weiderechte sowie das Recht des Bezuges von Streu- und Bodenprodukten zustehen. Die Beschwerdeführer sind daher als Inhaber von Nutzungsrechten gemäß dem in § 107 Abs. 1 WRG 1959 angeführten Grundsatzgesetz anzusehen. Als solchen stand ihnen aber entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht kein Anspruch darauf zu, von der wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung persönlich verständigt zu werden. Vielmehr ist die belangte Behörde in Übereinstimmung mit dem maßgeblichen Gesetzeswortlaut davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführer durch den - von ihnen nicht angezweifelten - Anschlag der Verhandlungskundmachung an der Amtstafel der Gemeinde Gerlos ordnungsgemäß geladen worden seien. War aber von der ordnungsgemäßen Ladung der Beschwerdeführer auszugehen, so zog das Fernbleiben der Beschwerdeführer von der Verhandlung bzw. das Unterlassen der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen (vor oder während der Verhandlung) die von der belangten Behörde zu Recht ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG 1950 und somit auch die Unbeachtlichkeit der erst nach der Verhandlung in der Berufung erhobenen Einwendungen nach sich.
Soweit die Beschwerdeführer rügen, sie seien auch nicht durch die gemäß § 107 Abs. 1 WRG 1959 zu verständigende Agrarbehörde zur Verhandlung eingeladen worden, ist ihnen zu erwidern, daß eine derartige Verpflichtung der Agrarbehörden im WRG 1959 nicht vorgesehen ist und daß das - wenngleich der Intention der Bestimmung offenbar nicht entsprechende - Unterbleiben einer Verständigung durch die Agrarbehörde nichts an der Ordnungsgemäßheit der durch den Anschlag der Verhandlungskundmachung an der Amtstafel vollzogenen Ladung der Beschwerdeführer zu ändern vermag.
Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer, die Behörde erster Instanz habe zu Unrecht die erforderlichen Dienstbarkeiten gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 für eingeräumt erklärt, ist festzuhalten, daß diese Gesetzesstelle für die Beurteilung der Frage einer Einräumung von Dienstbarkeiten gegenüber den Beschwerdeführern als Inhabern von Nutzungsrechten im Sinne des in § 107 Abs. 1 WRG 1959 angeführten Grundsatzgesetzes nicht in Frage kommen kann, weil § 111 Abs. 4 WRG 1959 nur gegenüber dem EIGENTÜMER eines durch eine bewilligte Anlage in für den Betroffenen unerheblichem Ausmaß in Anspruch genommenen Grundstückes wirksam ist.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Abweisung der Berufung der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.
Den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 122 WRG 1959 betreffend ist die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für eine derartige Verfügung nicht erfüllt sind. So kommt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Beschwerdefall schon deshalb nicht in Betracht, weil der in der Beschwerde genannte Zweck der "Aufschiebung der unseres Erachtens rechtswidrigen wasserrechtlichen Bewilligung" bereits durch die von Gesetzes wegen vorgesehene, im Beschwerdefall nicht ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung erfüllt war. Die belangte Behörde hat daher den Antrag auf Erlassung einer gegen die Verwirklichung des durch ihren Berufungsbescheid nunmehr rechtskräftig bewilligten Vorhabens gerichteten einstweiligen Verfügung zu Recht abgewiesen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung und ohne Durchführung der beantragten Verhandlung als unbegründet abzuweisen.
Demgemäß konnte auch ein Abspruch über den Antrag der Beschwerdeführer, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991070125.X00Im RIS seit
12.11.2001