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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §428;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. NN in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom 21. Dezember 1989, GZ 6/3-3257/86-07, betreffend Einkommensteuer 1982 und 1983, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte in den Streitjahren Zuwendungen zur Durchführung von Forschungs- und Lehraufgaben als Sonderausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 (für 1982 S 195.000,-- und für 1983 S 96.011,--) geltend. Den Einkommensteuererklärungen waren jeweils Bestätigungen der Zentralbibliothek für Physik in Wien angeschlossen, wonach der Beschwerdeführer diesem Institut Autographen und andere Informationsträger aus dem Nachlaß des 1976 verstorbenen Vaters des Beschwerdeführers, Univ. Prof. Dr. XN, geschenkt habe.
In den Akten befindet sich ein von einem Organ des Finanzamtes verfaßter Aktenvermerk vom 2. Oktober 1985, demzufolge der Direktor der angeführten Bibliothek, Dr. Wolfgang R, am 27. September 1985 als Auskunftsperson vernommen worden sei. Danach seien mit dem Beschwerdeführer am 3. März, 5. März, 10. März und 24. März 1981 "Gespräche (Verhandlungen)" über die Schenkung des wissenschaftlichen Nachlasses (nach Univ. Prof. Dr. XN) geführt worden. Dabei sei eine mündliche Vereinbarung über die Schenkung - ohne irgendwelche Einschränkungen - getroffen worden. Die Bewertung sei nach Katalogen des Dorotheums und anderen Katalogen über Wertfestsetzungen ähnlicher Wissenschaftler erfolgt.
Auf einen entsprechenden Vorhalt des Finanzamtes gab der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom 23. Oktober 1985 an, er habe im Jahre 1981 den wissenschaftlichen Nachlaß seines Vaters der Zentralbibliothek für Physik zur Lagerung übergeben und dabei in Aussicht gestellt, diesen "etappenweise" schenkungsweise zu übergeben. Diese Form habe er gewählt, weil der Umfang des Nachlasses beträchtlich gewesen sei, dessen Inventarisierung die Kapazität der Zentralbibliothek lange Zeit beanspruchen werde. Weiters habe der Nachlaß für den Beschwerdeführer nicht nur einen wissenschaftlichen, sondern auch einen persönlichen Wert; es liege dem Beschwerdeführer daran, zu sehen, wie die Auswertung des Nachlasses vor sich gehe. Es sei deshalb in den vergangenen Jahren jeweils zu Jahresende nach der jeweiligen Teilinventarisierung des Nachlasses zu Gesprächen mit dem Leiter der Zentralbibliothek für Physik gekommen, in der der Umfang der jeweiligen Schenkung festgelegt wurde. Der Eingabe war ein an den Beschwerdeführer gerichtetes Schreiben Dris. R angeschlossen. Darin wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Jahre 1981 den wissenschaftlichen Nachlaß seines Vaters der Zentralbibliothek für Physik zur Verwahrung gegeben. Es sei verabredet worden, daß die einzelnen Dokumente des Nachlasses im Ausmaß der möglichen Inventarisierung in das Eigentum der Bibliothek übergehen sollten. Motiv für diese Vereinbarung sei einerseits die Absicht gewesen, durch die Bearbeitung eindeutige Rechtsverhältnisse zu schaffen, andererseits sei nur diese Vorgangsweise angesichts des Umfanges des wissenschaftlichen Nachlasses und der gegebenen personellen Ausstattung der Bibliothek sinnvoll erschienen. Der Beschwerdeführer könnte unverändert über den Teil des wissenschaftlichen Nachlasses verfügen, der noch nicht durch "Katalogisierungsarbeit" ins Eigentum der Bibliothek übergegangen sei.
Bei Erlassung der Einkommensteuerbescheide 1982 und 1983 versagte das Finanzamt den gegenständlichen Zuwendungen die Anerkennung als Sonderausgaben. Das Finanzamt vertrat dabei die Auffassung, daß die Zentralbibliothek für Physik bereits im Jahre 1981 mit der Übergabe des wissenschaftlichen Nachlasses nach Univ. Prof Dr. XN wirtschaftlicher Eigentümer geworden sei.
In der Berufung gegen diese Bescheide wurde zum Sachverhalt ausgeführt, im Jahre 1981 sei der genannte Nachlaß (lediglich) zur Verwahrung übergeben worden; eine Schenkung sei lediglich in Aussicht gestellt worden. Zu Jahresanfang 1982 und Jahresende 1983 sei der Umfang der zu erfolgenden Schenkung festgelegt worden. Der erst damals zustande gekommene Schenkungsvertrag habe nur (bereits) katalogisierte Gegenstände betroffen. Die Katalogisierung sei nur eine Vorarbeit gewesen, um die zu übergebenden Schriftstücke eindeutig festzuhalten.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich der Sonderausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 keine Folge gegeben. Die belangte Behörde bestätigte die Auffassung des Finanzamtes, daß die Zentralbibliothek für Physik bereits im Jahre 1981 wirtschaftlicher Eigentümer der streitgegenständlichen Autographen und sonstigen Informationsträger geworden sei. Im übrigen sei bei den Erhebungen des Finanzamtes festgestellt worden, daß die Vereinbarung über die gegenständliche Schenkung ohne jede Einschränkungen 1981 mündlich getroffen worden sei.
Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und darin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 in der ab dem Jahre 1982 anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981, BGBl. Nr. 620, sind Zuwendungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 Sonderausgaben, soweit sie nicht aus dem Betriebsvermögen erfolgen. Nach der bezogenen Gesetzesstelle des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 zählen zu den Betriebsausgaben auch Zuwendungen an bestimmte Institutionen und Personen zur Durchführung von Forschungs- und Lehraufgaben.
Im Beschwerdefall steht in Streit, in welchem Zeitpunkt die aus dem Titel von Schenkungen erfolgten Zuwendungen von Autographen und anderen Informationsträgern aus dem wissenschaftlichen Nachlaß des Vaters des Beschwerdeführers erfolgt sind.
Mit dem im § 943 ABGB für einen Schenkungsvertrag normierten Erfordernis der "wirklichen Übergabe" verlangt das Gesetz einen zum Schenkungsversprechen hinzutretenden, sinnfälligen, nach außen hin erkennbaren Akt, aus dem der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, den Gegenstand der Schenkung aus seiner Gewahrsame sofort und vorbehaltlos in den Besitz des Geschenknehmers zu übertragen (vgl. z.B. OGH vom 8. April 1981, 1 Ob 567/81, SZ 54/81, und vom 16. März 1982, EvBl 1982/137). Befindet sich die Sache bereits in der Gewahrsame des Übernehmers, so kann kurzer Hand durch Besitzauflassung im Sinne des § 428 zweiter Halbsatz ABGB das Ergebnis der körperlichen Übergabe erzielt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1988, Zl. 87/16/0169).
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid einerseits davon aus, daß bereits 1981 eine Schenkung erfolgte. Andererseits meinte sie, daß die Bibliothek über die Nachlaßgegenstände (ab dem Jahre 1981) die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausgeübt hatte, sodaß sie als wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO anzusprechen war.
Die belangte Behörde stützte sich bei ihren Schlußfolgerungen im wesenlichen auf den Aktenvermerk über die am 27. September 1985 durchgeführte Vernehmung des Leiters der Bibliothek als Auskunftsperson. Mit der Aufnahme dieses Aktenvermerkes, der in Fotokopie mit eingefügten Maschinschriftstellen hergestellt wurde und zu welchem Zeitpunkt immer vom Behördenorgan unterfertigt worden ist, hat die Abgabenbehörde gegen die zwingende Vorschrift des § 87 Abs. 2 BAO verstoßen, wonach unter anderem über die Einvernahme von Auskunftspersonen eine Niederschrift aufzunehmen ist, zumal von der Auskunftsperson eine detaillierte Darstellung des Vorganges gegeben worden ist.
Obgleich der Beschwerdeführer insbesondere in seiner
Eingabe vom 23. Oktober 1985 eine dem Ergebnis der genannten
Auskunftserteilung widersprechende Sachverhaltsdarstellung
gegeben hat, hat es die Behörde entgegen den Bestimmungen des
§ 183 Abs. 4 BAO unterlassen, dem Beschwerdeführer das Ergebnis
dieser Beweisaufnahme zur Kenntnis zu bringen. Der im Vorhalt
des Finanzamtes vom 10. Oktober 1985 enthaltene Satz "Nach den
Erhebungen des Finanzamtes soll der ... Nachlaß ... bereits im
März 1981 ... übertragen worden sein" konnte dabei eine
Kenntnisnahme des Beschwerdeführers von dieser Beweisaufnahme nicht bewirken.
Weiters hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit dem aktenkundigen Schreiben des Leiters der Bibliothek, das dieser am 15. Oktober 1985, also wenige Tage nach der Auskunftserteilung gegenüber dem Organ der Behörde an den Beschwerdeführer gerichtet hat, auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf die Unbeschränktheit der Beweismittel (vgl. § 166 BAO) kam auch dieses Schriftstück als Beweismittel in Betracht. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid wurde nicht allein vom Beschwerdefüher, sondern vielmehr auch von der Auskunftsperson die Behauptung aufgestellt, daß die streitgegenständlichen Nachlaßgegenstände im Jahre 1981 lediglich in Verwahrung gegeben wurden, und der Beschwerdeführer über die noch nicht katalogisierten Gegenstände jederzeit hätte verfügen können.
Im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wäre die belangte Behörde in Befolgung des Grundsatzes der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit zu weiteren Beweisaufnahmen verpflichtet gewesen, insbesondere durch förmliche Einvernahme der in Betracht kommenden Personen als Zeugen, wobei Beweisthema auch das Zustandekommen des Aktenvermerkes und dessen Inhalt hätte sein müssen.
Die belangte Behörde hat somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Zur Klarstellung wird bemerkt, daß auch die im angefochtenen Bescheid (alternativ) vertretene Auffassung, daß die Bibliothek bereits 1981 das wirtschaftliche Eigentum erworben habe, die belangte Behörde nicht von der Verpflichtung zur Beachtung der angeführten Verfahrensvorschriften befreite. Die bloße Verwahrung im Sinn des § 957 ABGB begründet keinesfalls wirtschaftliches Eigentum nach § 24 Abs. 1 lit. d BAO; gerade im mehrfach genannten Schreiben der Auskunftsperson Dr. R vom 15. Oktober 1985 ist aber ausdrücklich ausgeführt, daß der Beschwerdeführer nach wie vor die Verfügungsgewalt über die noch nicht katalogisierten Nachlaßgegenstände habe, ein Umstand, der ein wirtschaftliches Eigentum der Bibliothek über diese Gegenstände ausschließen würde. Überhaupt erscheint die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit. d BAO beim vorliegenden Stand des Beschwerdefalles nicht von Bedeutung, da ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum nicht ersichtlich ist.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/91.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990130047.X00Im RIS seit
11.07.2001