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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des NN und der MN in A gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Mai 1990, Zl. 410.721/02-I 4/90, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht in einer Wasserrechtssache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von insgesamt S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. In einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren hatte die Bezirkshauptmannschaft Tulln (BH) als Wasserrechtsbehörde erster Instanz unter dem Datum 7.März 1985 einen auf § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 gestützten Bescheid erlassen, mit dem die nunmehrigen Beschwerdeführer verpflichtet worden waren, "an der Zufahrtsbrücke über das Grundstück 478/1 KG A, zu ihrem Grundstück 25, KG A, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides" eine Reihe von Maßnahmen durchzuführen. Unter einem waren den Beschwerdeführern Kommissionsgebühren in der Höhe von S 390,-- vorgeschrieben worden.
2. Aufgrund der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung hatte der im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 10. Juni 1987 den Bescheid der BH vom 7. März 1985 gemäß §§ 66 Abs. 2 und 73 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit "zur Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides" an die Behörde erster Instanz verwiesen.
Begründend hatte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft dazu ausgeführt, daß sich eine wasserpolizeiliche Anordnung gemäß § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 nur an den Eigentümer von Überbrückungen im Sinne dieser Bestimmung richten könne. Da die von der Erstinstanz festgestellten "Anhaltspunkte" für die "Eigentümerschaft" der Beschwerdeführer an der verfahrensgegenständlichen Brücke reine Vermutungen darstellten, die einen vollen Beweis über die Frage des Eigentums nicht ersetzen könnten, erscheine zur Klärung der Eigentums-Frage an der Überbrückung eine mündliche Verhandlung unvermeidlich (vor allem angesichts der in der Berufungsbegründung vorgebrachten Behauptung unrichtiger Tatsachenfeststellungen).
3. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, an der unter anderem auch der Erstbeschwerdeführer mit seinem Rechtsvertreter (dem nunmehrigen Beschwerdevertreter) teilgenommen hatte, war von der BH unter dem Datum
28. Juni 1989 ein Bescheid erlassen worden, mit dem nunmehr die Marktgemeinde A gemäß § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 zur Setzung der ursprünglich (mit dem behobenen Bescheid der BH vom 7. März 1985) den Beschwerdeführern aufgetragenen Maßnahmen an der Brücke über das Grundstück 478/1, KG A, verpflichtet wurde. Des weiteren waren der genannten Marktgemeinde Kommissionsgebühren in der Höhe von S 390,-- vorgeschrieben worden.
Zur Begründung des wasserpolizeilichen Auftrages hatte die Erstbehörde ausgeführt, sie könne lediglich von den erwiesenen Fakten, nämlich dem Grundbuchsstand bzw. der Katastermappe ausgehen, wonach die strittige Brücke eine Verbindung vom öffentlichen Gut der Bundesstraße über das öffentliche Gut des Grundstückes 478/1 X-Bach zum Privatgrundstück 25 darstelle und mit Klammern (Zeichen Nr. 31 der Vermessungsordnung 1976, BGBl. Nr. 181) als zum öffentlichen Gut Grundstück 478/1 gehörend ausgewiesen sei.
4. Gegen diesen Bescheid der BH vom 28. Juni 1989 hatte die Marktgemeinde A Berufung erhoben (Schriftsatz vom 8. August 1989; bei der Erstbehörde eingelangt am 9. August 1989). Da der Landeshauptmann von Niederösterreich als die zuständige Berufungsbehörde über dieses Rechtsmittel nicht innerhalb von sechs Monaten nach dessen Einlangen entschieden hatte, war von den Beschwerdeführern mit Schriftsatz vom 13. Februar 1990 beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft der Antrag gestellt worden, dieser möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde "diese
Wasserrechtssache ... im Wege der Devolution an sich ziehen und
die nicht gerechtfertigte Berufung der Marktgemeinde A zurückweisen".
5. Mit Bescheid vom 7. Mai 1990 wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) gemäß § 73 AVG 1950 den Antrag der Beschwerdeführer auf Übergang der Entscheidungspflicht als unzulässig zurück.
Diese Entscheidung wurde wie folgt begründet: Einen Antrag gemäß § 73 AVG 1950 könne nur eine Partei des Verwaltungsverfahrens stellen. Im amtswegigen wasserpolizeilichen Verwaltungsverfahren hätten allerdings "Dritte" keine Parteistellung, da fremde Rechte durch die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht berührt werden könnten (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1960, Slg. Nr. 5327). Die Beschwerdeführer seien aus diesem Grund nicht Parteien des gegenständlichen Verfahrens und somit nicht berechtigt, die Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950 geltend zu machen.
6. Die Beschwerdeführer erachten sich ihrem gesamten Beschwerdevorbringen zufolge in dem Recht verletzt, daß die belangte Behörde den von ihnen gestellten Devolutionsantrag nicht infolge Fehlens der Parteistellung als unzulässig zurückweise. Sie machen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehren die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
7. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 bedürfen bei den nicht zur Schiff- oder Floßfahrt benützten Gewässerstrecken kleine Wirtschaftsbrücken und -stege keiner Bewilligung nach Abs. 1; erweist sich jedoch eine solche Überbrückung als schädlich oder gefährlich, so hat die Wasserrechtsbehörde über die zur Beseitigung der Übelstände notwendigen Maßnahmen zu erkennen.
2. Ausschließlich auf diese Bestimmung hatte die BH ihren die verfahrensgegenständliche Brücke über den Hagenbach betreffenden wasserpolizeilichen Auftrag vom 7. März 1985 gestützt. Adressat desselben waren - ausgehend von der behördlichen Annahme, sie seien als die Eigentümer der Brücke anzusehen - die Beschwerdeführer; diese waren demnach (zunächst) die einzigen Parteien des wasserpolizeilichen Auftrags-Verfahrens. Die aufgrund der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 erfolgte Behebung des Auftrages der BH unter gleichzeitiger Zurückverweisung der Angelegenheit an diese Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides - die Prüfung der Frage, ob diese Entscheidung der Rechtslage entsprach, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens - hatte zur Folge, daß die Erstbehörde im fortzusetzenden Verfahren - unveränderte Sach- und Rechtslage vorausgesetzt - an die im behebenden und die Angelegenheit zurückverweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 1987 geäußerte, die Behebung tragende Rechtsansicht gebunden war (vgl. aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 25. Mai 1982, Slg. Nr. 10744/A). Solcherart hatte die BH ihrer neuerlichen Entscheidung die Auffassung der belangten Behörde zugrunde zu legen, daß sich eine auf § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 gestützte Anordnung nur an den Eigentümer der Brücke richten könne, daß die von der BH im ersten Rechtsgang zum Beleg des Eigentums der Beschwerdeführer an der gegenständlichen Brücke herangezogenen "Anhaltspunkte" bloße Vermutungen darstellten, und daß die maßgebliche Frage des Eigentums in einer mündlichen Verhandlung vor allem auch unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Behauptungen in der Berufung der Beschwerdeführer zu klären sein werde.
Unter Beachtung dieser sie bindenden rechtlichen Vorgaben gelangte die BH im fortgesetzten Verfahren - dem zutreffend die Beschwerdeführer, aber auch die Marktgemeinde A, jeweils in der Eigenschaft als mögliche Eigentümer der in Rede stehenden Brücke, als Parteien beizuziehen waren und auch beigezogen wurden (vgl. die Verhandlungsschrift vom 7. Juni 1989) - zu dem Ergebnis, daß der die Brücke betreffende wasserpolizeiliche Auftrag rechtens an die genannte Gemeinde als Eigentümerin dieser Anlage zu richten sei (Bescheid vom 28. Juni 1989).
3.1. Wenn in der Folge die Beschwerdeführer die Tatsache, daß über die gegen diesen Bescheid von der Marktgemeinde A erhobene Berufung von der zuständigen Rechtsmittelbehörde nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist entschieden wurde, zum Anlaß für die Einbringung eines Devolutionsantrages bei der belangten Behörde als der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde nahmen, so setzten sie diesen auf § 73 Abs. 1 und 2 AVG 1950 gegründeten Schritt - entgegen der verfehlten Rechtsansicht der belangten Behörde - als Parteien des einheitlichen, in zwei Rechtsgängen abgeführten Verwaltungsverfahrens.
Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes unter Bezugnahme auf VwSlg. Nr. 5327 vertretene Meinung, "im amtswegigen wasserpolizeilichen Verwaltungsverfahren haben allerdings 'Dritte' keine Parteistellung, da fremde Rechte durch die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht berührt werden können", ist nicht zielführend, weil es im vorliegenden Beschwerdefall nicht um die Abgrenzung eines wasserpolizeilichen Auftrages gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 von einem solchen nach § 138 Abs. 1 leg. cit. und die daraus resultierenden Unterschiede in der Parteistellung geht (nur im Fall des § 138 Abs. 1 WRG 1959 kommt ein "Betroffener" als Antragsteller und damit als Partei in Betracht, nicht jedoch im Fall des im Einparteienverfahren zu erlassenden Alternativauftrages; vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1982, Zl. 82/07/0015, und vom 14. April 1987, Zl. 86/07/0267, sowie das zur Vorläuferbestimmung des § 138 WRG 1959, nämlich § 121 WRG 1934, ergangene Erkenntnis vom 23. Juni 1960, Slg. Nr. 5327/A), sondern allein um die Frage, wem in einem Verfahren, in dem die Behörde einen Auftrag gemäß § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 zu erlassen beabsichtigt (und schließlich auch erläßt), Parteistellung zukommt. Dies ist unbeschadet dessen, daß ein solches Verfahren von Amts wegen einzuleiten ist, unter Zugrundelegung der Auffassung der belangten Behörde (§ 66 Abs. 2 AVG), daß Adressat einer wasserpolizeilichen Anordnung nach § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 der Eigentümer der schädlichen oder gefährlichen Brücke und Stege zu sein habe, jedenfalls die Person, von der die Behörde begründeterweise annimmt, sie komme als Eigentümer der genannten Anlagen in Betracht.
Im Beschwerdefall kamen - woran die vorgelegten Akten keinen Zweifel aufkommen lassen - für die Erstbehörde sachverhaltsmäßig von vornherein sowohl die Beschwerdeführer als auch die Marktgemeinde A als Eigentümer der besagten Brücke über den Hagenbach in Frage; in Befolgung der für sie im Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 1987 bindend geäußerten Rechtsansicht hatte sie die Genannten in das wasserpolizeiliche Verfahren als Parteien einzubeziehen (und hat dies auch tatsächlich getan). Der Umstand, daß die BH im ersten Rechtsgang die Beschwerdeführer, im zweiten Rechtsgang hingegen die Gemeinde als Eigentümer qualifizierte, vermag daran nichts zu ändern, bedeutet doch die durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid nach § 66 Abs. 2 AVG bedingte Notwendigkeit eines fortgesetzten Verfahrens nicht, daß damit die Einheit des (aus zwei Rechtsgängen bestehenden) Verwaltungsverfahrens verloren ginge. Der Gegenstand des Verfahrens ist ungeachtet des dazwischentretenden § 66 Abs. 2 AVG-Bescheides immer derselbe (im Beschwerdefall: die Erlassung von auf § 38 Abs. 2 lit. b WRG 1959 gestützten Anordnungen). Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie in ihrer Gegenschrift in bezug auf den ersten Rechtsgang von einem "anderen Verfahren" bzw. einem "früheren gewässerpolizeilichen Verfahren" spricht, in dem den Beschwerdeführern Parteistellung zugekommen sei.
3.2 Waren demnach die Beschwerdeführer als Parteien des einen wasserpolizeilichen Verfahrens zu qualifizieren, so waren sie auch zur Einbringung eines Antrages auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die belangte Behörde als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde legitimiert. Denn zur Stellung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG ist nicht nur die Partei, die Berufung erhoben hat (hier: die Marktgemeinde A), berechtigt, sondern auch eine andere Partei, sofern deren Rechtslage durch den ausständigen Bescheid einer Veränderung ausgesetzt ist, insbesondere der Berufungsgegner (vgl. aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, S. 648 unter 33 a angeführten Entscheidungen). Dem steht das in derselben Sache ergangene hg. Erkenntnis vom 4. April 1989, Zl. 89/07/0046, nicht entgegen, weil im dortigen Beschwerdefall im Gegensatz zum vorliegenden keine Berufungsentscheidung ausständig war.
4. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zu Unrecht den Devolutionsantrag der Beschwerdeführer mangels Parteistellung im Verwaltungsverfahren als unzulässig zurückgewiesen hat, und die Beschwerdeführer dadurch in dem vom Beschwerdepunkt (oben I. 6.) erfaßten Recht verletzt worden sind, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Parteistellung ParteienantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990070093.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
16.11.2011