TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/9 90/13/0038

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/13/0039 90/13/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des Dipl. Ing. Paul B in M, 2) des Dr. Johann D in W und 3) des Erwin S in S, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland jeweils vom 27. Dezember 1989, zu 1) GZ GA 7 - 1579/31/89, zu

2) GZ GA 7 - 1579/29/89 und zu 3) GZ GA 7 - 1579/30/89, betreffend Haftung für Abgabenverbindlichkeiten gemäß §§ 9, 80 ff BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte der Beschwerdefälle wird auf das (aufhebende) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1989, Zlen. 88/13/0127 bis 0132, verwiesen.

Mit den nunmehr angefochtenen Ersatzbescheiden wurde in teilweiser Stattgebung der Berufungen gegen die Haftungsbescheide des Finanzamtes die Haftung gegen die Beschwerdeführer (allein) für Abgabenverbindlichkeiten der Steinbruchunternehmen S-GmbH im Ausmaß von S 128.023,40 geltend gemacht. Nach der Begründung dieser Bescheide handelt es sich im einzelnen um Lohnsteuer für Jänner bis Dezember 1976 in Höhe von S 99.371,--, um Dienstgeberbeiträge für Jänner bis Dezember 1976 in Höhe von S 27.089,40 und Dienstgeberbeiträge für Jänner 1977 in Höhe von S 1.563,--.

In der Beschwerde gegen diese Bescheide wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, zu denen auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen, alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, Zl. 90/15/0066, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach den Sachverhaltsfeststellungen der Abgabenbehörden waren im beschwerdegegenständlichen Zeitraum die drei Beschwerdeführer sowie Karl J Geschäftsführer der GmbH. Nach der internen Geschäftsverteilung waren der Drittbeschwerdeführer für die "kaufmännische" Geschäftsführung und Karl J für die "technische" Geschäftsführung zuständig. Nach dem Vorbringen des Erst- und Drittbeschwerdeführers wurde die Lohnverrechnung von einer Person namens N besorgt, die dazu von Karl J beauftragt worden war.

Sind wie im Beschwerdefall mehrere potentiell Haftende vorhanden, so richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung zunächst danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1986, Zl. 84/13/0246).

Für die Entrichtung der Abgaben war nach der internen Geschäftsverteilung der Drittbeschwerdeführer zuständig. Die Beschwerdeausführungen über die Entziehung der Befugnisse des Drittbeschwerdeführers ab Jänner 1977 gehen ins Leere, weil nach der - von der Beschwerde konkret nicht in Abrede gestellten - Sachverhaltsdarstellung der belangten Behörde die Lohnsteueranmeldung für Jänner 1977 vom Drittbeschwerdeführer unterfertigt worden ist. Mit den in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurde aber nur die Haftung für Zeiträume bis einschließlich Jänner 1977 betreffende Abgaben ausgesprochen. Später eingetretene Sachverhalte sind im gegenständlichen Verfahren somit nicht mehr von Bedeutung.

Die interne Regelung über die Zuständigkeit zur Entrichtung der Abgaben verpflichteten den Drittbeschwerdeführer, auch die Richtigkeit der Abgaben zu überprüfen. Wie auch den Ausführungen der Beschwerde zu entnehmen ist, hat er dies unterlassen; vielmehr hat er die ihm bekanntgegebenen Abgabenschuldigkeiten übernommen, die von einem Lohnverrechner ermittelt wurden. Die ungeprüfte Übernahme der bekanntgegebenen Abgabenschuldigkeiten stellt aber für den mit der Abgabenentrichtung betrauten Geschäftsführer ein schuldhaftes Verhalten dar.

Werden von dem, der nach der internen Geschäftsverteilung nicht mit der Besorgung der abgabenrechtlichen Belange betraut ist, eigene Pflichten als Geschäftsführer verletzt (Untätigbleiben bei Erkennen des pflichtwidrigen Verhaltens des intern Verantwortlichen), so ist auch dieser haftungsrechtlich verantwortlich; nach den Sachverhaltsermittlungen der Abgabenbehörden nahmen aber der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer seit Frühjahr 1976 an der Geschäftsführung wegen gravierender Differenzen mit dem Drittbeschwerdeführer und Karl J nicht mehr teil. Eine andere Betrachtung könnte auch nicht Platz greifen, wenn Erst- und Zweitbeschwerdeführer an der Geschäftsführung gehindert worden sein sollten. Ein Geschäftsführer, der - aus welchen Gründen immer - an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert ist, hat entweder sofort die Behinderung der Ausübung seiner Funktion abzustellen oder die Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1990, Zl. 90/14/0038). Da der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer dies - trotz Kenntnis der Mängel der Geschäftsführung durch die beiden anderen Geschäftsführer spätestens ab Oktober 1976 - nicht getan haben, haben sie auch ihre Pflichten zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die GmbH treffenden Abgaben verletzt.

Überdies ist allen drei Beschwerdeführern anzulasten, daß dem Geschäftsführer Karl J - der seinen eigenen Angaben zufolge als früherer Platzmeister für die Ausübung von Geschäftsführungsfunktionen eines Unternehmens der gegenständlichen Größe völlig ungeeignet war - über den technischen Bereich hinaus als dem einzigen ständig an den Betriebsstätten anwesenden Geschäftsführer weitgehende Geschäftsführungsfunktionen wie insbesondere die Durchführung der Lohnverrechnung überlassen worden waren. Unter derartigen Umständen wären alle drei Beschwerdeführer zu einer eingehenden Überwachung der mit der Lohnverrechung betrauten Organe verpflichtet gewesen. Im Hinblick auf die festgestellte mangelnde Kontrolle der Lohnverrechnung war den Beschwerdeführern somit neben dem Auswahlverschulden auch ein Überwachungsverschulden anzulasten.

Wenn in der Beschwerde ein Verschulden des Erst- und Zweitbeschwerdeführers mit der Begründung in Abrede gestellt wird, diese seien ihrer Kontrollfunktion dadurch nachgekommen, daß dem betrauten Wirtschaftstreuhänder die Vollmacht und dem Drittbeschwerdeführer die "Handlungsermächtigung" als Geschäftsführer entzogen wurden, so ist dem entgegenzuhalten, daß damit eine konkrete Überwachung der Ermittlung und Abfuhr bzw. Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben nicht dargetan worden ist, zumal die dargestellten Maßnahmen erst 1977 gesetzt wurden, während die gegenständlichen Abgaben - mit Ausnahme des Dienstgeberbeitrages für Jänner 1977 - das Jahr 1976 betroffen haben. Der Drittbeschwerdeführer hat wie ausgeführt auch 1977 noch Geschäftsführungshandlungen vorgenommen.

Auch die vom vierten Geschäftsführer in seiner Tätigkeit begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen stellen keine Umstände dar, die die drei Beschwerdeführer von ihrer haftungsrechtlichen Verantwortung für die konkret nicht entrichteten bzw. abgeführten Abgaben befreien würden. Die belangte Behörde hatte in den angefochtenen Bescheiden lediglich das Verschulden der drei Beschwerdeführer, nicht aber das allenfalls ebenfalls schuldhafte Verhalten des vierten Geschäftsführers zu beurteilen. Daß auf Grund dieser strafbaren Handlungen für die Beschwerdeführer die Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht erkennbar war, steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang damit, daß die berechneten Lohnsteuerbeträge nicht abgeführt worden waren. Die Beschwerdeführer verkennen auch, daß ihnen nicht zur Last gelegt wurde, die NACH der Lohnsteuerprüfung (welche nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH vorgenommen worden war) vorgeschriebenen lohnabhängigen Abgaben nicht entrichtet zu haben. Vielmehr ist entscheidend, daß diese Abgaben infolge schuldhafter Pflichtverletzungen nicht bereits zum Fälligkeitszeitpunkt abgeführt (entrichtet) worden sind.

Auch das Vorbringen in der Beschwerde, wonach nahezu die gesamten Lohnsteuernachzahlungsbeträge auf die Nichtabfuhr der Lohnsteuer für das Gehalt des vierten Geschäftsführers J zurückzuführen waren, kann die Beschwerdeführer nicht entlasten: Eine bloß stichprobenweise Überprüfung der Lohnverrechnung, zu der sie verpflichtet waren, hätte zur Entdeckung dieser Mängel führen müssen, zumal von den Beschwerdeführern selbst eingeräumt wird, daß bei einer diesbezüglichen Überprüfung der Bilanz die Mängel festgestellt hätten werden müssen.

Die Beschwerdeführer verkennen auch, daß sie in der gegenständlichen Rechtssache nicht dafür verantwortlich gemacht worden sind, daß sie die gerichtlich strafbaren Untreuehandlungen des vierten Geschäftsführers nicht rechtzeitig erkannt haben, sondern daß es aus ihrem eigenen Verschulden (in der Schuldform der Fahrlässigkeit) zum Ausfall der lohnabhängigen Abgaben gekommen ist. Ebensowenig ist für die Beschwerdesache maßgeblich, daß die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Geschäftsführung wegen fahrlässiger Krida verurteilt worden sind.

Ins Leere geht auch die Rüge betreffend die Höhe der in den angefochtenen Ersatzbescheiden ausgewiesenen Haftungsbeträge, da diesen hinlänglich deutlich zu entnehmen ist, daß von den ursprünglich laut Vorhalten vom 9. März 1983 ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten eben nur mehr die im Spruch der Bescheide angeführten geringeren Beträge aushafteten.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990130038.X00

Im RIS seit

06.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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